Wunderschöner Urlaub

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Bursch

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Es war gar nicht nötig, dass Franz sich aufregte, dass seine Emotionen bereits am zweiten Morgen des ehelichen Urlaubs in Tunesien sich derart aufstauten, dass eine Explosion drohte. Die Lösung, um nicht zu sagen die Erlösung erfolgte unerwartet, schlagartig. Wobei fremde Hand im Spiel war.
Etwa neun Uhr zwanzig besagten Vormittags war der Zenit innerer Säure erreicht. Hera, Franzens Frau, ließ auf der sonnengefluteten und gut gefüllten Hotelterrasse wieder einmal keine Gelegenheit aus, seine aus ihrer Sicht miserablen Tischmanieren zum Gegenstand morgendlicher Betrachtungen zu machen. Das klang etwa so:
"Mein Gott, Franz, warum befestigst du deine Serviette immer so hoch am Hemd? Das sieht doch schauerlich aus."
Oder: "Du verschüttest immer so viel Kaffee, Franz, als wärst du gerade mal vier und nicht 41. Lass die Brühe doch gleich auf die Untertasse fließen, das vereinfacht die Sache."
In Summe: "Ich habe mich allerdings schon oft gefragt, woher dein Mangel an Kinderstube ...?"
Gegen neun Uhr dreißig stand der Gatte kurz vor jener Art Explosion, die schon des öfteren Urlaubsaufenthalte nachhaltig beschädigt hatte. Da ereignete sich die überraschende Wendung.
Sie trat auf in Gestalt eines so kurz wie schmächtig geratenen Engländers am Nachbartisch, der hinter seiner matronenhaft korpulenten Gattin beinahe verschwand. Immerhin sah Franz die Rechte des Herrn zur Teekanne wandern und beobachtete den Versuch, die bereit stehende Tasse mit wohltuend heißem Getränk zu füllen. Der misslang. Hatte er seine Brille vergessen? Sah er überhaupt schlecht? Jedenfalls lief das Getränk nicht in die Tasse, sondern daneben.
Er merkte es nicht, der kleine Englishman. Franz verfolgte das Ganze mit Ingrimm, gab keinen Laut von sich. Sah, wie sich zunächst die Untertasse füllte, der Tee sich dann - Mylady war anderweitig beschäftigt - über die leicht geneigte Tischplatte ergoss, zu einem kleinen Sturzbach verdichtete, um gnadenlos herzufallen über das bodenlange weiße Sommerkleid der Gattin.
Franz war vorbereitet. Ihn überraschte weder das Aufspringen der Korpulenten noch ihr von Kurzatmigkeit geprägtes Geschrei. Es fehlte wenig, dass sie ihren Gemahl mit Fausthieben traktierte. Auch war der Tumult, den sie bei Gästen und dem Personal auslöste, beachtlich. Ließ Franz alles kalt. Nur ihre Wortwahl und Schmähbegriffe waren geeignet, ihn betroffen zu machen. Er lernte ganz neue Wendungen.
Nachdem er sich innerlich ausgelacht hatte, blickte er wie beiläufig seine Gattin an. Der blieb nichts übrig, als bescheiden und sanft schuldbewusst zurück zu blicken. Beide sprachen kein Wort. Es herrschte minutenlang, nein, den ganzen weiteren Vormittag Ruhe im Karton.
Eine wohltuende Ruhe, die das Zeug hatte, prägend auf den gesamten weiteren Urlaubsaufenthalt auszustrahlen. In der Tat fiel kein bös-mokantes Wort mehr ihrerseits über Franzens ungehobelte Manieren. Er seinerseits gab viel mehr Acht als zuvor, hatte auf einmal in Sachen Benimm ein glückliches Händchen.
Es wurde ein schöner, nein, ein wunderschöner, um nicht zu sagen ein unvergesslicher Urlaub auf sonnengefluteten Terrassen und Stränden an Nordafrikas Küste.
 



 
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