Wildbeutergesänge

3,00 Stern(e) 4 Bewertungen

Tula

Mitglied
I. Erwachen

Wald leben … Kraft wohnen … Wild
Wild sterben … Kraft fließen … Jäger
Jäger sterben … Kraft fließen … Schatten
Schatten rufen … Traum finden … Väter

Väter rufen … Kraft böse … Wald
Wald schlafen … Kind sterben … Schlange
Schlange fauchen … Jäger werfen … Feuer
Feuer wärmen … Kraft fließen … wir


II. Ahnen

wenn Jäger folgt Wild, Väter mit Wind sprechen
wenn Löwe folgt Jäger, Väter mit Gras flüstern
wenn Jäger folgt Väter, Mond bewacht Schatten
wenn Nacht hinter Feuer

als Jäger ohne Väter, Wild mit Wind eilte,
als Wald schluckte Mond, Schatten folgten Jäger,
als Himmel brach und Erde ester Tag
als Nacht ohne Feuer


III. Ehre

Männer die des Stammes Jäger tanzt
lehret euren Händen die dem Speere
wenn sie opfern Wesen die der Erde
ehret ihren Schöpfer der euch nähre

Jäger die des Stammes Krieger tanzt
wehret bösen Zauber der des Feindes
wenn er Regen raubt und Vieh das eures
mehret ihre Schädel euch als Ehre


IV. Macht

Ihr Völker der Ebene, huldigt den Mächten
der ewigen Erde, den Himmel zu stützen,
für Regen als Segen, in Tagen und Nächten,
wenn Urasch und An ihre Kinder beschützen.

Ihr Völker der Ebene, bringt das Getreide
in unseren Tempel, den Göttern als Gabe.
An Zorn oder Gunst sich das Schicksal entscheide
im Kreis, der uns eint, von Geburt bis zum Grabe.
 

Tula

Mitglied
Die Idee zu diesem 'Experiment' kam mir bei einer interessanten Lektüre zum Thema der Entwicklung von Sprache, Kognition und religiösem Denken in der Steinzeit (der Wildbeutergesellschaft, auch: Jäger und Sammler), die zum Erscheinen erster sozial-differenzierter Hochkulturen vor etwa 10.000 Jahren führte. Die Quelle findet man leicht im Internet:

Lars Hennings: Den Himmel stützen! Vom Erleuchten des Geistes im Jung-Paläolithikum, Annäherung an eine Soziologie der Steinzeit

Ich wollte versuchen, einige wesentliche Züge dieser Entwicklung festzuhalten und dabei trotz der 'niederen Stufen' kognitiven Denkens 'etwas lyrisches' entstehen lassen. Im Detail:

I. Erwachen
Primitive Sprache. Erstes Verständnis der Natur als eine alles durchdringende Kraft. Der Mensch versteht alle Dinge so wie er sie wahrnimmt, auch der Traum wird als 'real' gesehen.
Der 'schlafende Wald' wird im Buch im konkreten Fall eines zeitgenössischen Naturvolkes zitiert. Schläft der Wald, kommt Tod über Mensch und Tier. Die 'Schuld' der Schlange und ihr irrationales Opfer entspricht ebenfalls solch einem primitiven Denken.

II. Ahnen
Primitiver Animismus und Ahnenkult (auch als Form erster Institutionalisierung, die Scheu vor allem Neuen).
Bereits entwickelte Sprache. Der Mensch 'erzählt'. - Erste Mythen über einen Ursprung. Der Mond als statisches Element in der Natur, der daher wie andere Gestirne als übermächtig angesehen wird.
Der Löwe ist kein afrikanscher, sondern der Höhlenlöwe, den es auch in Europa gab.

III. Ehre
Grammatikalisch noch komplizierte Ursprache. Kult, noch immer mit irrationalen Vorstellungen (der Feind raubt den Regen).
Erste soziale Strukturen und Rollen (Jäger vs. Krieger), die Ehre tritt als wichtiges Element sozialer Bindung und Bedeutung in den Vordergrund. Der Mensch wird allmählich sesshaft, Raub von Vieh zwischen benachbarten Stämmen und kriegerische Fehden.
Erscheinen eines göttlichen Wesens (z.B. Muttergott der Erde), welches über den animistischen Geistern steht.

IV. Macht
Religiöse Macht – erste Tempel und ihre Priester in der frühen Hochkultur. Das Buch zitiert als erstes bekanntes Beispiel Göbekli Tepe in der heutigen Türkei; wahrscheinlich liegt dieser Ort schon rein geografisch im Zentrum einer ersten Weizenanbaukultur in der Region.
Man vermutet zentrale Gottheiten für Himmel und Erde. Da wir ihre Namen nicht kennen, habe ich Urasch und An angeführt, obwohl sie erst tausende Jahre später im sumerischen Schöpfungsmythos erscheinen. Es könnte sich in Göbekli Tepe ja dennoch um ihre Vorläufer gehandelt haben.
 

Tula

Mitglied
I. Erwachen

Wald leben … Kraft wohnen … Wild
Wild sterben … Kraft fließen … Jäger
Jäger sterben … Kraft fließen … Schatten
Schatten rufen … Traum finden … Väter

Väter rufen … Kraft böse … Wald
Wald schlafen … Kind sterben … Schlange
Schlange fauchen … Jäger werfen … Feuer
Feuer wärmen … Kraft fließen … wir


II. Ahnen

wenn Jäger folgt Wild, Väter mit Wind sprechen
wenn Löwe folgt Jäger, Väter mit Gras flüstern
wenn Jäger folgt Väter, Mond bewacht Schatten
wenn Nacht hinter Feuer

als Jäger ohne Väter, Wild mit Wind eilte,
als Wald schluckte Mond, Schatten folgten Jäger,
als Himmel brach und Erde ester Tag
als Nacht ohne Feuer


III. Ehre

Männer die des Stammes Jäger tanzt
lehret euren Händen die dem Speere
wenn sie opfern Wesen die der Erde
ehret ihren Schöpfer der euch nähre

Jäger die des Stammes Krieger tanzt
wehret bösem Zauber der des Feindes
wenn er Regen raubt und Vieh das eures
mehret ihre Schädel euch als Ehre


IV. Macht

Ihr Völker der Ebene, huldigt den Mächten
der ewigen Erde, den Himmel zu stützen,
für Regen als Segen, in Tagen und Nächten,
wenn Urasch und An ihre Kinder beschützen.

Ihr Völker der Ebene, bringt das Getreide
in unseren Tempel, den Göttern als Gabe.
An Zorn oder Gunst sich das Schicksal entscheide
im Kreis, der uns eint, von Geburt bis zum Grabe.
 

Tula

Mitglied
I. Erwachen

Wald leben … Kraft wohnen … Wild
Wild sterben … Kraft fließen … Jäger
Jäger sterben … Kraft fließen … Schatten
Schatten rufen … Traum finden … Väter

Väter rufen … Kraft böse … Wald
Wald schlafen … Kind sterben … Schlange
Schlange fauchen … Jäger werfen … Feuer
Feuer wärmen … Kraft fließen … wir


II. Ahnen

wenn Jäger folgt Wild, Väter mit Wind sprechen
wenn Löwe folgt Jäger, Väter mit Gras flüstern
wenn Jäger folgt Väter, Mond bewacht Schatten
wenn Nacht hinter Feuer

als Jäger ohne Väter, Wild mit Wind eilte,
als Wald schluckte Mond, Schatten folgten Jäger,
als Himmel brach und Erde ester Tag
als Nacht ohne Feuer


III. Ehre

Männer die des Stammes Jäger tanzt
lehret eure Hände die dem Speere
wenn sie opfern Wesen die der Erde
ehret ihren Schöpfer der euch nähre

Jäger die des Stammes Krieger tanzt
wehret bösem Zauber der des Feindes
wenn er Regen raubt und Vieh das eures
mehret ihre Schädel euch als Ehre


IV. Macht

Ihr Völker der Ebene, huldigt den Mächten
der ewigen Erde, den Himmel zu stützen,
für Regen als Segen, in Tagen und Nächten,
wenn Urasch und An ihre Kinder beschützen.

Ihr Völker der Ebene, bringt das Getreide
in unseren Tempel, den Göttern als Gabe.
An Zorn oder Gunst sich das Schicksal entscheide
im Kreis, der uns eint, von Geburt bis zum Grabe.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Tula
Die Idee finde ich grandios.
Das Problem ist dann die Umsetzung.
Wie stellt man mit einer komplexen Sprache
diee primitiven Vorformen der Sprache da, ohne
dass es albern wirkt? Das ist dir nur zum Teil gelungen.

Andererseit, die Idee macht das wieder wett!

L.G
Patrick
 

Tula

Mitglied
die ersten Lieder

Hallo Patrick

freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. - Vielleicht sind noch ein paar weitere Kommentare hilfreich:
Was mich beim Lesen besonders inspiriert hat, war die Betrachtungsweise der kognitiven Entwicklung des Menschen, welche in einer komplexen Wechselbeziehung mit Sprache und Kultur (im weiteren Sinne, einschliesslich religiösem Denken, Weltbild usw.) steht. So werden z.B. die älteren Wildbeuterkulturen mit dem Typus “Fünfjährige” beschrieben (was nicht bedeutet, dass sie Kinder waren!), während der Autor bei den jüngeren Kulturen und auch rezenten Naturvölkern vom Typus “Sechs- bis Siebenjährige” spricht. Mit Hinweis auf Piaget (Kindesentwicklung) geht es dabei um die Entwicklung von einem prä-operativen kognitiven Stadium in ein formal-operatives.

Lange Rede kurzer Sinn: die kognitiven Fähigkeiten haben sich nur langsam über die Jahrtausende entwickelt und mit ihnen Sprache und Kultur. Insofern ist es folgerichtig, dass die hier wiedergegebenen 'Gesänge' naiv oder eben auch etwas albern (kindisch) klingen.

Alles in allem 'nur ein Experiment'. Wenn man nun bedenkt, dass die Malerei in Höhlen 'erfunden' wurde, darf man sich auch fragen, wie es mit der ersten Lyrik war. Ich vermute 'Liedlyrik'; aber war es nun ein erster beschwörender Tanz der Jäger ums Feuer ? Oder eine Frau mit einem Kind auf dem Arm, um dieses mit melodischen Lauten in den Schlaf zu wiegen (und diese mit einem Text versah …) ?

LG
Tula
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Oder eine Art Gebet, dass durch Rythmus für alle leichter zu merken war. Vielleicht eine Art verbindender Text der die Gruppenzusammengehörigkeit und die abgrenzung anders denkend und lebender Gruppen gewährleisten sollte.

Das sind interressante Fragen.

Zu deinem Text nochmal:
So langsam kristallisiert sich heraus, was mich daran "stört" ( in anführungsstrichen, weil ich es nach wie vor für sehr gut befinde)

Es ist die Form der primitivem Sprachführung, die in mir das Bild eines Rundkeule schwingendem Steinzeit-Jägers, wie wir ihn aus komödien etc. kennen, erzeugt.

Aber:
Ich habe keine Ahnung, wie man es anders oder gar besser darstellen könnte.

Und trotzdem, es hat was besonderes.
Danke für die Gedichte (oder das Gedicht?) ;)

L.G
Patrick
 

Tula

Mitglied
Hallo Patrick

danke nochmals für dein Interesse an diesem Werk. Ich verstehe, was du meinst: inhaltlich habe ich mir hier auf die Gedankenwelt (und auch das Erscheinen von Religion) konzentriert. Dabei ist der (im primitiven bereits keimende) 'menschliche' Aspekt etwas auf der Strecke geblieben. Gewiss waren diese Menschen nicht nur Rohlinge, sondern in vieler Hinsicht 'wie wir'.

Denke dabei unwillkürlich an den grandiosen Film "Am Anfang war das Feuer". Muss ich mir demnächst nochmal ansehen.

Vielleicht fällt mir zur Thematik noch etwas ein, werde drüber nachdenken.

LG
Tula
 
K

Krott

Gast
Hallo Tula;

ein eindrucksvolles Gedicht in krafvoller Sprache.
Leider finde ich es grauenhaft, aber das ist natürlich mein Problem: Die Geschmäcker der Menschen sind verschieden.

Zu deiner Ehre habe ich aber eine fünfte Strophe hinzugefügt,
die ich dir nicht vorenthalten möchte:

V. Blut und Boden

Hirngespinste aus Blut und Boden
entstammen dem Überdruck der Hoden.
Sie verdrehn die Gedanken bis alle sich zanken,
verderben das Herz und erzeugen viel Schmerz.

Heimlich versickern hätten sie sollen
zu einsamer Stunde im sumpfigen Moos.
Doch die Kerle führen sich auf wie die Dollen,
und im Bett ist mit ihnen nichts los.

Grüße v. Krott
 

Tula

Mitglied
Lieber Krott

Hier wird nicht Geschmack bewertet, sondern das Werk in seiner Qualität: inhaltlich, Umsetzung, lyrische Sprache usw. Aber auch dies hast du noch nicht verstanden und IST DEIN Problem.

Dein lyrischer Beitrag hier ist unterstes Niveau. Auch das werden die anderen Leser begreifen, sowie den Menschen, der ihn geschrieben hat.

Schönes Wochenende
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Piaget eignet sich nicht gut zum Verstehen der prähistorischen Kulturen oder zum Verstehen der evolutionären Entstehung des Verstandes. Viel zu religionsfremd gefiltert.
Besser: Ethnologie.
Religionswissenschaft -> Schamanismus
Popol Vuh (!!)
Gilgamesch-Epos

Das ist ein hochpoetisches Thema.
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

vielen Dank fürs Reinlesen. - Zuerst, um dem Autoren der angezeigten Quelle nichts nachzusagen – er hat die Skala der kindlichen Entwicklung (Piaget) nur als Referenz genommen, das ist nicht mehr als ein Baustein und nicht an sich das Fundament (s)einer Theorie (der Entwicklung von Sprache und Kognition).

Ich fand aber besonders interessant, dass und wie er die Verbindung von Kognition (+Sprache) und den religiösen Anschauungen auf jeder Stufe der Entwicklung darstellt. Ich habe versucht, dies zu berücksichten, z.B. in II die Verbindung von Ahnenkult, animistischen Vorstellungen (ausgeprägter Schamanismus gehört da sicher dazu) und dem Entstehen eines ersten Schöpfungsmythos ('als Erde erster Tag').

Wie angedeutet schaut der Autor auf die Entwicklung der ersten Jäger. und Sammlerkulturen bis zu den sogenannten älteren, die die ersten Hochkulturen aufbauten. Die Abhandlung endet bei Göbekli Tepe, welches in etwa 5000 Jahre VOR Uruk steht und vielleicht auch geografisch gesehen als einer der Vorläufer sumerischer Kultur gelten könnte. Wenigstens im weiteren Sinne (Ackerbau im Zweistromland). Deshalb war ich auch so 'dreist', in IV. zwei dieser Gottheiten anzuführen.

In seiner Gesamtheit kann man das Thema in kurzen Versen schwerlich abhandeln (d.h. das wäre anmaßend und unmöglich zugleich), das war auch nicht meine Absicht. Eigentlich ging es mir darum, die Sache inhaltlich nahe zu bringen und dabei dennoch 'etwas lyrisches' entstehen zu lassen. Ich habe dabei also auch meine Fantasie spielen lassen.

Ansonsten bin ich ja kein Sprach- oder Religionswissenschaftler. Ich kann nur vermuten, dass sich die Gelehrten über dieses und bezogene Themen bis heute heftig streiten. Jedenfalls halte ich diesen Teil der menschlichen Geschichte für faszinierend. Die alte Frage – Woher kommen wir?

LG
Tula
 



 
Oben Unten