Zum 50.Geburtstag

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Gabriele

Mitglied
Zum 50. Geburtstag
oder:
Der aufhaltsame Aufstieg eines linken Intellektuellen

(überarbeitet)


Du bist auf die Welt gekommen
in ’nem kleinen Bauernnest,
fünfzig Jahre ist’s nun her –
heut’ ist dein Geburtstagsfest.

Vater war Fabrikarbeiter
in der nahen, großen Stadt,
drei Geschwister - gut behütet,
aber leider selten satt.

Eisern sparen - hieß es damals,
es war eine harte Zeit.
Doch du durftest aufs Gymnasium,
denn du warst ja blitzgescheit.

Braver Schüler, gute Noten -
so bis siebzehn, dann nicht mehr,
denn nun gab es and're Ziele -
die Revolution musst’ her.

Trotzdem wolltest du es wagen:
Auf die Uni zum Studieren!
Doch die Eltern sagten: „Sowas
können wir nicht finanzieren.“

Also hast du in den Nächten
Drinks in einer Bar serviert
und am Tag dann mit den Freunden
über Lenin diskutiert.

Und das Studium hat gedauert,
und es kostete viel Kraft,
doch mit Starrsinn und mit Ehrgeiz
hast du’s schließlich doch geschafft.

Deinen guten Studienabschluss
sah der Personalchef gern.
So begann dein steiler Aufstieg
in "nem namhaften Konzern.

Keine Rede mehr von Lenin!
Die Revolution war out,
denn nun wurde auch der Osten
marktwirtschaftlich aufgebaut.

Deine Freundin wurde schwanger,
drum zum Standesamt geschwind!
Auch die Gattin wollt’ Karriere,
darum blieb’s ein Einzelkind.

Das Gehalt, es stieg nun jährlich,
aber auch der Arbeitsfrust.
Stress und Burnout, sie zerstörten
die Gesundheit und die Lust.

Eine Deadline jagt’ die andre,
und nach all dem Leistungsdruck
half, wenn du am Abend heimkamst,
nur noch ein Beruhigungsschluck.

Trotzdem hast du durchgehalten,
jahrelang kein Krankenstand,
bis bei einer Abbauwelle
man dich auf der Liste fand.

Ja, nun hat es dich erwischt
bei ’ner Firmenfusion,
bist zu alt für ’n Arbeitsmarkt
und zu jung für die Pension.

Gib nicht auf! Du hast Talente,
nütze sie und mach was draus!
Scheiß auf alle Großkonzerne!
Alles Gute, altes Haus!
 

Gabriele

Mitglied
Zur Erläuterung:

Dieses Geburtstagsständchen richtet sich nicht an eine bestimmte Person. Es könnte aber sein, dass sich mancher Leser in Teilbereichen wiederfindet.
Ich habe überlegt, ob ich "Scheiß auf..." ausblenden soll (wegen der "Netiquette" und etwaiger entrüsteter Reaktionen...), finde aber, dass es einfach reingehört.
Gruß,
Gabriele
 

Montgelas

Mitglied
Re: Zur Erläuterung:

liebe gabriele,

ich finde die idee ganz gut, meine aber , dass der text hier auf eine seltsame weise durchrauscht.
die ignoranz in der lupe, gegenüber gesellschaftskritischen ansätzen in manchen texten, ist mitunter unerträglich.
formfehler in liebesgedichten z.b. werden sofort aufgegriffen und mit recht kritisiert.
auch dein geburtstagsgedicht enthält sicher kritikwürdiges, was formales angeht.

ein beispiel für die mangelnde rezeption gesellschaftskritischer texte:

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=56950


lass dich nicht entmutigen..
und feile noch an den versen ein wenig, oft holpert es..

rät
montgelas
 
K

Klopfstock

Gast
Hallo, Montgelas,
was die "Gesellschaftskritik" angeht, da hast Du recht.
Sie wird nicht so gerne angenommen. Kann mich noch erinnern,
daß ich in meiner "ersten Lupenzeit" ein kritisches Gedicht
auf die "Jugendverkultung" gemacht habe.Ein ziemlich bitterböses - Die Resonanz war ganz mager.......
Liebesgedichte sind mehr der Renner;)

Hier in diesem Gedicht finde ich, holpert es gewaltig
und wenn man schon Reime nimmt, dann sollten sie ausgearbeitet sein, sonst wirkt das ganze Gedicht
so "unfertig und zusammengekloppt". Gerade bei Gesellschaftskritik muß der Reim sitzen und "schlagen", den Inhalt also betonen.
Ohne Reime wäre es hier vielleicht besser, oder man
überarbeitet es. Ich weiß hier, was die Autorin sagen will -diese Ausführung erschlägt es aber, denn sie wirkt hilflos.
Jetzt fühle ich mich verpflichtet, mich zu entschuldigen,
weil es so hart klingt, was ich schrieb.
Aber ich finde, dieses Gedicht könnte besser sein -
wie, das muß die Autorin selber entscheiden.

Liebe Grüße
von Klopfstock;)
 
K

Klopfstock

Gast
Zum 50. Geburtstag

Du hast heut vor fünfzig Jahren,
in 'nem kleinen Bauernnest,
erstmals diese Welt erfahren -
Heut' ist dein Geburtstagsfest.

Vater, ein Fabrikarbeiter,
drei Geschwister - selten satt.
Doch du kamst, als Blitzgescheiter,
aufs Gymnasium dieser Stadt.

Braver Schüler, gute Noten -
so bis siebzehn, dann nicht mehr.
Bravsein hat sich jetzt verboten -
Du warst Revolutionär.

Auf der Uni, das Studieren -
gerne wolltest du es wagen.
"Doch, wer soll das finanzieren?"
hörte man die Eltern fragen.

Nun war Nachtarbeit dir Plage -
Drinks hast du in Bars serviert
und mit Freunden dann, am Tage,
über Lenin diskutiert.

Und das Studium hat gedauert,
fraß dir deine ganze Kraft -
doch mit Ehrgeiz untermauert,
hast du's schließlich doch geschafft.

Leicht war's Arbeit zu bekommen,
denn dein Abschluß, der war top -
Ein Global Player hat genommen,
dich - gab dir 'nen tollen Job.

Nun wich Lenin deinem Posten,
die Revolution war out -
denn nun wurde auch der Osten
marktwirtschaftlich aufgebaut.

Freundin schwanger!! - Welch Barriere!!
Trotzdem: Standesamt, geschwind!!
Doch auch Gattin wollt' Karriere,
drum blieb's nur beim Einzelkind.

Das Gehalt, das stieg nun jährlich -
mit ihm auch der Arbeitsfrust.
Langsam wurd' der Stress beschwerlich,
für Gesundheit und die Lust.

Eine Deadline jagt' die andern -
Und nach all dem Leistungsdruck,
half, ging es ans Heimwärtswandern,
nur noch der Beruhigungsschluck.

Trotzdem bliebst Du treu der Stelle -
jahrelang kein' Krankheitsstand.
Bis bei einer Abbauwelle,
man dich auf der Liste fand.

Nun erwischte es dich kalt,
bei der Firmen-Groß-Fusion -
Für den Arbeitsmarkt zu alt,
bist zu jung du für Pension.

Gib' nicht auf, du hast Talente -
nutze sie und mach' was draus.
Scheiß auf Großkonzerne, Rente -
Alles Gute, altes Haus!!!!



Habe mir gestern die "Mühe" gemacht, es reimlich etwas
zu verschlimmbessern, dabei habe ich mich weitgehend an
dem Originall orientiert;)
Vielleicht kann die Autorin etwas davon zur Anregung
gebrauchen - wenn nich war es mein hilfloser Versuch;);)

Liebe Grüße
von Klopfstock
 

Montgelas

Mitglied
das hast du gut gemacht !!

liebe klopfstöckin,

dein text ist ein sehr guter vorschlag.

dir einen vollreimenden sommertag
wünscht

montgelas
 
T

Thys

Gast
Hi Gabriele,

also ich erkenne darin mindestens zwei Dinge wieder:

1) Damals im Studium, hatte ich einen Komolitonen Marke Obermüsli. Lila Latzhose, entsprechende Haartracht inklusive aller restlichen Attribute, die man braucht, um seine Gesinnung vor sich her zu tragen (Nicht daß ich etwas gegen Gesinnungen hätte. Mich stört immer der Zwang, Gesinnungen mit Uniformen in die Welt tragen zu müssen). Aber siehe da oh Wunder! Mit Abschluß des Diploms hast Du den Kerl nicht mehr erkannt. Da kam er plötzlich daher mit Anzug, Schlips und kurzen, fein gescheitelten Haaren. Gelobt sei, was felxibel macht.

2) Da rackert der Mensch in einer dieser tollen Firmen, kloppt Überstunden, hängt sich richtig rein. Die Gründe mögen unterschiedlich sein. Karriere, Idealismus, Arbeit als Lebensinhalt... wer weiss. Das geht dann bis zu den von Dir beschriebenen Sympthomen. Nun erwarten sie naiverweise so etwas wie Dankbarkeit der Firma ihnen gegenüber, wegen des geleisteten Einsatzes. Aber weit gefehlt. Beim nächsten Kostensparprogramm springen sie über die Klinge. Verwunderlich dabei aber ist: Es gibt keinerlei Lerneffekt bei dem Betroffenen. In der nächsten Firma verhält er sich wieder genauso und denkt auch wieder, er würde für seinen Einsatz Dankbarkeit ernten.

Gruß

Thys
 

Gabriele

Mitglied
Hallo Montgelas,
danke für Deine aufbauenden Worte. Ich hab mir auch schon gedacht, dass ein solches Thema offenbar nur wenige Leselupenmitglieder zu interessieren scheint.
Umso mehr freut es mich, dass ja nun inzwischen doch noch einige Reaktionen eingelangt sind.
An den Versen werde ich sicher (auch mit Hilfe von Klopfis Anregungen) noch feilen.
Danke für den Link; ich werde reinschauen, wenn ich etwas mehr Zeit habe.
Lieben Gruß
Gabriele
 

Gabriele

Mitglied
Hallo Klopfstock,
Du hättest mich ruhig direkt mit Deiner Kritik ansprechen können, ich halte sowas schon aus. :)
Schließlich stelle ich meine Werke nicht in die LL, um Lob zu ernten, sondern um zu erfahren, wie sie auf anonyme kritische LeserInnen wirken und woran ich noch zu arbeiten habe.
Deine Version meines Gedichtes werde ich teilweise sicher beim Verbessern heranziehen, danke für die "Mühe"!
Einen schönen Tag wünscht Dir
Gabriele
 

Gabriele

Mitglied
Hallo Thys!
Ja, so eine "Mutation", wie Du sie unter Punkt 1) beschrieben hast, habe ich schon des öfteren beobachten können.
Danke für Deine Gedanken zum Thema!
Liebe Grüße
Gabriele
 
K

Klopfstock

Gast
Hallo, Gabriele,
ich sage es ehrlich, ich hatte nicht genug Mut dazu, obwohl ich schon hier war, als noch kein Kommentar von Montgelas
drunter stand. Ich kam mir so blöde vor, deswegen habe ich nichts geschrieben. Das ist eine undankbarer Posten, wenn man so hereinplatzt und gleich hier und dort meckert.
Eigentlich liegt mir so etwas gar nicht, aber bei Reimen
kann ich mich oft nicht beherrschen und will ewig "reinpfuschen", gegen mein Naturell. Da ich Dir fachlich nichts dazu sagen kann, hätte ich nur mein Beispiel vorzuweisen - und hier liegt die Gefahr, man könnte denken "da kommt sie wieder und will mir ihre
Verschlimmbesserung vor die Nase halten...die.....;):D)

Deswegen kam mir der Kommentar von Montgelas schon sehr
entgegen und ich war nicht so alleine mit der Meinung, daß
es holpert und daß es ungelenk ist.
Tut mir leid, daß ich nicht den Mut hatte Dich direkt
anzusprechen :(

Liebe Grüße
Klopfstock;)
 
S

Stoffel

Gast
Liebe Gabriele,

mir bleibt nicht viel zu sagen, Klopfstock hat ja schon gut vorgegeben.
Feil doch bissl dran, dann wirds sicher prima.
Ansonsten kann ich nur sagen...Die Gedanken, Verbesserungsvorschläge etc..der anderen bringen einen gut weiter.

lG
Stoffel
 

Gabriele

Mitglied
Re: Liebe Gabriele,

Liebe Stoffel, Klopfstock & Co!
Ich hab's nun noch einmal überarbeitet. Dabei habe ich bewusst darauf verzichtet, auch noch jeweils die erste und dritte Zeile in den einzelnen Strophen reimen zu wollen. Ich denke, darunter hätte der Inhalt zu sehr gelitten.
Bin schon gespannt auf Euer Echo...
Schönen Tag noch,
Gabriele
 
K

Klopfstock

Gast
Du bist auf die Welt gekommen
in ’nem kleinen Bauernnest,
fünfzig Jahre ist’s nun her –
heut’ ist dein Geburtstagsfest.

Vater war Fabrik[red]s[/red]arbeiter
in der nahen, großen Stadt,
drei Geschwister - gut behütet,
aber leider selten satt.

Eisern sparen - hieß es damals,
es war eine harte Zeit.
Doch du durftest aufs Gymnasium,
denn du warst ja blitzgescheit.

Braver Schüler, gute Noten -
so bis siebzehn, dann nicht mehr,
denn nun gab es and're Ziele -
[blue]die[/blue] Revolution musst’ her.

Trotzdem wolltest du es wagen:
Auf die Uni zum Studieren!
Doch die Eltern sagten: „Sowas
können wir nicht finanzieren.“

Also hast du in den Nächten
Drinks in einer Bar serviert
und am Tag dann mit den Freunden
über Lenin diskutiert.

Und das Studium hat gedauert,
und es kostete viel Kraft,
doch mit Starrsinn und mit Ehrgeiz
hast du’s schließlich doch geschafft.

Deinen guten Studienabschluss
sah der Personalchef gern.
So begann dein steiler Aufstieg
in [red]"[/red][blue]'[/blue]nem namhaften Konzern.

Keine Rede mehr von Lenin!
[blue]die [/blue]Revolution war out,
denn nun wurde auch der Osten
marktwirtschaftlich aufgebaut.

Deine Freundin wurde schwanger,
drum zum Standesamt geschwind!
Auch die Gattin wollt’ Karriere,
darum blieb’s ein Einzelkind.

Das Gehalt, es stieg nun jährlich,
aber auch der Arbeitsfrust.
Stress und Burnout, sie zerstörten
die Gesundheit und die Lust.

Eine Deadline jagt’ die andre,
und nach all dem Leistungsdruck
half, wenn du am Abend heimkamst,
nur noch ein Beruhigungsschluck.

Trotzdem hast du durchgehalten,
jahrelang kein Krankenstand,
bis bei einer Abbauwelle
man dich auf der Liste fand.

Ja, nun hat es dich erwischt
bei ’ner Firmenfusion,
bis zu alt für ’n Arbeitsmarkt
und zu jung für die Pension.

Gib nicht auf! Du hast Talente,
nütze sie und mach was draus!
Scheiß auf alle die Großkonzerne!
Alles Gute, altes Haus!

Hallo, Gabriele,
das ist schon gaaaaanz was anderes!!!
Habe noch ein paar Winzigkeiten blau angestrichen,
zum Verbessern des Rhythmus;)
Gut daß Du das mit dem "Global Player" in
"bei einem namhaften Konzern" ausgewechselt hast.
Klingt besser....

Liebe Grüße
von Klopfstock
 

Gabriele

Mitglied
Danke Irene,
Ich habe Deine letzten Tips übernommen.
Kleine Anmerkung: In Österreich ist der "Fabrikarbeiter" ein "Fabriksarbeiter". Ich weiß schon, der Word-Ortograph mag das nicht...:)
Liebe Grüße,
Gabriele
 
K

Klopfstock

Gast
Tut mir leid, liebe Gabriele, aber das konnte ich nicht wissen - aber warum auch nicht, tut der Bedeutung des
Wortes ja keinen Abbruch;);)

Dir einen schönen Tag
und ganz liebe Grüße
Irene;)
 



 
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