Wie peinlich

dasZottel

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Ich trete ein und denke mir: Wie peinlich! Der erste im Klassenraum zu sein findet jeder „uncool“. Obwohl es eigentlich nicht meiner Gewöhnung entspricht solchen Klischees Vorlauf zu verschaffen, traf mich in diesem Moment doch der Gedanke.
Vorsichtig, als befürchtete ich gesehen zu werden, huschte ich durch den noch dunklen Raum bis zu meinem Platz in der zweiten reihe, ganz außen am Fenster. Die Jacke hängte ich, wie jeder, über den Stuhl und die Mappe fand ihren Platz, wie immer, unterm Tisch nahe der Heizung. Einen kurzen Augenblick überlegte ich, das Licht einzuschalten, entschied mich dann doch dagegen und blieb wortlos im Dunkeln sitzen.
Allein sein, nachdenken, vielleicht auch nicht, schweigen dürfen: Das wollte ich jetzt! Hoffentlich besitzt mein Glück die Güte mir noch einige Minuten der Ruhe zu lassen, wünschte ich innerlich.
Ich saß ganz ruhig da, die Hände in den Schoß gefaltet, mit einer Mimik voll von Fragen und Überlegungen. Die Fenster atmeten wohltuende Kälte um mein erhitztes Gemüt. Die Stille betäubte fast das Stechen in meinem Kopf, das pflegte sich einzustellen, wenn kein Ausweg sich bot, auch nicht teilweise in Sicht ist. Ruhig denkt sich’s besser.
Überschläge und Abzüge rotierten und ließen mir keinen grünen Zweig, kein rettendes Ufer. Warum musste jeder Schritt, jeder Handschlag, ja jeder Atemzug vorher kalkuliert und unter Beachtung finanzieller Aspekte berechnet werden in unserer Welt. Man wünscht sich oft eine andere.
Mittlerweile war es so still, dass meine Atemzüge, die Luft wie auf Schienen fahrend zerschnitten und hinter sich wieder zusammenfügten.
Unbarmherzig wurde das grelle Licht angeschalten. Es blendete mich kurz. Ich erwartete eine Flut von satirischen Anmerkungen und kleinen Kicheranfällen hinter vorgehaltenen Händen. (Man war eben einfach nicht zuerst im Unterrichtsraum.)
Stattdessen sah ich eine kleine rundliche vollkommen verwirrte Frau in der Türöffnung stehen. Meine Mathelehrerin fragte nur, weshalb ich hier im Dustern sitze, und ohne auf meine Antwort zu warten meinte sie, wir würden jetzt ein Stockwerk höher unterrichtet.
Die Stunde hatte schon seit 10 Minuten begonnen, also griff ich mir schnell Jacke und Rucksack und folgte ihr rasch.
Im richtigen Raum angekommen, sah ich mich einer Welle von grinsenden Gesichtern gegenüber. Der einzige freie Tisch war in der ersten Reihe, zum Glück. Immer wieder flogen Wortfetzen zu mir herüber: „Typisch!“, „Wie immer!“, „Peinlich!“.
 



 
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