Zerstörung auf Schritt und Tritt.

pleistoneun

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Es klopfte nun schon zum zweiten Mal an der Wohnungstür. Schwerfällig befreite sich Dietmar aus dem Bücherhaufen, unter dem er begraben lag. Beim Versuch, das wertvolle Geschirr auf dem Bücherregal abzustellen, dürfte das Missgeschick passiert sein und alles eingestürzt sein. Ja, so könnte es gewesen sein, erinnerte sich Dietmar. Abermals klopfte es. Dietmar schlapfte zur Tür. Aber ehe er sie erreichte, gelang es ihm noch, über den Teppich zu stolpern, und zwar so unglücklich, dass er genau mit dem rechten Auge in der Türklinke einfädelte. Das tat natürlich höllisch weh und den Männern vor der Tür zeigte sich ein erbärmliches Bild. "Sie müssen mitkommen, Herr....... Herr Tolpacz, Dietmar Tolpacz!" Diemtar leistete keinen Widerstand. Zudem hielt er es für besser, nicht nach dem Grund dieser Maßnahme zu fragen, sonst würde vielleicht das Gefühl der allgemeinen Aufgebrachtheit einer Stadtbevölkerung, die die Desaster und mittleren Katastrophen, welche Dietmar beim Verrichten alltäglicher Arbeiten anrichtete, mitansehen musste, auf die Stimmung der Beamten überschwappen. Im Stiegenhaus stürzte Dietmar zweimal und beschädigte am Dienstauto beim Versuch gegen die unnatürliche Regungslosigkeit der Wagentür anzukämpfen, die Kindersperre.

Endlich im Verhörzimmer des Straßenaufsichtsbüros angelangt, fand sich Dietmar einer altmodischen, aber nicht desto weniger leuchtstarken Verhörlampe, die man auf ihn gerichtet hatte, wieder. "Sie wissen, warum Sie hier sind, Herr...... Herr Tolpacz?", schien die Lampe zu fragen. Dietmar hatte Probleme mit dem Licht, das durch das offene Auge direkt seinen Frontallappen bestrahlte. Es war besser, das zweite Auge als Schutz vor dem grellen Licht zu schließen. "Herr Tolpacz: Ihr öffentliches Benehmen ist nicht weiter tolerabel. Egal, was sie tun - es endet in reiner Zerstörung. Was haben wir hier..... haufenweise kaputte Schaufenster, verwüstete Kaufhäuser, demolierte Autos und so weiter und so fort. Eine einzige Schneise der Zerstörung. Sie sind eine Bedrohnung für die Gesellschaft, mein lieber Herr. Wie erklären sie sich das?" Keine Antwort. Dietmar war eingeschlafen, denn die Wärme der Verhörlampe erinnerte ihn an die Urlaubssonne im Süden, wo er sich immer so großartig entspannen konnte. Den Weg in die Zelle wurde er getragen, polterte mit dem Kopf aber gegen alle möglichen Gegenständen.

Dietmar erwachte durch heftiges Klopfen an der Tür, was sogleich als heftiges Klopfen in seinem ramponierten Kopf nachhallte. Schlaftrunkenheit und Schmerz verhinderte klares Denken. Er meinte, er wäre zuhause, erhob sich vom Bett und wandelte halb blind und ferngesteuert zur Zellentür um diese zu öffnen. Doch dort, wo es bei ihm zuhause geradeaus ging, stand jetzt eine Kloschüssel. Den Sturz schildere ich hier nicht im Detail. Dietmar konnte erst nach Stunden von einem Spezialtrupp befreit werden und das auch erst nachdem die Gefängnistür aufgeschnitten worden war. Triefend fand er sich wieder der Verhörlampe gegenüber, die wieder komische und unverständliche Fragen stellte. Die Monotonie der Situation drohte Dietmar wieder in den Schlaf zu versetzen, doch ehe dies geschah, packte man ihn an beiden Armen und schleppte ihn auf den Verhörhof, oder auch "Vorhof der Hölle" genannt. Es war ein weitläufiger Platz, umgeben von hohen Mauern mit Stacheldrahtaufsatz. Einschusslöcher und Blutspuren an den Wänden zeugten von grausamen Dingen, die hier passierten. Folter und Tod wohnten hier und Dietmar war heute Gast. "Herr ..... Herr Dietmar Tolpacz. Wir haben befunden, dass es besser für alle Beteiligte wäre, sie sozial auszugliedern. Doch da es ihnen selbst in einer Gefängniszelle gelingt, Schaden anzurichten, sehen wir uns aus Eigenschutz gezwungen, Ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Sie werden sehen, es ist besser so. Das Urteil wird sogleich vollstreckt. Fragen?" Dietmar wollte den Wunsch äußern, er möge doch zur wohlig warmen Verhörlampe zurückgeführt zu werden, als es krachte. Ein scheußlicher Schmerz durchfuhr sein rechtes Bein, doch die Titanstahllegierung, die durch die große Zahl seiner Unfälle als Ersatzknochen diente, ließ die Kugel abprallen und traf mit Gottes Präzision den Schützen selbst. Dietmar war erstaunt, wie schnell einem der Tod ereilen konnte und machte sich auf den Heimweg. Wie immer knöchelte er um und fiel in Glasvitrinen, stolperte über kleine Hunde und stieß dabei Mülleimer um, brachte Baustellengerüste zum Einsturz, zerbeulte Autos und sorgte bei eingestürzten Würstelbuden wörtlich für Straßenverkauf.

Dietmar Tolpacz hatte es aber wieder einmal geschafft, lebend nach Hause zu kommen. Hier tobte noch immer Verwahrlosung und Unordnung und man nimmt an, Dietmar Tolpacz, der Tollpatsch, hatte vor, mal so richtig aufzuräumen.... mit Vorurteilen und natürlich häuslichem Unrat. Und da dürfte es passiert sein. Eine kleine Unachtsamkeit vielleicht. Egal, den Häusereinsturz hatte niemand überlebt. Aber jetzt ist endlich Ruhe.
 



 
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