Wie ein kleiner Vogel zu seinem Namen kam

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Emma Roth

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Hoffe, es gefällt Euch, nachdem ich es ein wenig abgewandelt habe.
Freue mich auf jeden Fall auf Eure Antworten!


Wie ein kleiner Vogel zu seinem Namen kam

In einem kleinen Dorf namens Küstelbrunnen, irgendwo im Schwarzwald, lebte einmal ein alter Holzschnitzer. Er war sehr arm und jeden Tag saß er in seiner kleinen Werkstatt und arbeitete. Meistens hatte er ein Blatt Papier vor sich, zeichnete etwas darauf und wenn er mit seiner Skizze fertig war, legte er sie ausgebreitet auf den hölzernen Fußboden und nahm sich ein neues Blatt. Ihr wollt wissen, was er denn da überhaupt zeichnete? Na gut, ich werde es euch sagen: Er zeichnete Spielsachen, aber nicht so normale, wie man sie an jeder Ladenecke kaufen konnte, sondern ganz ungewöhnliche. Für die Mädchen zum Beispiel einen Puppenwagen mit Eigenantrieb, für die Jungen Holzdrachen, die ohne Wind fliegen konnten, oder Marionetten, die ganz von alleine tanzten. Und das alles musste er natürlich erst mal vorzeichnen, um es später aus Holz nachzubauen. In den Regalen stapelten sich mittlerweile die vielen, vielen Spielsachen, die er bereits für die Kinder gebastelt hatte. Die Menschen nämlich, in seinem kleinen Dorf waren sehr arm und hatten kaum Geld, um sich etwas zu essen zu kaufen; wie sollten sie da für ihre Kinder noch Geld übrig haben? Unser Holzschnitzer war aber ein guter Mensch, und weil er selbst einmal klein war und die Kinder aus seinem Dorf sehr lieb hatte, versprach er ihnen, dass sie sich einmal im Jahr, und zwar an ihrem Geburtstag, etwas bei ihm aussuchen durften.
Ja und jetzt saß er gerade mal wieder in seiner kleinen Werkstatt am Fenster und schnitzte Figuren. Natürlich ganz ungewöhnliche. Da gab es einen Elefanten mit einem riesig langen Hals, eine Schlange mit Ohren, die so groß waren wie Kaninchenlöffel, ein Schweinchen, das gerade einen Fisch in seinem Schnabel hochhielt, eine Schildkröte mit bunten Flügeln und noch viele andere lustige Gestalten. Als er mehr als zwanzig kleine und große Holzstücke bearbeitet hatte, legte er sein Handwerkszeug zur Seite, stellte jedes Tier der Größe nach auf seinem Tisch auf und betrachtete es von allen Seiten. Ein kleiner Vogel, nicht viel größer als ein Zeigefinger, hatte es ihm besonders angetan. Mit dem, dachte er so bei sich, habe ich etwas ganz Besonderes vor; dann legte er sich zufrieden in sein Bett und als er gerade einschlafen wollte, erschien ihm plötzlich eine Fee. „ Fürchte dich nicht,“ sprach die Fee ruhig, „ ich will dir nichts Böses. Wisse, ich bin die Fee der Bäume und bin gekommen, weil es mir gefallen hat, was du aus meinen Baumkindern geschaffen hast. Du hast soviel Liebe in deine Arbeit gesteckt, dass es mir mein Herz rührte und ich mir wünschte, alle Menschen auf der ganzen Welt könnten sich daran erfreuen. Damit dir das gelingen werde, will ich versuchen, dir zu helfen.“ Oh, dachte der Holzschnitzer beglückt, eine Fee, die extra gekommen war, um ihm ihre Hilfe anzubieten, war ihm noch nie vorgekommen.
Er setzte sich in seinem Bett auf und musste erst einmal blinzeln, denn der helle Schein, der die Fee umgab, war zu hell für seine müden Menschenaugen. Schnell gewöhnte er sich aber an das Licht. „ Das freut mich sehr, liebe Fee,“ sprach er, „ dass du extra gekommen bist um mir zu helfen. Ich dachte schon, ich müsste mit meiner Arbeit von vorne beginnen und meine Tiere vernichten. Die Leute hier sind nämlich alle sehr arm und haben kaum ihr tägliches Brot. „Ich weiß,“ antwortete die Fee traurig, aber vielleicht finden wir beide einen Weg, Euch allen zu helfen.“ Und dann erzählte unser Holzschnitzer der Fee, dass ihm von allen Tieren der kleine Vogel am besten gefiel. „... aber wie soll ich es anstellen, dass die ganze Welt von ihm erfährt? Oder hast du vielleicht schon eine Idee oder ... ?“ Gespannt sah er zur Fee herüber, die plötzlich lachen musste. „ Du meinst, ich sollte mein Stöckchen schwingen und einen Zauber sprechen?“ Der Holzschnitzer nickte erfreut über diese Möglichkeit. „ Ich könnte natürlich, schließlich bin ich eine Fee, aber so einfach werde ich es dir nicht machen. Zuerst finde mir einen passenden Namen für diesen kleinen Vogel hier, dann sehen wir weiter.“ Und so plötzlich, wie sie gekommen war, verschwand die gute Fee auch wieder.
„ Einen passenden Namen,“ der Holzschnitzer überlegte, „das dürfte eigentlich nicht allzu schwer sein. Schließlich fallen mir ja täglich tausend gute Dinge ein“, und während er noch darüber nachdachte, fielen ihm die Augen zu. Am nächsten Abend konnte er das Kommen der Fee kaum abwarten. Den ganzen Tag hatte er gegrübelt und geschrieben. „ Nun, was hast du mir zu sagen?“ fragte die Fee gespannt. „ Hhm,“ murmelte der Holzschnitzer und nahm einen großen Block aus seiner Schublade, „was hältst du von Fliegmatz oder Singstrolch oder Trallatriller ...?“ Die Fee blickte erzürnt, aber nicht, weil sie böse war, sondern weil sie eher traurig über seine Antwort war. Sie durfte nämlich den Menschen nicht einfach so helfen, ohne dass sie selber etwas dazu beitrugen. „ Ich dachte du wärst ein Erfinder, und da kommst du mit solch dummen Namen. Denk besser nach! Morgen werde ich zum letzten Mal kommen, und sollte dir bis dahin nichts besseres eingefallen sein, dann kann ich dir und deinem Dorf leider nicht weiterhelfen.“
Am nächsten Morgen, der Erfinder hatte die ganze Nacht wachgelegen und gegrübelt, griff er traurig seinen kleinen Vogel und machte sich auf den Weg in die Stadt. Nichts war ihm eingefallen, absolut gar nichts und wenn er bis heute Abend der Fee keinen passenden Namen nennen konnte, dann ... ? Vielleicht hat mich mein Glück ja doch noch nicht ganz verlassen, dachte er bei sich selbst und sprach frohen Mutes den ersten, der an ihm vorbeiging, an: „ Sag mir, kannst du mir vielleicht einen vernünftigen Namen für diesen kleinen Vogel nennen?“ Er reichte dem anderen das Holzstück, der nahm das Tier zwischen seine beiden Hände, drehte und wendete es und fragte dann: „Wie wär’s mit Hölzchen?“ Ein anderer meinte: „Braunchen vielleicht?“ und wieder ein anderer „ Pieper?“
Enttäuscht kehrte der Erfinder zurück. Seinen Traum von der Rettung seines Dorfes hatte er längst begraben. Es war wie verhext, endlich hatte er eine Chance zu helfen und jetzt das. Ihm wollte einfach nichts mehr einfallen. Kurz vor seiner Werkstatt begegnete ihm eine Nachbarin mit ihrem kleinen Sohn. „ Lieber gütiger Mann,“ begrüßte sie ihn freundlich, „ wir wollten uns gerade mal ein wenig bei ihnen in der Werkstatt umschauen. Mein Sohn hat nämlich nächste Woche Geburtstag und da wollte er unbedingt ... .“ Der Holzschnitzer lächelte bekümmert. „ Ich weiß schon, meine Liebe. Hier mein Junge,“ dabei streckte er dem Jungen den Vogel entgegen, „wie würde dir das hier gefallen?“ Der Junge hielt das Holzstück in seinen kleinen Händen, betrachtete es einen Moment und rief dann glücklich: „ Da Mama, kuck, kuck, ist der nicht schön? Den will ich haben.“ - „Kuckkuck?“ wiederholte der Holzschnitzer leise, und noch einmal „Kuckkuck.“ Dabei klopfte sein Herz so laut, dass er Angst hatte, es würde ihm gleich aus der Brust springen.
Als ihm in der Nacht, wie geheißen, zum letzten Mal die Fee erschien, war unser Holzschnitzer so aufgeregt, dass er kein Auge zumachen konnte. Erwartungsvoll saß er auf seiner Denkerbank und wartete. „ Hast du mir heute vielleicht mehr zu sagen?“ fragte die Fee neugierig und setzte sich neben ihn. Der Holzschnitzer machte ein ernstes Gesicht und schien zu überlegen. Die Zeit verstrich und die Fee wurde langsam ungeduldig. „Du hast also keinen passenden Namen gefunden?“ fragte sie enttäuscht. „Wenn das so ist, dann muss ich leider... .“ – „Halt,“ rief der Holzschnitzer, „ warte doch! Mir ist etwas ja etwas eingefallen.“ Die Fee fing an zu lächeln und der Holzschnitzer sprach: „Was hältst du von ... Kuckkuck?“
„ Kuckkuck?“ begeistert klatschte sie in die Hände. „ Ja,“ rief sie erfreut, „ der Name gefällt mir,“ und da sie ihm ihre Hilfe angeboten hatte, sprach sie: “ Wir wäre es, wenn dein kleiner Vogel jede volle Stunde aus einer Wanduhr erscheinen würde?“ Unser Holzschnitzer verstand nicht gleich. „Wieso soll ich ihn aus einer Wanduhr kommen lassen?“ „ Na, weil er so den Menschen die Zeit ansagen wird, und damit auch alle erfahren, wer da jede Stunde erscheint, wird er sooft ‚kuckkuck’ rufen, wie die Zeit geschlagen hat.“ Da aber kleine Holzvögel nicht von alleine sprechen können, belegte sie den Vogel natürlich mit einem kleinen Zauber; schließlich war sie ja eine Fee.
So ging die Kuckkucks-Uhr um die ganze Welt. Alle großen und kleinen Leuten wollten sie unbedingt haben und konnten es kaum erwarten, den kleinen Vogel jede volle Stunde rufen zu hören. In dem kleinen Dorf aber, irgendwo im Schwarzwald, litt kein Mensch mehr Not, denn unser Holzschnitzer verdiente so viel Geld mit seinem Kuckkuck, dass für alle genügend übrig blieb.
 
Hallo Emma,

die Geschichte gefällt mir! Märchen sind auch im 21. Jhdt. nicht out. Lebendig erzählt und schöner Spannungsbogen bis zum Schluss.

Freue mich auf "Nachschub"!

Femi
 

zedertochter

Mitglied
Schöne Geschichte

Hallo Emma,
in dieser Geschichte hast du zwar alles ganz genau erklärt, aber trotzdem habe ich eine Frage an dich. Hat der Junge am ende denn den Vogel bekommen?
Gruß
 



 
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