Wo bleibt Sie...?

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"Wo bleibt Sie ..."

Wenn du Heim kamst, lachte mein Herz,
ich bereitete dir ein fürstliches Mahl.
Gern kleidete ich mich dann in zierliches Gewand.
Oft stand ich schon eine Weile am Fenster
und wartete auf ein Zeichen von dir.

Es dauerte und dauerte,

bis du endlich zur Türe hereinkamst.
Deine schicke Tageskleidung hattest du
gegen schmutzige Gartenklamotten eingetauscht.
Mit einem kurzen freundlichem Hallo
gingst du regelmäßig an mir vorbei, zu Tisch.
Hastig schlingend nahmst wortlos,
die mit Liebe gewürzte Speise zu dir.
Eilig begabst du dich zwischen deine
heiß geliebten Gartensträucher,
die von glühender Sonne beschienen wurden.
Mir aber lief etwas eiskalt über den Rücken.
Wortlos blickte ich hinter dir her und fror,

wie so viele Male schon.

Von Schwindel geplagt schlich ich in mein Zimmer
und hüllte mich zitternd in Decken ein.
Die Minuten eilten dahin. Während ich Rückschau hielt,
perlten sie sich zur Stundenkette aneinander.
Meine Augen brannten, doch zu weinen verbot ich mir.
Vom Nebenzimmer hörte ich die Tagesschau herüber klingen,
die du dir allabendlich einverleibtest.
Ich atmete tief durch, schritt zu dir in die gute Stube
und fragte dich ob wir gemeinsam ein Glas Wein trinken,
großmütig willigtest du ein.
Ich holte eine Flasche von unserem Besten.
Kristallblinkend leuchtete der goldene Rebensaft,
und wartete, so wie ich,
auf das versöhnliche anklingen von zwei Gläsern,
gehalten von zwei Menschen die sich mögen.

Ich erzählte dir, wie so viele Male schon,

von meinen Sehnsüchten, und wünschte mir
wieder mehr Nähe und Verbindlichkeit.
Du verliest, für einen Moment nur, den Raum,

leider kamst du, wie so viele Male schon, nicht wieder.

Nein, nein natürlich meintest du das nicht böse,
klar doch, du mochtest mich, ich gehörte dir,
viele Jahre schon. Du sorgst für mich.
Ein guter Ehemann, warst du, brav und treu, ja, ja.
So manche Frau beneidete mich.

Nun stehst du am Grab und weinst
Zu spät, mein Lieber, zu spät.
Die eine Schaufel Wertschätzung
die du mir jetzt auf Ebenholz rieselst.
 

Perry

Mitglied
Hallo Heike,
in deinem Text schilderst du berührend und zugleich realistisch die Monotonie einer Alltagsehe. Etwas überrraschend erscheint mir dann aber der Perspektivenwechsel am Schluss von einer Klageschrift in eine Art testamentarischen Nachruf (gewollt?). Gern gelesen!
LG
Manfred
 
Hallo, lieber Manfred,

erst mal herzlichen dank, das du dich hier bemüht hast.
wenn du diesen stil magst, weißt du warum ich viele deiner werke mag, lächel.

zum überraschenden abschluß des werkes:

1. wollte ich ausdrücken das es irgendwann einmal zu spät ist, lieber die ohren und das herz öffnen solange das leben pulsiert.
2.
hat es mir auch spaßgemacht mit dem schluß eine kleine ohrfeige zu setzen,
und

3. die klageschrift mußte irgendwie zu einem ende kommen.
ich mag überraschende wendungen.
bleibe somit meinem ruf treu, lach
heike
 
ps.: perry,

es ist nicht nur die Monotonie, sondern auch die Gleichgültigkeit und mangelnde Wertschätzung die
so ungemein schmerzt. Zumal wenn sich ein Partner so aufreibend bemüht das Ruder umzudrehen.
Wirklich schade das mein Gedicht ein Paradbeispiel
für Ehen ist die sich um den Kreis der Silberhochzeiter drehen.
Lieben Gruß
Heike
 



 
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