Wie verliebt man sich in einen Hund ?

WIE VERLIEBT MAN SICH IN EINEN HUND?
Sind Sie auch einer dieser furchtsamen Zeitgenossen, die in jedem Hund, besonders in den stattlichen Exemplaren, eine große Gefahr für Leib und Leben sehen?
Die, wenn so ein gräßliches Tier mit seiner Schnauze schnüffelnd an ihnen auf und ab streift, darin die erste Stufe eines fürchterlichen Bisses ahnen?
Und wenn ein solches Ungeheuer dann auch noch an ihnen hochspringt und mit seiner großen, feuchten Zunge über ihre Wange leckt, dann ist das nicht etwa als Zuneigung zu deuten, nein dieser Hund prüft sein Opfer hinsichtlich seiner Genießbarkeit!
Das nicht zu übersehende Schwanzwedeln wird ganz richtig als freudige Erregung erkannt. Vorfreude auf den nun folgenden wohlschmeckenden Biß!
Verständlich, daß ein solcher \"Hundekenner\", wann immer es irgend möglich ist, einen großen respektvollen Bogen um jeden Hund macht. Läßt sich eine Begegnung, etwa auf dem Gehsteig, absolut nicht vermeiden, so muß eine Tasche oder ähnliches als Schutzschild zwischen dem gefährdeten Körper und dem offensichtlich bissigem Hund, getragen werden. Unverantwortlich handeln Hundebesitzer, die, in Verkennung der Lage, ihren Vier beiner an den Eingangstüren von Geschäften ablegen und in aller Seelenruhe ihre Einkäufe tätigen. Welche Umwege zu weiterentfernten Geschäften muß man da in Kauf nehmen! Können Sie sich in die Lage dieser bedauernswerten Zeitgenossen versetzen, wenn Folgendes eintritt: Mit prallgefülltem Korb verläßt man die Einkaufsstätte. Nein, man will sie verlassen! Aber der Schrecken aller Schrecken ist eingetreten. Ein großer Hund wurde ganz dicht an der Ausgangstüre ange leint und hofft nun darauf, daß sein Herr ihn bald von der Warterei erlöst. In der Zwischenzeit hat er (der Hund!) die gute Gelegenheit zu überprüfen ob die Beiß werkzeuge noch zu gebrauchen sind! Was tun in einem solchen Fall? Verzweifeltes Umherblicken, ob von den an der Kasse stehenden jemand so aussieht als sei er imstande Besitzer dieser Bestie zu sein?
Eine andere Möglichkeit wäre ein noch maliger gründlich und langsam durchge führter Einkauf, falls das Portemonnaie es erlaubt. Glücklich, wer anonym in der Stadt wohnt, das Befremden der Kassiererin wäre nun doch etwas peinlich. Wie reagiert ein solcher \"Hundefreund\", in unserem Falle eine \"Hundefreundin\", wenn\" Mann und Kinder sich zusammentun, um immer neue und drängendere Vorstöße zu wagen: Wir wollen einen Hund?
Nun, aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, lange können Sie mit ihrem absolutem Nein nicht standhalten!
Man ringt mit sich und seinen Gefühlen und gibt gequält das Einver ständnis für einen kleinen Hund. Einen Cockerspaniel vielleicht. Die sehen so goldig und harmlos aus. Obwohl das höchst wahrscheinlich ein Irrtum sein wird! Ein kleiner Hund! Diesem Zugeständnis erfolgt ein empörter und weinerlicher Aufschrei von Ehemann und Kindern.
Wenn, dann soll es ein richtiger Hund sein! Schwärmerisch berichtet der Ernährer der Familie von seinen Kinderjahren, die ein wundervoller Neufundländer begleitet hat. So einen will er! Das war immer sein Traum, und nun da die räumlichen Verhältnisse es endlich zu lassen, was stünde seiner Erfüllung im Wege? Ja, Sie natürlich! Aber alle Einwände : Die Kinder! Was tun im Urlaub? \"Die Teppiche und Möbel? Wer geht \"Gassi\", werden beschwörend hinweggefegt Neufund länder sind wahre Kinderfreunde, lieben Kinder über alles, im Urlaub kann man das gute Tier doch mitnehmen, (wir mieten ohnehin immer ein Ferienhaus), Gassi geht natürlich immer freudig der Mann (du willst doch ständig daß ich mir Bewegung verschaffe, da hätte ich einen guten Anlass). Über die Teppiche und Möbel wird nicht mehr diskutiert, mit einem Blick auf die von den Jahren und Kindern arg mitgenommenen Sachen erübrigt sich das auch. Selbst Sie können sich nicht vorstellen, daß ein Neufundländer mehr Möbel ruiniert als ihre Kinder. Nachdem zwei Sofaecken deutlich angeknabbert sind und unentfernbare gelbe Flecken auf dem Teppichboden von den Erziehungsschwierigkeiten eines Junghundes sprechen, finden Sie ihren leiblichen Nach wuchs gar nicht mehr so schlimm. Zumindest in dieser Hinsicht. Ja, was gibt es nun noch? Ihre Angst vor Hunden? Unsinn, Sie bekommen ja einen ganz kleinen, süßen, jungen Hund mit Milchzähnchen. Sie werden ihm die Mutter ersetzen müssen. Welche Mutter fürchtet sich vor dem eigenen Kind? Sie haben ihre Kinder schon öfter gefürchtet! Aber Sie kapitulieren, es war ja auch nicht anders zu erwarten und Sie beginnen mit der Vorbereitung dieses großen Unternehmens. Das tun Sie, im Gegensatz zu vielen anderen Dingen, sehr gründlich. Die örtliche Bücherei weist nach ihrem Besuch erhebliche Lücken in den Regalen mit Hinweisschildchen \"Tierhaltung und Tierzucht\" auf. Kahlschlag wäre wohl noch treffender. Auf Wochen hinaus belegen Sie alle einschlägige Litertur zum Thema \"Hund\". Sie werden zum Experten, theoretisch. Sie rufen den besten Neufundländer Züchter an, den es ihrer Meinung nach gibt. Er zerstreut ihre letzten Bedenken. Große Hunde, besonders Neufundländer sind das Beste was es gibt. Ein Quell der Freude, eine Bereicherung der ganzen Familie. Sie haben das Gefühl noch einmal ein Kind zu bekommen. Genauso wird es sein! Sie wissen nur noch nicht, daß Sie diesem \"Kind\" niemals entgegenschreien können \"Putz deine Füße ab\" und \"Räum endlich deinen ganzen Kram vom Teppich\".
Der große Tag ist gekommen. Ihr aus erwählter Züchter hat einen Wurf kleiner Neufundländer. Sie fahren voll Spannung hin, um sich für einen der kleinen Welpen zu entscheiden. Beim Züchter angekommen, führt dieser Sie freundlich zu einem Zwinger, in dem sich acht schwarze kleine Fellbündel ineinanderknäulen. Wirklich süß. Wenn da nur nicht diese große Neufundländer Mutter wäre! Sicher wird sie ihren Nachwuchs zähnefletschend ver teidigen! Der Züchter wird sie doch wohl anleinen? Nein, er denkt gar nicht daran und so betreten Sie den Zwinger. Mann und Kinder aufgeregt freudig, Sie aufgeregt ängstlich zitternd. Sie haben keine Zeit die Welpen zu betrachten. Sie müssen die große Hündin im Auge behalten. Einer muß ja um Leib und Leben der Familie besorgt sein. Aber siehe da, nichts geschieht. Mann und Kinder kraulen begeistert ein Fellbündel nach dem andern, die Mutter aber kommt zu ihnen und lehnt ihren großen, schwarzen Kopf an ihre Seite. Was stand noch in dem zuletzt gelesenen Buch? Zitternd halten Sie dem Tier ihre Hand hin. Was geschieht? Ihre Hand, die Sie zum Wohl der Familie zu opfern bereit waren, wird mit einer warmen feuchten Zunge geleckt. Und plötzlich haben Sie gar nicht mehr das Gefühl, das dieses ein Auftakt zu einem Angriff bedeutet, sondern Sie spüren die freundliche Gesinnung die dahinter steckt! Ob diese Hündin ihnen etwa dank bar ist, wenn Sie ihr ein Kind wegnehmen?
Einige Wochen nach dem Kauf kommt ihnen der Gedanke gar nicht mehr so abwegig vor! Während alle anderen nun beraten, welches der schwarzen Knäuel nun unsere \"Nenny\" werden soll, freunden Sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Hund an! Vorsichtig, behutsam streicheln Sie die Hündin, die ergeben zu ihnen aufblickt. Mit leiser Stimme sprechen Sie zu ihr und dieses wunderschöne Tier leckt zärtlich ihre Hände. Und mit einem Male beginnen Sie zu spüren, daß es das gibt: Freundschaft mit einem Hund! Ein nie gekanntes Glücksgefühl erfüllt Sie. Ihrer Familie rufen Sie zu \"Denkt daran, wir nehmen nur eine Hündin!\"
Die Kinder präsentieren Ihnen nun bald ein schwarzes Etwas das ihre \"Nenny\" werden soll. Wie auf Wolken verlassen Sie den Zwinger, leisten eine Anzahlung und fahren mit dem Versprechen den Welpen in vier Wochen abzuholen, nach Hause. Die Zeit vergeht rasch mit eifriger Lektüre \"Der Hund als Hausgenosse\" und den nötigen Einkäufen. Das süße rote Halsband mit passender Leine gefällt allen. Beim Kauf des Futter und Trinknapfes geraten Sie fast in Streit mit Ihrem Mann. Er will einen abscheulich großen standfesten Blech napf, Sie möchten eine kleinere hellblaue Plastikschüssel. Also kaufen Sie beide, mit dem Ergebnis, daß ihre süße Nenny demnächst mit einem noch halbgefüllten hellblauen Näpfchen durchs Haus streicht. Wie es Ihr Mann natürlich prophezeit hat! Eine alte Decke wartet im Arbeitszimmer als Nachtlager auf den neuen Hausgenossen. In einigen Büchern stand zwar, daß Welpen am liebsten neben dem Bett ihres neuen Herrn schlafen würden, aber das geht ja wohl etwas zu weit! Sie würden kein Auge zu tun können, denn trotz aller aufgekommenen Liebe zum Hund, wer weiß wozu ein Tier fähig ist, wenn seine Besitzer so ganz und gar hilflos im Schlafe liegen? Es ist soweit! Freudig erregt fährt dir ganze Familie los, um Nenny abzuholen. Der Züchter bringt einen erstaunlich gewachs enen jungen Hund und legt ihn in Ihre Arme. Sie holen tief Luft, noch nie hatten Sie ein Tier im Arm! Aber im Auto spüren Sie das kleine Hundeherz aufgeregt pochen und da vergeht der letzte Rest von Angst. Zu Hause angekommenstellen Sie fest, es stimmt, wesensfeste Welpen verlieren schnell die Scheu in einer fremden Umgebung und erkunden neugierig das unbekannte Gebiet. Bald sehen Sie sich genötigt, dem unternehmungslustigen Mädchen die Bedeutung von \"Nein\" und \"Aus\" beizubringen. Durch Ihre Kinder haben Sie Übung alles hundert mal zu verbieten. Die erste Nacht verläuft ruhig, dennoch schlafen Sie sehr schlecht. Die Freude des Welpen, als er am nächsten Morgen aus dem Arbeitszimmer herausgelassen wird, ist rührend. Zuerst führen Sie Ihren neuen Hausgenossen in den Garten, denn wie kann man in jedem Buch nachlesen: \"der Welpe ist nach der Nachtruhe als erstes an den Platz zu führen, an dem er sich entleeren kann\". Aber Ihr Garten ist viel zu interessant, als die Zeit mit solchen Nichtigkeiten zu vergeuden. Kurz nachdem Sie wieder ins Haus gegangen sind, entleert sich Ihr Welpchen gründlich auf dem Teppich. Rasch sind Sie mit Sagrotan zur Stelle, denn der Geruch soll Welpen abhalten hier wieder ihr Geschäft zu verrichten. Ihre Nenny findet den Geruch von Desinfektionsmitteln höchst interessant. In den nächsten Wochen riecht es bei Ihnen stark nach Krankenhaus und Sie beginnen zu ahnen: Ihr Hund hat die Bücher über Hundeerziehung, besonders die Kapitel über Stubenreinheit, nicht gelesen. Gut, daß Sie sich erinnern, Ihr Ältester trug noch mit drei Jahren Windeln. Schade, daß es soetwas nicht für junge Hunde gibt! Die Zeit vergeht, aus Wochen werden Monate und Sie können sich die Zeit ohne Ihre Nenny nicht mehr vorstellen. Vieles ist anders gelaufen, als Sie es sich gedacht hatten. Auch Hunde sind Individualisten! Lange hat es gedauert bis Ihr Hund stubenrein war, länger als in allen Büchern angegeben. Aber Sie haben es geschafft! Raten Sie mal, wo Nenny jetzt schläft?
Nein, nein, nicht vor dem Bett, nicht direkt. Aber genau vor der Schlafzimmertür und es ist schön morgens von einer warmen feuchten Hundeschnauze zärtlich wachgestupst zu werden! Und wer geht jeden Tag \"Gassi\"?
Nein, nicht der Ehemann, der so dringend Bewegung braucht! Es ist die Hausfrau, die ohnehin den ganzen Tag auf den Beinen ist! Welche Freude der tägliche Waldspaziergang ganz allein mit der geliebten Nenny bedeutet, sagt man besser nicht zu oft. So ein bißchen schlechtes Gewissen tut jedem Ehemann von Zeit zu Zeit ganz gut! Dieser Vierbeiner hat sich stürmisch alle Herzen erobert, von Mann und Kindern, von Nachbarn und Freunden. Aber raten Sie mal, wer sich am heftigsten in dieses zärtliche Ungetüm verliebt hat?
P.S. Und natürlich wacht die treue Gefährtin inzwischen jede Nacht diekt neben dem Bett - wo sonst ?
 



 
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