Winterschlaf
Was ist Weihnachten schon ohne Schnee ? In diesem Jahr haben wir Glück: pünktlich am 23., fast wie bestellt, fängt es an zu schneien und bald sind Stadt und Tal von einer Zuckerwatteschicht bedeckt, aus der nur Türme und Schornsteine herausschauen.
Ich habe vor längerer Zeit einen Bauernhof gekauft, der einige Kilometer außerhalb der Stadt, in einem Dorf unterhalb der Berge liegt. Seit Jahren lade ich meine Freunde und ihre Familien ein, und wir verbringen Weihnachten gemeinsam. Ein paar Tage vor dem Fest reisen sie an und belegen die vielen kleinen, gemütlichen Zimmer. Die Kinder haben Platz zum Spielen, tausend Winkel und Ecken warten, Katzen und Pferde können gestreichelt werden. Wir Erwachsenen aber beginnen mit den Festvorbereitungen. Dabei spielt vor allem der Einkauf von Lebensmitteln eine wichtige Rolle, denn wir bleiben lange zusammen und brauchen Vorrat.
Am Heiligen Abend, wenn die Geschäfte schließen, treffen wir uns in einer Kneipe, Tüten, Körbe und Netze voll mit letzten Besorgungen. Eßwaren, Getränke und Menschen, alles wird in den Autos verstaut. Auf die Reifen haben wir Ketten gezogen, über knirschenden Schnee geht es heraus aus der Stadt mit ihren Lichterketten und Neonreklamen. Ganz still liegt das Dorf. Heimlich und warm, inmitten der weißen Einsamkeit, nimmt uns der Hof auf. Früh wird es dunkel.
Unser Weihnachten läuft übrigens etwas anders ab als bei den Nachbarn. Natürlich steht der geschmückte Weihnachtsbaum in der großen Diele, und jeder und jede bekommt ein kleines Geschenk. Aber irgendwie ist es nicht übermäßig feierlich, mehr ausgelassen und fröhlich, eine einzige Folge von Festessen, Punschrunden und Kaffeetafeln.
So geht es über die Feiertage. Anfangs haben wir noch ausgedehnte Spaziergänge und Schlittenfahrten unternommen. Aber im Laufe der Zeit werden wir träger und fauler, verbringen die Zeit mit Spielen und tiefsinnigen Gesprächen. Kaum geht noch jemand vor die Tür, nur mal einen Augenblick in den Stall, die Tiere versorgen, nur einen kleinen Weg um die Ecke und dann wieder hinein in die Wärme des Hauses, an den Kamin, an den Tisch zum nächsten Essen.
Bis Silvester leben wir so; alle sind dick und rund geworden. In dieser Nacht findet der größte Festschmaus statt. Die Tische sind voll mit kalten und warmen Platten, dampfende Schüsseln werden herumgereicht, Unmengen von Bier, Bowle und Sekt getrunken. Das Feuerwerk um Mitternacht nimmt niemand mehr wahr. Man müßte hinausgehen in die Kälte – wofür ? Besser am Tisch bleiben ! So geht es bis in den Morgen.
Es gibt nun nicht mehr viel zu tun. Der Januar ist gekommen, der häßlichste, längste und kälteste Monat des Jahres. Und das ist der Neujahrstag: grau, trüb, kalt, still, Schneematsch, überfrorene Straßen, Hoffnungslosigkeit, Langeweile, Katzenjammer.
Deswegen wollen wir schlafen gehen. Männer, Frauen und Kinder verschwinden fett und müde in ihren Zimmern. Die Gespräche werden leiser und bald ist im Haus bei den Menschen und im Stall bei den Tieren absolute Ruhe.
Wir werden lange schlafen, mindestens drei Monate, besser vier. Wenn die Sonne wieder mit Kraft scheint, werden wir geweckt. Von den Stimmen der Vögel, von der Kirschblüte, vom Frühling.
Übrigens haben wir vorgesorgt: sollte es einmal wider Erwarten keinen Frühling mehr geben, schlafen wir einfach weiter. Unser Schlaf wird immer tiefer und ohne daß wir es merken, setzt das Herz aus. Und dann, wenn alles gutgeht, erwachen wir weit drüben jenseits von Lethe und Styx, im Elysium, von dem es heißt: dort wird immer Frühling sein.
Was ist Weihnachten schon ohne Schnee ? In diesem Jahr haben wir Glück: pünktlich am 23., fast wie bestellt, fängt es an zu schneien und bald sind Stadt und Tal von einer Zuckerwatteschicht bedeckt, aus der nur Türme und Schornsteine herausschauen.
Ich habe vor längerer Zeit einen Bauernhof gekauft, der einige Kilometer außerhalb der Stadt, in einem Dorf unterhalb der Berge liegt. Seit Jahren lade ich meine Freunde und ihre Familien ein, und wir verbringen Weihnachten gemeinsam. Ein paar Tage vor dem Fest reisen sie an und belegen die vielen kleinen, gemütlichen Zimmer. Die Kinder haben Platz zum Spielen, tausend Winkel und Ecken warten, Katzen und Pferde können gestreichelt werden. Wir Erwachsenen aber beginnen mit den Festvorbereitungen. Dabei spielt vor allem der Einkauf von Lebensmitteln eine wichtige Rolle, denn wir bleiben lange zusammen und brauchen Vorrat.
Am Heiligen Abend, wenn die Geschäfte schließen, treffen wir uns in einer Kneipe, Tüten, Körbe und Netze voll mit letzten Besorgungen. Eßwaren, Getränke und Menschen, alles wird in den Autos verstaut. Auf die Reifen haben wir Ketten gezogen, über knirschenden Schnee geht es heraus aus der Stadt mit ihren Lichterketten und Neonreklamen. Ganz still liegt das Dorf. Heimlich und warm, inmitten der weißen Einsamkeit, nimmt uns der Hof auf. Früh wird es dunkel.
Unser Weihnachten läuft übrigens etwas anders ab als bei den Nachbarn. Natürlich steht der geschmückte Weihnachtsbaum in der großen Diele, und jeder und jede bekommt ein kleines Geschenk. Aber irgendwie ist es nicht übermäßig feierlich, mehr ausgelassen und fröhlich, eine einzige Folge von Festessen, Punschrunden und Kaffeetafeln.
So geht es über die Feiertage. Anfangs haben wir noch ausgedehnte Spaziergänge und Schlittenfahrten unternommen. Aber im Laufe der Zeit werden wir träger und fauler, verbringen die Zeit mit Spielen und tiefsinnigen Gesprächen. Kaum geht noch jemand vor die Tür, nur mal einen Augenblick in den Stall, die Tiere versorgen, nur einen kleinen Weg um die Ecke und dann wieder hinein in die Wärme des Hauses, an den Kamin, an den Tisch zum nächsten Essen.
Bis Silvester leben wir so; alle sind dick und rund geworden. In dieser Nacht findet der größte Festschmaus statt. Die Tische sind voll mit kalten und warmen Platten, dampfende Schüsseln werden herumgereicht, Unmengen von Bier, Bowle und Sekt getrunken. Das Feuerwerk um Mitternacht nimmt niemand mehr wahr. Man müßte hinausgehen in die Kälte – wofür ? Besser am Tisch bleiben ! So geht es bis in den Morgen.
Es gibt nun nicht mehr viel zu tun. Der Januar ist gekommen, der häßlichste, längste und kälteste Monat des Jahres. Und das ist der Neujahrstag: grau, trüb, kalt, still, Schneematsch, überfrorene Straßen, Hoffnungslosigkeit, Langeweile, Katzenjammer.
Deswegen wollen wir schlafen gehen. Männer, Frauen und Kinder verschwinden fett und müde in ihren Zimmern. Die Gespräche werden leiser und bald ist im Haus bei den Menschen und im Stall bei den Tieren absolute Ruhe.
Wir werden lange schlafen, mindestens drei Monate, besser vier. Wenn die Sonne wieder mit Kraft scheint, werden wir geweckt. Von den Stimmen der Vögel, von der Kirschblüte, vom Frühling.
Übrigens haben wir vorgesorgt: sollte es einmal wider Erwarten keinen Frühling mehr geben, schlafen wir einfach weiter. Unser Schlaf wird immer tiefer und ohne daß wir es merken, setzt das Herz aus. Und dann, wenn alles gutgeht, erwachen wir weit drüben jenseits von Lethe und Styx, im Elysium, von dem es heißt: dort wird immer Frühling sein.