Wirres Zeug

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Pali

Mitglied
Wham! Tür auf und schnell wieder hinter mir zu. Ist ja noch kalt draußen, trotz Temperaturanstieg. Erst mal Lage checken: Wer ist da, wer nicht, wer kommt noch? Stehe ich etwa hier etwa alleine auf weiter Flur? Nach bekannten Gesichtern umsehen. Oh ja, ein paar sind da. Allerdings niemand, auf den ich gerade unbedingt Bock habe. Zigarettenrauch in der Luft, Flaschenklirren in den Ohren. Ein Chaos hier. Wer hier ne Schreibübung machen will, ist aufgeschmissen. Investigativer Journalismus? Keine Chance.
Erst mal was anzünden, kleine Zigarre aus Kuba. Billig, aber hier was Edles, das ist wie Perle vor Säue. Zack, ab in die Ecke. Anbohren, Flamme hinhalten, in die Flamme halten, brennt gut, warten, erster Zug. Ah, ja. Geht doch für die paar Euro.
- Hey Mann, alles klar?
Ja, klar, geht so.
- Ist da Gras drin? Krieg ich n Zug?
Nee, da ist kein Gras drin. Trotzdem n Zug?
- Ey, wenn da kein Gras drin ist, dann nicht. Und weg ist er. Auch gut. Kostverächter. Kulturbanause. Arschloch.
Keine Zeit für vieles Fluchen. Erstmal in die Küche. Habt ihr auch Coke?
- Wieso kein Bier?
Bin mit dem Auto da.
- Hast du das nicht zu Schrott gefahren?
Ja, das alte. Bin mit dem neuen da.
- Seit wann hast du n Neues?
Schon länger.
- Hab ich nicht gewusst.
Sehen uns ja auch nicht so häufig, seit du die Schule gewechselt hast. Ist das möglich? Natürlich ist das möglich. Ist ja auch wahr. Coke in den Becher. Plastik. Nein, keinen Edding. Ist ja nur n Plastikbecher.
Die Zigarre verliert ihren Geschmack. Billiges Ding. Kommunistischer Mülltabak. Proletariatsdreck. Weg damit. Ins Katzenklo ausdrücken. Friss das, Kitty.
Brauch n Kaugummi. Stinke aus der Fresse nach der Zigarre. Was tut man nicht alles für ein Minimum an Stil?
- Schatzi!
Oh, hey, du auch da? Cool. Nein Man, wir sind nicht zusammen. Sie ist nur ne sehr gute Freundin. Kaugummi, Süße? Natürlich will sie Kaugummi. Hälfte? Ja, bitte.
Lippen auf Lippen. Mhh, Kirsche/Pfefferminz. Gute Kombination. Bolzt den Tabak aus den Geschmacksknospen. Spiele mit dem Gedanken, das Bad zu plündern und mir ne Flasche Odol in die Gosche zu kippen. Verwerfe das. Ablage P. Die Kumpels sind da. Endlich.
- Jo, Hoschi, alles klar?
Jo, natürlich. Wie die Stimmung ist? Ganz gut. Erst mal Hände schütteln, jedem Einzeln.
- Wieso hast du kein Bier?
Bin mim Auto da. Ja, das Neue. Nein, ich plane nicht, das auch zu schrotten. Bin ja nicht dumm.
- Schatzi!
Was? Ja, natürlich fahre ich dich später heim, kannst ruhig ein bisschen was trinken. Aber nicht zu viel - obwohl, doch trink viel, dann kann ich dir die Rückbank zeigen, hähähä.
Oh Gott, wie peinlich. Ja, wir sehen uns noch. Im Keller steht ne Tischtennisplatte. Dave, wie sieht's aus? Tischtennis? Klar, du machst mich fertig. Träum weiter.

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Hat mich fertig gemacht. Trinkt n Bier darauf. Ich bleibe bei Coke. Antialkoholisch für einen Abend. Nein, bisher ist nichts zu Bruch gegangen. Wartet mal, wer zum Teufel hat die Mittelstufler hier reingelassen? Ach so, der Gastgeber. Ach so, Bruder von Freundin und so weiter. Nee, hab ich nicht gewusst. Der kleine Bruder von der Isi? Ah, ja, alles klar.
Der Zigarettenrauch ist dem Grasgeruch gewichen. Das Zeug stinkt vielleicht. Ob ich was kiffen will? Nein, bin mit dem Auto da. Ich hab n Neues, bevor du fragst. Wie ich an so viel Geld komme? Welches Geld?!
- Schhhhhaaahaaatzi.
Mein Gott, wie viel hast du getrunken? Du fühlst dich nicht gut? Na schön, ich bring dich geschwind nach Hause.
Dave, ich komm in ner halben Stunde oder so wieder, dann gibt's ne Revanche!

Hier, steig ein, schnall dich an. Wie, du willst die Rückbank sehen? Ähh, okay, das verstehe ich. Ja, das war auch n Arschloch. Aber dennoch...ja, sicher, ich mag dich. Sehr sogar.
Was würde Hunter S. Thompson in so einer Situation tun?
 
F

filechecker

Gast
Unsere Kids und ihr Sprachschatz

Hallo,

die Situation, die du eingefangen hast, spiegelt das Alltagsleben unserer Kids eigentlich gut wider: Herumhängen, Saufen, Nörgeln, usw.

Die Kids haben es dir aber als Autor sehr leicht gemacht. Ihr Sprachschatz ist leicht zu überschauen und zu bewältigen.

Lesen tut sich dein Werk aber sehr anstrengend. Da wird einem die Kidsprache dann letzlich doch etwas zuviel.

Gruß
 

Pali

Mitglied
Der Witz an der Sache ist, dass eigentlich kaum Leute aus meinem Bekanntenkreis tatsächlich so reden. Der ganze Kram hier hat eigentlich als kleine Stilübung (daher auch so anstrengende, abgehackte Sätze) angefangen, wollte mal was Neues ausprobieren, aber mich hat dann die Neugier übermannt und ich wollte sehen, was davon zu halten ist.
 
Pali, Pali, Pali

das ist sehr gut gemacht, eine exzellente kleine Milieustudie! Mutig. Frisch-frecher Umgang mit der Sprache. Für mich ist dieser Text an keiner Stelle wirr und ich habe ihn mit Spaß gelesen. Ich denke schon, dass du Distanz zu dem Erzählten hast und sehr bewusst den Jargon einsetzt.

Beste Grüße

Monfou
 

arle

Mitglied
Lieber Pali,

da schließe ich mich doch glatt Monfous Meinung an.
Solche Geschichten machen mir Spaß...!
:D
 

katia

Mitglied
ohrläppchen-kräuseln

hi pali,
also diese geschichte fand ich persönlich nicht wirr. gut die stiutaion, den alltag eingefangen, im großen und ganzen doch verständlich, fand ich. ich gehöre allerdings zu denen, deren ohrläppchen sich immer beim begriff "investigativer journalismus" kräuseln. sollte nicht journalismus von hause investigativ sein? aber das gehört wohl eher in die plauderecke... :)

schönes restwochenende
sagt
katia
 



 
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