Wie ich meinen ersten Zahn verlor

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I Schwarz

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Wie ich meinen ersten Zahn verlor

Er hatte ja schon eine Weile gewackelt, mein oberer Schneidezahn, aber ausfallen wollte er irgendwie trotzdem nicht. Und ehrlich gesagt wollte ich auch gar nicht, dass er ausfällt. In den letzten Wochen, da er angefangen hatte zu wackeln, war er mir auf seltsame Weise ans Herz gewachsen. Er war zu meinem liebsten Spielzeug geworden. Nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, schmiegte ich mich nicht wie andere Kinder an mein liebstes Kuscheltier, nein, ich spielte mit meinem Zahn. Ich liebte es mit meiner Zunge sacht dagegen zu drücken, und freute mich auf dieses seltsame Gefühl, wenn der Zahn an nur noch wenigen Fäden wild im Mund herumwirbelt. Natürlich übertrieb ich es häufig, und es geschah auch manchmal, dass ich vor Schmerzen aufschrie, doch obgleich ich in solchen Momenten meist krampfhaft versuchte den Zahn aus meinem Mund zu reißen, hatte ich ihn eigentlich schon lieb, meinen ersten Wackelzahn, und um keinen Preis, nicht einmal den, den die Zahnfee bereit war zu zahlen, würde ich ihn hergeben – soviel war für mich schon von Anfang an klar gewesen.
Doch natürlich lässt sich das Unvermeidbare nicht verhindern, und so ist es denn in der Natur des Menschen, dass ihm, oder auch ihr, die ersten Zähne schließlich ausfallen. Dabei war es ein so schöner Tag gewesen. Die Apfelbäume im Garten hatten geblüht, und es war weder zu kalt noch zu warm. Kurz gesagt, es war ein wunderschöner Frühlingstag gewesen, einer jener Tage, an denen man glaubt, dass einem rein gar nichts die gute Stimmung vermiesen kann. Doch an diesem Tag sollte ich herausfinden, dass dieser Glaube zwar weit verbreitet ist, deshalb aber nicht unbedingt wahr sein muss.
Es war in der großen Pause, und wie immer fand man mich nicht mit den anderen Vorschülern im Sandkasten beim Klettergerüst, wo man immer so schöne Burgen bauen konnte, und auch nicht bei unserem kleinen Fußballfeld, wo wir immer traurig am Rand saßen, weil die Älteren uns nicht mitspielen lassen wollten. Und selbst wenn wir mal als erste dort waren, kamen irgendwann die Großen, ich dachte immer es müssten die Sechstklässler sein, es waren aber wirklich die Zweitklässler, und sagten uns in ihrer coolen, erwachsenen Sprache, dass wir uns verpissen sollten, weil sie ein „wichtiges“ Spiel auszutragen hätten. Nein, man fand mich auch nicht bei den großen Steinen, wo wir immer Fangen-ohne-den-Boden-zu-berühren spielten, man fand mich mit den Großen, den Viertklässlern Fangen-mit-den-Boden-berühren spielen. Die wollten zwar mit mir eigentlich nichts zu tun haben, und ignorierten mich zumeist, wenn ich „du bist dran“ kreischend an ihnen vorbei rannte, doch dadurch ließ ich mir den Spaß am munteren Spiel natürlich nicht verderben.
Doch an diesem Tag schien einer von ihnen schlecht gelaunt, und als ich zu ihm ging, um ihm den Schlag zu versetzen, der ihm signalisieren sollte, dass er nun seinerseits versuchen sollte mich zu schlagen, stellte er mir ein Bein, und half zudem mit beiden Armen nach, einen Sturz zu verursachen, dem mein geliebter Wackelzahn zum Opfer fiel. Ich hob ihn wie eine heilige Reliquie in einer golden angemalten, gepolsterten Streichholzschachtel auf, und müsste ihn eigentlich auch heute noch haben. Natürlich nahm ich dem Jungen seine Tat nicht übel, zumal ich damals nicht auf die Idee kam, es könnte sich um eine Warnung gehandelt haben, dass er nicht mit mir Fangen spielen wollte. Und wie hätte ich es ihm auch übel nehmen können? Schließlich hatte ich statt nur einem jetzt zwei neue Wackelzähne.
 
Ich stimme flammarion zu, dieser Text ist besser als der Irissee-Text. Trotzdem habe ich nur 5 Punkte vergeben, weil mit dem Text was nicht stimmt: Dein Protagonist, der offensichtlich ein Kind ist, spricht mit einer Sprache, die zu gewählt ist. Kinder haben normalerweise kein Vokabular, wie Du es im Text verwendest.

"Unvermeidbare"
oder
"sacht"
oder
"heilige Reliquie"
oder
"Kurz gesagt, es war ein wunderschöner Frühlingstag gewesen, einer jener Tage, an denen man glaubt, dass einem rein gar nichts die gute Stimmung vermiesen kann"
oder
"war er mir auf seltsame Weise ans Herz gewachsen"

sind alles keine Sätze oder Worte, die ein normales Kind verwenden würde. Der Text, wie Du ihn aufbaust, erfordert, dass Du in der Sprache Deines Protagonisten sprichst und schreibst. Die Sprache die Du verwendest sieht mehr nach einem 30-jährigen Protagonisten aus - die verlieren allerdings keine Milchzähne mehr.

Ich würde Dir empfehlen, das Buch Der kleine Nick zu lesen, damit Du lernst, wie ein Autor sich in die Sprache eines Kindes reinarbeitet und den Text lustig macht.

Ich kämpfe auch damit, und habe z.B. mit dem Text Castro Street ähnliches probiert. Es ist schwer und gewöhnungsbedürftg. Du musst beim Schreiben wie ein Schauspieler "im Charakter" drin sein.

Marius
 

I Schwarz

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vielen Dank erst mal für eure Meinungen,

mein Irissee-text ist auch einer der ersten Texte gewesen, die ich je geschrieben habe, und dieser Text ist noch einmal drei Monate später, wär also auch schlimm, wenn er schlechter wär.
Dass mein Protagonist nicht wie ein fünfjähriges Kind spricht liegt daran, dass dies als Lesebühnentext gemeint ist, den man also nicht still lesen soll, sondern den jemand vorliest. Und bei solchen Texten, passt sich- soweit ich das bisher beurteilen kann, ich kenn mich auch noch nicht so gut aus- der Text an das Alter der vorlesenden Person an, sodass der Text im allgemeinen recht glaubwürdig erscheinen soll. Und da ich nun mal nicht fünf, sondern fast 14 bin, ist der Text auch mehr ein Rückblick auf ein vor langer Zeit geschehenes Ereignis gemeint.
Aber vielen Dank für den Tipp, ich probier das dann auch mal aus, mal schauen wie das wird.

ps
deinen Text find ich super, allerdings frag ich mich wie alt der Junge ist. Ich finde am Ánfang klingt es wie sechs oder sieben, am ende eher wie 12 oder 13. Der Text ist aber wirklich klasse, ganz großes Kompliment, und ich versuch dann auch mal Ähnliches.

pps
bitte verzeiht meine schlechte Rechtschreibung, ich bin Legasthenikerin (keine Ahnung wie man das schreibt), zwar nicht besonders stark, aber man merkt es halt schon.
 

tastifix

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Kommentar

Ich gebe Marius unbedingt Recht. Die Sprechweise ist für ein Kind viel zu erwachsen.

Ich habe einige Tipps für Dich:

a. Mach` aus den langen Bandwurmsätzen mehrere kurze, denn das liest sich besser.
b. Kontrolliere den Text nochmals auf Kommata.

1. ... und zu meinem liebsten Spielzeug geworden.
2. ... Kuscheltier, sondern ich spielte mit meinem Zahn.
3. ... dagegen zu drücken und freute mich...
4. Weil ich es natürlich damit häufig übertrieb, schrie ich dann öfters vor Schmerzen auf. Obgleich ich in solchen Momenten krampfhaft versuchte, den Zahn aus meinem Mund zu reißen, hatte ich meinen Wackelzahn dafür eigentlich schon zu lieb gewonnen.
5. Deshalb gab ich ihn auch um keinen Preis her, nicht einmal für den, den die Zahnfee gezahlt hätte.
6. Dabei war es ein wunderschöner Frühlingstag gewesen, weder zu warm noch zu kalt. Sogar die Apfelbäume hatten schon geblüht.
7. Es war einer jener Tage gewesen, ...
8. ... Glaube zwar weit verbreitet ist, sich deshalb aber noch lange nicht unbedingt bewahrheiten muss.
9. ... Pause. Wie immer...
10.Selbst dann noch, wenn wir mal als Erste dort waren, kamen irgendwann die Großen, von denen ich dachte, es wären die Sechstklässler. Wirklich waren es aber die Zweitklässler.
11. Die sagten uns...
12. ... nichts zu tun haben und ignorierten mich zumeist, ...
13. Als ich zu ihm ging, ...
14. ... versuchen sollte, mich zu schlagen, stellte er mir ein Bein und half zudem...

Das Thema gefällt mir gut. Ich glaube, nach der Überarbeitung wird das eine richtig nette Geschichte. Du könntest sie auch noch lebhafter werden lassen, indem Du Dialoge einbaust.

Ich bin ja mal gespannt!

Lieben Gruß
tastifix
 



 
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