Zitat, verdecktes Zitat, Plagiat

TaugeniX

Mitglied
Liebe Kollegen,

ich versuche gerade eine "Mittelaltergeschichte" zu schreiben. In meinem Text tauchen viele Entlehnungen auf: von direkt zitierten Strophen eines Liedes und Splittern aus Psalmen, Gebeten und zur gegenständlichen Zeit viel gelesenen Kirchenvätern bis zu Bildern aus Visionen und asketischen Praktiken aus diversen Vitas und Beichtspiegeln, die zwar "verdaut" und in eigenen Wörtern wiedergegeben sind, aber natürlich auch angelesen, wie auch sonst alles, was man über diese Zeit weiß.

Wie geht man damit um? In einem Referat oder Facharbeit würde man klarerweise jedes Zitat mit Fußnote und entsprechender Quellenangabe ausstatten. Wie macht man es in einer Erzählung?

Danke im Voraus für eure Ratschläge
Darja
 

Ji Rina

Mitglied
Hier eine mögliche Antwort:

In historischen Romanen gibt man seine Quellen nicht in Fußnoten an, und solange man keine direkten Zitate aus Büchern verwendet, für die ein Verlag die Rechte hat, ist das Wiedergeben mit eigenen Worten auch völlig legitim. Man kann am Ende des Buchs seine wichtigsten Quellen angeben, muss es aber nicht tun.

(Ist bei einer Erzählung wohl auch so.)

Quelle: Von einer guten Freundin, die historische Romane schreibt.

Mit Gruss,
Ji
 

TaugeniX

Mitglied
Danke! Vielen Dank! Dann werde ich wohl ohne Fußnoten auskommen. Meine Quellen sind alle uralt, da kann ich mir nicht vorstellen, dass sich ein Verlag Rechte darauf sichern wollte.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Trotzdem würde ich am Ende die Quellen mit angeben. Im Werk selbst kann man gegebenenfalls verzichten.

Uralt bedeutet: Mindestens 70 Jahre nach dem Tod des Autoren - für bereits zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Texte. Wenn zum Beispiel Texte erst neu entdeckt und veröffentlicht werden, gelten andere Regeln.

Bei der Quellenangabe gegebenenfalls die Seite mit angeben.

Es mag kein Verstoß gegen das Urheberrecht sein, wenn Quellen nicht genannt werden. Jedoch Plagiate (wörtliche Zitate ohne Angabe der Quelle) sind verpönt. Dem entgehst Du durch Quellenangabe oder zumindest Angabe des Autors.
 

TaugeniX

Mitglied
Schau, Bernd, da wäre ein Stück Text als Beispiel:

Es war ein Kloster, dessen Name und Geist geradezu exemplarisch und göttlich genau auf ihre Verfassung und Gelüst geprägt waren, denn die Abtei hieß Via Dolorosa, - der Schmerzenweg. Als Ort der enthusiastischen Selbstkasteiung machte es seinem Namen alle Ehre: „auf dass ihre ganze Natur verwüstet werde“, haben sich die Schwestern in Abtötung und Einschränkungen des Fleisches überboten. Da ließ sich die Eine lederne Handschuhe anfertigen, die durch und durch mit spitzen Nägeln übersät waren, und trug sie zur Nacht, damit sie ihr Fleisch im Schlafe verletze, wenn ihr ein Dämon einflößen möchte es zu liebkosen. Sogleich holte sie aber die Nächste auf, indem sie ein härenes Unterhemd mit ebensolchen Nägeln versehen ließ und trug es zu Tage, sodass sie auch ohne dämonische Versuchung aus frischen Wunden blutete. Man hielt es auch in Selbstgeißelungen und Prostrationen auf vereisten Portalstufen athletisch, als würden die Schwestern um die Gust ihres Himmlischen Bräutigams einen Wettkampf auf „Kranz oder Tod“ bestehen wollen. Die Mutter Oberin, durch ihr greises Alter und der Gnaden Überlast gebeugt und selbst zur Mäßigung gezwungen, mahnte zwar hin und wieder zur tugendlichen Besonnenheit und eher geistiger denn körperlicher Übung, doch ohne Nachdruck, sodass diese Mahnungen dem Wettlauf des Leidens im Kloster nicht abträglich waren.

Mit Staunen und Bewunderung sah Irmgard ihren fortgeschrittenen Schwestern zu: kaum ein Tag verging, dass nicht eine von ihnen aus ihrer Selbstkasteiung oder mitten aus dem Stundengebet entrückt wurde und ihre Seele tota in Deum rapta in den Himmel aufstieg und den Körper schrecklichen Zuckungen und nachfolgender Lähmung überließ, die oft einige Tag anhielt. Als sie wieder zu sich kamen, sprachen sie wirr und erhaben von Dingen, die kein menschliches Wort erfassen kann. Überfüllt von Neugier, Bewunderung und hilflosem Neid fasste Irmgard die Mystikerinnen an den Händen und flehte sie um Bericht von dem, was Gott ihnen in Seiner Liebesnacht anvertraut. Doch sie redeten nur in wagen Bildern und wiesen darauf, dass der „unsagbare Gott“ in Seiner unendlichen Süße, die Er seinen Auserwählten schenkt, nicht erzählt werden kann, „so spreche ik gerne und ik enmag“. Als die Schwestern dann ihre Köpfe zusammentaten und in heller Begeisterung das Lied anstimmten:
du schoene minne von hoher gewalt
du jungert die sele, der lip wird alt

traute sich die Neue nicht mitzusingen, denn sie hat die schoene minne noch nicht erkannt.

Die Worte in kursiv sind aus zeitgenossischen Quellen zusammengezupft und zum Teil ins Neu-Deutsche übersetzt. Die Quellen selbst sind aus dem XII - XIV Jh., die Bücher, wo ich sie fand, aus dem frühen XX. Jh. oder noch ein bisschen älter. Was genau muss ich angeben? Und wie soll ich es kennzeichnen? Mit Fußnoten, die aber nicht auf der Seite, sondern alle ganz am Ende angeführt werden?

Danke im Voraus für die Hilfe
Darja
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist keine Rechtsberatung, die ich machen kann. Für die sehr allgemeinen sehr kurzen Zitate reicht es aus, am Ende ohne weitere Hinweise die Quelle anzugeben, denke ich.

Bei „du schoene minne von hoher gewalt
du jungert die sele, der lip wird alt“
würde ich es genauer machen, ich bin sicher, die Leser interessiert das, auch unabhängig von Plagiat oder nicht.

„Kranz oder Tod“ würde ich in einer Note hinten mit Quellenangabe beim ersten Auftreten erklären.

Hier ist ein Beispiel: https://books.google.de/books?id=Fz...historischer roman quellenverzeichnis&f=false
Der Roman selbst ist dort kostenlos in Auszügen zu sehen.
 
O

orlando

Gast
Liebe Darja,
um auf der sicheren Seite zu bleiben, könntest du an den Anfang der Erzählung ein prägendes Zitat setzen, etwa wie bei

http://www.leselupe.de/lw/titel-Vor-Einbruch-der-Nacht-124471.htm

in einem Roman auf einer Extra-Seite.
So wissen die Leser, worauf du dich im Folgenden beziehen wirst. Originalzitate innerhalb des Textes solltest du durch ein anderes Schriftbild markieren.
Zum Ende hin (und das auch nur bei langen Texten) empfähle ich eine lückenlose Quellenangabe. Lückenlos meint hier keine Auflistung - wie in wissenschaftlichen Arbeiten üblich - sondern eher: von Seite 25 - 34 ... (Quellenangabe).

Grüßle
orlando
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das ist ein guter Hinweis und ein guter Kompromiss.
Außerdem wäre vielleicht für einige Begriffe - sofern sie nicht im Text erklärt werden - eine Begriffserklärung nützlich.

Beispiel: Prostration - Was ist es?

Lasse Deinen Text unbedingt lektorieren.

mahnte zwar hin und wieder zur tugendlichen Besonnenheit und zu eher geistiger denn körperlicher Übung, (wegen fehlender Kongruenz)
 

TaugeniX

Mitglied
Danke, liebe Kollegen!

Jetzt weiß ich, in welche Richtung ich arbeiten soll. Es ist sicher ein Stück arbeit, das ganze Quellenzeug wieder zusammenzusuchen, aber nicht sehr schlimm.

Glaubt ihr, es hätte einen Sinn :)) würde Sinn machen), diese Geschichte nach und nach hier in die Schreibwerkstatt einzustellen? Ich habe nämlich einen Stoff angerissen, der mir selbst zwar sehr heimisch und selbstverständlich ist, aber nicht leicht aufzuschreiben. Ich weiß oft auch nicht, ob das eine oder andere Wort (wie eben Prostration) noch verständliches Deutsch ist oder nur für die "Erzkatholen" ein Begriff. (Prostration ist, wenn man sich mit kreuzformig ausgebreiteten Armen auf den Bauch wirft und über das Leiden Christi bzw. eigene Sünden kontempliert(?) meditiert halt)
 



 
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