Wie man Bazillen vertreibt

knychen

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Wie man Bazillen vertreibt

Letztens hatte ich eine heftige Bronchitis. Meine Lungenflügel rasselten wie die rostige Kette eines Hofhundes und das dazugehöriges Bellen ließ auf ein sehr altes Tier schließen. Natürlich hätte ich zum Arzt gehen können, selbst ein Tierarzt hätte mich ins Bett verbannt, aber ich wollte nicht zu hause bleiben. Denn erstens würde mein Chef dann sofort einen anderen Kollegen aus dem Urlaub holen, der Lkw muß schließlich rollen und außerdem wollte ich den Viren und Bazillen ihre gewohnte Dosis Antibiotika versagen.
Mit gesunder Lebensweise wollte ich ihnen dieses Mal an ihre kleinen gefräßigen Leiber.
Keine Zigaretten, kein Alkohol, kein Kaffee- dafür Obst, Vollkornbrot und eine Kampfmischung aus zwei Beuteln Pfefferminztee, zwei Beuteln Kamillentee und einem kleinen Tütchen Salbei je Thermoskanne, das Ganze gespritzt mit dem Vitamin-C-reichen Saft der Limone und anschließend umrahmt von einigen Löffeln Raffinade-Zuckers.
Und von diesem Getränk möglichst viel, denn ich wollte schwitzen; schwitzen bis all die kleinen nutzlosen Bastarde durch den Druck meines Schweißes gnadenlos aus den Poren gepresst sind. Haut ab, wer braucht euch noch?
Wer aber schwitzen will, muß sich bewegen.
Und so fand ich mich auf einem Parkplatz bei Mainz in korrekterweise ausgebeulten grauen Jogginghosen, Kapuzen-Shirt, derben Schnürschuhen und einem riesenlangen, dreimal um den geplagten Hals gewickelten karierten Schal pünktlich um sieben Uhr abends zur Hardcore-Gymnastik an der Stoßstange meines Lkw ein.
Einenmeterfünfzig Abstand, nach vorn fallen lassen- man will ja nicht zurückfallen im Kampf um den Arbeitsplatz angesicht der neuesten Zahlen aus Nürnberg (vier Millionen Arbeitslose, ob es bald wieder Krieg gibt?)- die Hände links und rechts über dem Nummernschild auf dem der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer geschuldeten Stoßfänger platziert und dann Liegestütze, bis der ganze verseuchte Körper zittert.
Wie ich noch ganz enthusiastisch so bei zwanzig herumdümpele, hält neben mir ein schwarzblauer 7-er BMW. Lautlos und gleichmäßig öffnet sich die Scheibe auf der Beifahrerseite. Eine aufgetakelte kunstblonde Vierzigerin mit einem toten Tier um den wahrscheinlich sonnenstudiogebräunten Hals schaut mich über den oberen Rand ihrer eigentlich randlosen Brille-geht das überhaupt?-an und von der Fahrerseite beugt sich halb der dazupassende Fünfundvierzig-aber-jünger-aussehen-wollende-Typ über ihre echtpelzverhüllte Schulter.
„Na, solle mir schibbe helfe?“fragt er. HaHa.
„Nee, ick will schwitzen.“
„Ajo, warum denn das?“fragt sie. Er tippt seine Partnerin an: Pass uff, Mausi, gleissch bin isch ganz witzisch.
„Tja, Herrschaften, ihr scheint ja mehr uff Gleit-Creme und Wet-Gel zu stehen. Ick bin aber janz jerne `n büßchen naturfeucht beim Sex.In zehn Minuten ha`ick nämlich `n Date in meener Koje.“ Dabei mache ich die typische Onanierhandbewegung.
Wortlos fuhren sie weiter und ich gab ihnen die ebenfalls typische Geste vom Baseball mit auf den Weg.
STRIKE

, Haut ab, wer braucht euch noch?’
Und die Gedanken nach innen gerichtet:

EUCH KRIEG ICH AUCH NOCH

21-22-23…
 

jorunn

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Morche, Kynchen,

hast Du also deinen Lappen wieder? Das erfreut mich aber zutiefst(grins), und ich denke, durch die abendliche Gymnastik hast Du die Bazillen wahrscheinlich dermassen verschreckt, dass sie sich ein gemütlicheres Heim gesucht haben. Übrigens: dafür, dass Du ein Berliner bist, hoste de rhoihessische Dialekd gans gud hiekriet. Übrigens, wenn ich auch nicht zu jeder Gescihchte etwas geschrieben habe, bis jetzt hab ich deine Werke alle gelesen, und mir gefällt deine Schreibe aus dem leben eines Fernfahrers - wenn, und das möchte ich auch kritisch anmerken, dem einen oder anderen Werk (auch diesem) vielleicht ein Tag Reife im Computer gut getan hätte. Übrigens (um auch eine andere Geschichte Bezug zu nehmen), ich vermute, im LKW machst Du Dir jetzt über andere Dinge Gedanken als verstorbene Freunde?
Immer mindestens 1 cm Abstand von der Stoßstange des Vorrausfahrenden wünscht
Jorunn
 

knychen

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morche jorunn,
danke für die blumen.
sicherlich sind einige sachen mit der heißen nadel gestrickt, aber es sind ganz profane zeitgründe, die mich so hetzen lassen. im normalfall bin ich nur am wochenende zu hause, momentan aber krank geschrieben. das muß ich nutzen. wenn ich hier eine geschichte reinstelle, heißt das ja nicht, das ich nicht mehr daran arbeite. ich seh's wie eine zweite anprobe in der maßschneiderei: da noch einen abnäher vertiefen, hier etwas mehr formbügeln.
dafür braucht es einen sauberen und großen spiegel, möglichst mehrere, damit man sich auch von hinten sieht.
du bist nun ein solcher spiegel geworden.
der output wird nachlassen, wirst schon sehen.
tschüß sagt knychen
 

jorunn

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hallo, knychen,

da hab ichs ein wenig besser, diese Antwort z.B ist gesponsert by Chefe (er weiß aber nix davon, was manchmal dazu führt, dass ich ziemlich grob aus dem Programm rausgehe und mit einem halben Herzanfall zur Tür schaue ... und dann ists doch nur meine Kollegin, die mal wieder rauchen war...) - also haben Deine gymnastischen Übungen die Bazillen doch nicht vertrieben?
Schön, dass Du das Schreiben in der LL auch so siehst. Zu deinem Text: was Du echt drauf hast, ist das Beschreiben der Figuren. Ich habe richtig den verschnupften Fahrer vor mir gesehen, wie er hinter seinen LKW schlappt, mit roter Pulvertüte und Schal - und dann der Witzbold (hatte er eventuell ein blauweißes Symbol auf der Motorhaube oder ein erhabenes mit Stern?), wie er sich über seine Beifahrerin (so einer fährt immer selbst!) beugt und seine Bemerkungen von sich gibt. Witzischkeit kennt kein Erbarmen! Wo's noch ein wenig hapert ist die Ausführung, aber das weißt Du sicherlich selbst. Eben hör ich Schritte auf dem gang...
in Eiel,
Jorunn
 

jorunn

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Noch schnell die Gedanken

von gestern abschließen, bevor es hier wieder rundgeht. So schön gezeichnete Figuren - und dann dieser Dialog! Ich kann mir nicht vorstellen, dass die verschwitzte, keuchende Schnupfennase eine solche lange Antwort geben kann (Luftmangel!) und außerdem schätze ich Witzisch als einen ein, der die elektr. Fensterheber betätigt + wegfährt, sobald er bemerkt, dass ihm einer rhetorisch gewachsen ist. Und die Schlußpointe hab ich auch vermisst...
Das ist das, was mir aufgefallen ist.
Bin gespannt auf Deine nächste Gechichte!
Jorunn
 



 
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