Wölfe

Kyra

Mitglied
Wawa wachte auf. Es musste mitten in der Nacht sein, alles war vollkommen still. Sie lauschte in die Dunkelheit. Warum konnte sie den Atem ihrer Mutter nicht hören? Die Dunkelheit war endgültig, das Bett unter ihr war ihre Verbindung zur Welt. Wawa schloss die Augen, um sie dann schnell wieder zu öffnen. Die Finsternis war nicht bereit, sich von ihr zu trennen. Wawa dachte darüber nach, ob sie vielleicht blind geworden sei. Sie rollte die Augen, drehte den Kopf dorthin wo das Fenster sein sollte. Es war nicht mehr da. Der Tisch nicht, an dem sie heute noch gesessen hatte, die große Truhe mit all ihrem Spielzeug, nicht einmal die Tür zeigte durch einen Lichthauch ihre Umrisse.
Wawa war sich jetzt sicher, dass sie alleine im Zimmer war. Trotzdem hatte sie Angst in die Dunkelheit zu rufen. Keiner würde ihr antworten, aber wenn jemand ganz still in der Mitte des Zimmers stand, würde er wissen dass sie hier wäre. Sie musste ganz still sein - stiller als die Schwärze um sie herum.
Wawa hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, um nicht diese Meeresbodenstille ertragen zu müssen. Sie sehnte sich nach dem Geräusch ihres Atems.
Plötzlich hörte Wawa das leise Knacken des Parketts, sie fühlte wie sich von allen Seiten gefährliche Wesen näherten, bestimmt waren es Wölfe.
Die Wände schienen zurückzuweichen, würde sie jetzt die Hand nach der Wand neben ihrem Bett ausstrecken, sie griffe sicher ins Leere. Darum rührte sie sich auch nicht, versuchte sich mit der feindlichen Dunkelheit zu verbrüdern.
Wawa wusste von ihrer Urgroßmutter viel über Wölfe, sie kamen wenn sie hungrig waren bis in die Häuser, durchstreiften diese und suchten die Kinder. Wölfe versuchen immer zuerst die Kinder zu finden. Sie folgen dem süßen Geruch der Wehrlosigkeit. Wölfe holen ein Baby aus der Wiege und niemand findet jemals wieder eine Spur davon. Manchmal zogen Wölfe auch Menschenbabys wie eigene Kinder auf. Diese Wesen waren die grausamsten - halb Wolf halb Mensch. Allein niemand sah es ihnen an, so ein Wolfsmensch konnte unerkannt zwischen den Menschen leben. Aber er war böse, böser und gefährlicher als jedes andere Lebewesen.
Warum war ihre Mutter nicht da. Wawa versuchte den Gedanken zu vertreiben, dass die Mutter ein Wolfsmensch war.
Wawas Mutter hatte keine Eltern und wenn sie wütend war wurde ihr Blick so fremd, dass Wawa schon oft deswegen geweint hatte.
Vielleicht war ihre Mutter zur Haustür geschlichen um das Wolfsrudel einzulassen.
Ihre Mutter war jetzt kein Mensch mehr, sie hatte vergessen dass Wawa ihr Kind war. Sie würde mit den anderen Wölfen über sie herfallen, sie zerfleischen und auffressen wie jede Beute.
Wawa versuchte sich zu erinnern woran man Wolfsmenschen erkennen konnte. Gab es ein Zeichen - einen Fleck auf dem Rücken oder Haare an den Fußsohlen? Die Grausamkeit mit der die Mutter Tiere quälte, war das ein Zeichen dafür, dass sie eine Wölfin war?
Das schrecklichste war, die Wölfe kamen vollkommen lautlos immer näher zum Bett. Wawa konnte fühlen, wie die Luft um sie herum immer dichter wurde. Die Wölfe trieben die Finsternis wie eine verängstigte Herde schwarzer Schafe vor sich her.
Die Dunkelheit, mit der Wawa sich verbrüdert glaubte, hatte sich erinnert wie sie immer von Wawa mit hellem Licht in die hintersten Winkel vertrieben wurde. Jetzt lieferte sie Wawa den Wölfen aus.
Wawa war sich jetzt sicher, ihre Mutter war hier, sie war zu einer Wölfin geworden. Niemand würde ihr helfen, ihre Mutter war die Anführerin der Wölfe.
In tiefem Grauen presste Wawa die Hände auf ihre Augen. Wenige Augenblicke, dann wurde es heller, gelbes und grünes Licht ballte sich zu funkelnden Kreisen und Bögen. Sie konnte wieder sehn. Beinahe hätte sie vor Erleichterung geweint, als ihre Augen den riesigen erleuchteten Saal betraten. Rechts und links zogen emsige kleine Flämmchen eilig an ihr vorbei, Elfen die sie beschützen würden. Der Boden des Raumes war mit hellgrünen winzigen Kacheln ausgelegt, die sich bis zu einem glühendhellen Schein in der Ferne hinzogen. Wenn sie noch stärker auf ihre Augäpfel drückte, begannen die hellgrünen Kacheln zu brennen.
Wawa wusste, wie sehr Wölfe das Feuer fürchten. Sie war in Sicherheit, nichts konnte ihr passieren solange dieses Feuer brannte.
Geborgen im Schein, die Finger fest auf die Augen gedrückt, schlief Wawa ein.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
wie

ich schon sagte, du wirst immer besser. obiges hat alles, was der leser sehen möchte. da ich schon einige wawa-texte gelesen habe, kann ich sagen, daß es mich überhaupt nicht wundert, wenn wawa denkt, ihre mutter sei die oberwölfin. bin gespannt auf weiteres. lg
 

Kyra

Mitglied
wie ich schon sagte, du wirst immer besser.

Hallo flammarion

Du weisst gar nicht wie gut das tut :)
ich bemühe mich wirklich sehr, sehr, sehr darum besser zu werden. Wie schön wenn es jemand merkt....

Liebe Grüße

Kyra
 

lara_star

Mitglied
hallo Kyra,
ich liebe Deine Geschichten!
Hab sie alle gelesen. Sie packen einen richtig und ich warte immer gespannt auf die nächste.
Ich finde Deine Erzählstil echt super, sehr lebendig, es läßt klare Bilder entstehen.
Was mir am meisten gefällt ist glaub ich jedoch die Perspektive von Wawa, also daß Du aus ihrer Sicht schreibst.
Lieben Gruß,
Lara
 



 
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