Zugfahrt in die Vergangenheit

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Maribu

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Zugfahrt in die Vergangenheit

Als er vor sechs Monaten sein Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, wollte er endlich das nachholen, wovon er als junger Mann geträumt hatte.
Von Afrika hatte er genug, obwohl es ja auch sichere Länder und viele Sehenswürdigkeiten gab. Aber die Rivalität und Gewalt zwischen den verschiedenen Stämmen schreckten ihn davor zurück.
Außerdem hatte er in den vielen Jahren seiner Tätigkeit immer noch Rassismus gespürt.
Er bereiste Brasilien und Argentinien und aus beruflichem Interesse Venezuela. Danach flog er nach Nordamerika, wo er fast alle Nationalparks besuchte. Auch Alaska und Kanada ließ er nicht aus. Am besten gefiel ihm die raue Küste von Oregon mit den gewaltigen, bizarren Felsen, die ihn in "Hollywoodfilmen" schon fasziniert hatten. Zwei Monate hielt er sich in Kalifornien auf, wo ihm das Klima sehr gut bekam.
Nun war es an der Zeit, sein Land kennen zu lernen. Zuerst zog es ihn in das Heimatdorf, in dem er bis zum Abitur bei seinen Eltern gewohnt hatte. Nachdem er meistens geflogen und mit Mietwagen unterwegs gewesen war, gefiel ihm die Fahrt mit der Bahn außerordentlich gut. Abgesehen vom Speisewagen, wo er sich morgens und mittags mit Essen und Trinken versorgte, konnte er die Landschaft vom Fensterplatz aus genießen.
Nach dem Fahrplan musste sein Zielbahnhof bald erreicht sein.
Er zog sein Jackett über und schlenderte zum Gepäckstand, an dem bereits Gedränge herrschte. Kurz vor dem Einlaufen erwischte er seinen Trolly und war einer der ersten, der ausstieg. Er blieb vorm Ausgang stehen, um die Menschen an sich vorbeigehen zu lassen. Unter den ungefähr dreißig Personen war nicht ein bekanntes Gesicht.
Vor neunundzwanzig Jahren hielt ein sogenannter Personenzug nur zweimal am Tag, und eine Handvoll Menschen stieg ein oder aus. Der Ort mit dem damals zutreffenden Namen Schwandorf hatte sich zu einer Stadt entwickelt. - Nicht verwunderlich, dass ihm alles fremd erschien. Der Wald, der sich in der Nähe des Bahnhofs ausgebreitet hatte, war abgeholzt worden.
Eine Reihenhaus-Siedlung präsentierte sich und am Ende wurde sie sogar von Hochhäusern überragt. Jetzt wunderte er sich, dass er im Internet noch das 'Waldhotel' gefunden hatte.
Es hatte aber nur den Namen übernommen. Der graue Vorkriegsbau war einem modernen Gebäude in Turmform und einem großen Parkplatz gewichen. An der Rezeption saß anstelle des damaligen Inhabers eine junge Frau, die ihm den Schlüssel aushändigte.
Er duschte, zog sich frische Wäsche an und stellte den Koffer in den Schrank, ohne den Rest auszupacken. Jetzt war er doch ungeduldig, was ihn erwartete. Ob es den Block mit der Elternwohnung noch gab? Oder hatte man auch ihn abgerissen?
Sein halbes Leben lang war er nicht mehr hier gewesen. Zuerst die Jahre auf der Bohrinsel und dann als leitender Ingenieur in einer Nigeranischen Raffinerie.
Er hatte zwar schriftlichen Kontakt zu seinen Eltern gehalten, zu Geburtstagen auch angerufen, schaffte eine kurze Rückkehr aber nur zu ihren Beerdigungen.
Jetzt mit sechsundfünfzig Jahren hatte er genug Geld verdient, um sich aus dem Berufsleben zu verabschieden.
An die Straßennamen konnte er sich noch erinnern und trotz baulicher Veränderungen und Geschäften und Ampelanlagen, die es damals nicht gab, stand er nach einigen Minuten vor dem Mehrfamilienhaus. Die Bausubstanz muss wohl noch gut gewesen sein, denn es war gedämmt und durch vorgesetzte gelbe Klinker aufgewertet worden. Außerdem war das Dachgeschoss ausgebaut und zusätzliche Balkons geschaffen worden.
Voller Spannung sah er auf die Klingelschilder. Tatsächlich! Im dritten Stock gab es noch den Namen Hildebrandt.
Er hatte mit seinen Eltern im ersten Stock, und seine Freundin, mit der er schon im Kindergarten gespielt hatte, zwei Etagen höher gewohnt. Nachdem er in eine WG mit anderen Studenten gezogen war, bestand das freundschaftliche Verhältnis weiter. Sie trafen sich ein bis zweimal in der Woche und gingen ins Kino oder zum Tanzen. Er konnte aber ihre tieferen Gefühle nicht erwidern, war aber zu feige, es zu gestehen. Deshalb vertröstete er sie während der letzten Semester öfter und entschuldigte es mit wichtigen Klausuren.
Trotzdem hatte sie sich nach dem Ende seines Studiums Hoffnung auf eine Heirat gemacht. Und auch ihre Mutter sah in ihm den zukünftigen Schwiegersohn ihrer einzigen Tochter. Ihr Mann war an der Ostfront gefallen.
Aber sie war ihm zu vertraut und er wollte es als Nachbarschaftsverhältnis in Erinnerung behalten. Seine Abenteuerlust war stärker!
Über viele Monate bestand noch ein Briefwechsel, bis sie nicht mehr antwortete. Manchmal hatte er noch an sie gedacht und einen Brief formuliert, ihn aber nicht abgeschickt.
Sie hatte sich bestimmt mit einem anderen Mann getröstet.
Wenn er Urlaub hatte, kannte er Frauen nur aus Bordellen.
In Nigeria lebte er mit einer Afrikanerin zusammen, die ihn nicht liebte, aber auf sein Geld angewiesen war. Er wollte sie weiterhin finanziell unterstützen.
Er drückte den Klingelknopf. Nach einem kurzen Moment hörte er den Summer und drückte die Tür auf. Wie früher sprang er die Treppe hoch und stand tief Luft holend, vor Frau Hildebrandt.
Sie hatte sich kaum verändert, als wäre die Zeit spurlos an ihr vorbei gegangen. Sie lachte und sagte: "Na, Sie haben das aber eilig! Was wollen Sie mir denn aufschwatzen? Ich kaufe nichts an der Tür!"
Er lachte auch, es war aber mehr Verlegenheit. "Entschuldigen Sie bitte Frau Hildebrandt, dass ich Sie so überfalle! Sie erkennen mich bestimmt nicht mehr. Ich bin Ewald Hoyer. Ich habe hier vor vielen Jahren gewohnt und war mit Ihrer Tochter Margot befreundet."
Das eben noch lachende Gesicht wurde ernst, fast versteinert, und sie schloss die Tür sofort und erwiderte: "Nach dreißig Jahren kommst du hier unangemeldet raufgehetzt als könntest du das Wiedersehen nicht erwarten, und hast nichts als eine verschämte Entschuldigung! Geh weg! Hau wieder ab, du Abenteurer und Traumtänzer!" Plötzliche Stille.
Er hatte das Gefühl, dass sie weinte. Betroffen setzte er sich auf eine Stufe. Er wollte nicht sofort gehen, vielleicht würde sie noch etwas sagen. Er hörte ihre jetzt leise und traurige Stimme: "Meine Mutter wohnt hier nicht mehr. Die neue Adresse ist Reihe 41, Grabnummer 3167 neben deinen Eltern!"
 

Maribu

Mitglied
Hallo "anonym drei",
du bist doch eine feige anonyme Socke!
Dir muss ja mein Text nicht gefallen, aber eine "3" ist ja sowas von abgünstig!
Heckenschützen kotzen mich an!
Schreib doch wenigstens einen Kommentar, dann können wir uns auseinandersetzen!
Leider wird diese Entgegnung von der "Instanz" unterdrückt werden; weil sie selber nicht daran interessiert ist, Unruhe in der LL aufkommen zu lassen; was natürlich auch eine Art von Feigheit ist.
Wenn sie nicht dazu Stellung bezieht, werde ich in Zukunft keine Texte mehr in die Ll. `reinstellen.
Bei z. Zt. 4.839 Mitgliedern kann man natürlich auf mich verzichten, ich aber auch auf die Ll.! - Trotzdem wäre es schade, auf Autoren zu verzichten, die nicht nur ihre Texte
gelobt haben möchten, sondern auch konstruktive Kritik bei den Kollegen(innen) geben möchten. - "Jasager" gibt es genug!!!
Schönes Wochenende!
Maribu
 

Wipfel

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hi maribu,

reg dich nicht so auf, sonst bekommst du magendrücken. nicht wegen einer unkommentierten drei. das muss ich aushalten, wenn ich schreibe - ist schließlich auch eine art von kritik. feige? ach was, der/diejenige hatte bestimmt zuviel genippelt und ist irgendwie bei der bewertung verrutscht.

zu deinem text: eine drei würde ich nicht geben, jedoch auch keine acht. ich finde viele teile des textes lesen sich eher wie ein bericht. wo ist die spannung? dass der protagonist mal auf einer bohrinsel war?

beispiel:
Zwei Monate hielt er sich in Kalifornien auf, wo ihm das Klima sehr gut bekam.
Klingt wie aus einem Nachruf...
 



 
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