Eberhard Schikora
Mitglied
Wie ich Abstinenzler wurde
In den 50er Jahren waren Studentinnen der Naturwissenschaften noch eine kleine Minderheit. Das gefiel mir gar nicht. Und so geriet ich, in einer ziemlich finsteren Gegend in Berlin-Mitte auf einen “Ball der einsamen Herzen“. Schnell stellte ich fest, dass die dort vertretenen reiferen Damen keine Alternative für mich waren. Da kam mir ein Kostümfest gerade recht, das die Akademie der bildenden Künste (in unmittelbarer Nähe der Uni gelegen) veranstaltete. Aber „als was“ sollte ich da erscheinen? Meine Tante Grete, bei der ich wohnte, empfahl mir, als Mamas Liebling aufzutreten, mit einem Schnuller um den Hals. Da würden die Mädchen nur so auf mich fliegen.
Ich erntete belustigte Blicke, doch das war’s auch schon. Ich bestellte mir eine Flasche spanischen Südwein, mit der ich eine ganze Weile allein war. Meine gedrückte Stimmung verschwand erst, als ich unsern Liliput, eine bildhübsche, aber mehrere Nummern zu klein geratene Kommilitonin aus meinem Semester entdeckte. Sie hatte sich als Seppel verkleidet. Die Kapelle intonierte einen schmissigen Foxtrott, und wir begaben uns auf die Tanzfläche.
Schnuller und Lederhose, welch ein Gespann! Und dann tippte mir ein Liliputaner auf die Schulter und spannte mir meine Lederhose aus. Ich habe sie den ganzen Abend nicht wieder gesehen.
Nach etlichen vergeblichen Bemühungen um die Gunst der Damen ergab ich mich wieder meinem spanischen Wein. Immerhin entschädigte mich das reichhaltige Repertoire des Tanzorchesters – ein Ensemble aus wirklichen Könnern. Trotzdem war ich traurig, und je trauriger ich wurde, desto leerer wurde die Flasche. Der Schnuller war inzwischen abhanden gekommen.
Auf einmal Murren im Saal. Die Kapelle begann einzupacken. Anhaltende Proteste bewirkten noch eine Zugabe, aber mehr war nicht drin. Ich sah meine Chance gekommen und setzte mich an den Flügel. Ich musste wohl die Tasten noch ganz gut getroffen haben, denn die Tanzfläche füllte sich wieder, und ich konnte sogar ein paar spezielle Wünsche erfüllen. Aber nicht lange. Der Wein zeigte unerbittlich seine Wirkung. Die Stimmung schlug um, noch ein paar mitleidige Blicke, Ende der Veranstaltung. Nur ein paar Unentwegte drückten sich noch in den Gängen und Nischen herum.
Ich wankte an meinen Tisch, leerte die Flasche bis zur Neige und begab mich auf den Heimweg. Weit kam ich nicht. Ich stolperte und rutschte vom Bürgersteig. Wie lange ich ohne Bewusstsein war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls erwachte ich mit scheußlichen Kopfschmerzen und fror erbärmlich.
Ein freundlicher Kommilitone fand mich, bestellte ein Taxi und begleitete mich nach Hause. Die Befürchtungen des Taxifahrers, ich könnte seinen Wagen verunreinigen, blieben gegenstandslos. Stattdessen verarbeitete mein Organismus den ziemlich hochprozentigen Wein, ohne dass mir eine Erleichterung zuteil wurde. Die überaus heftigen Kopfschmerzen hielten noch tagelang an.
Seitdem bevorzuge ich Apfelsaft oder eine eiskalte Coca-Cola.
In den 50er Jahren waren Studentinnen der Naturwissenschaften noch eine kleine Minderheit. Das gefiel mir gar nicht. Und so geriet ich, in einer ziemlich finsteren Gegend in Berlin-Mitte auf einen “Ball der einsamen Herzen“. Schnell stellte ich fest, dass die dort vertretenen reiferen Damen keine Alternative für mich waren. Da kam mir ein Kostümfest gerade recht, das die Akademie der bildenden Künste (in unmittelbarer Nähe der Uni gelegen) veranstaltete. Aber „als was“ sollte ich da erscheinen? Meine Tante Grete, bei der ich wohnte, empfahl mir, als Mamas Liebling aufzutreten, mit einem Schnuller um den Hals. Da würden die Mädchen nur so auf mich fliegen.
Ich erntete belustigte Blicke, doch das war’s auch schon. Ich bestellte mir eine Flasche spanischen Südwein, mit der ich eine ganze Weile allein war. Meine gedrückte Stimmung verschwand erst, als ich unsern Liliput, eine bildhübsche, aber mehrere Nummern zu klein geratene Kommilitonin aus meinem Semester entdeckte. Sie hatte sich als Seppel verkleidet. Die Kapelle intonierte einen schmissigen Foxtrott, und wir begaben uns auf die Tanzfläche.
Schnuller und Lederhose, welch ein Gespann! Und dann tippte mir ein Liliputaner auf die Schulter und spannte mir meine Lederhose aus. Ich habe sie den ganzen Abend nicht wieder gesehen.
Nach etlichen vergeblichen Bemühungen um die Gunst der Damen ergab ich mich wieder meinem spanischen Wein. Immerhin entschädigte mich das reichhaltige Repertoire des Tanzorchesters – ein Ensemble aus wirklichen Könnern. Trotzdem war ich traurig, und je trauriger ich wurde, desto leerer wurde die Flasche. Der Schnuller war inzwischen abhanden gekommen.
Auf einmal Murren im Saal. Die Kapelle begann einzupacken. Anhaltende Proteste bewirkten noch eine Zugabe, aber mehr war nicht drin. Ich sah meine Chance gekommen und setzte mich an den Flügel. Ich musste wohl die Tasten noch ganz gut getroffen haben, denn die Tanzfläche füllte sich wieder, und ich konnte sogar ein paar spezielle Wünsche erfüllen. Aber nicht lange. Der Wein zeigte unerbittlich seine Wirkung. Die Stimmung schlug um, noch ein paar mitleidige Blicke, Ende der Veranstaltung. Nur ein paar Unentwegte drückten sich noch in den Gängen und Nischen herum.
Ich wankte an meinen Tisch, leerte die Flasche bis zur Neige und begab mich auf den Heimweg. Weit kam ich nicht. Ich stolperte und rutschte vom Bürgersteig. Wie lange ich ohne Bewusstsein war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls erwachte ich mit scheußlichen Kopfschmerzen und fror erbärmlich.
Ein freundlicher Kommilitone fand mich, bestellte ein Taxi und begleitete mich nach Hause. Die Befürchtungen des Taxifahrers, ich könnte seinen Wagen verunreinigen, blieben gegenstandslos. Stattdessen verarbeitete mein Organismus den ziemlich hochprozentigen Wein, ohne dass mir eine Erleichterung zuteil wurde. Die überaus heftigen Kopfschmerzen hielten noch tagelang an.
Seitdem bevorzuge ich Apfelsaft oder eine eiskalte Coca-Cola.