@ HFleiss
Meine Güte, HFleiss, ist das ne "schwere Geburt" mit Dir.
In Deinem Kommentar zu BlackPearl gibst Du teilweise zu, was ich behauptete, und danach streitest Du wieder ab und drehst Windmühlen-Flügel, statt beim Text zu bleiben.
[Als ich das Gedicht schrieb, war mir nach allem anderen zumute als nach Gedichteschreiben, irgendwas musste ich mir irgendwie von der Seele reden. Ich habe dann später versucht, den Text zu überarbeiten, habe aber festgestellt, dass er so, wie er war, ursprünglicher war. Heute würde ich das ganz anders schreiben, heute, in der Distanz. Das wäre ein völlig anderes Gedicht.]
Der Text ist, wie von mir geahnt, "unfertig", weil bei seinem Aufschreiben die zum "Verdichten" notwendige Distanz einfach noch nicht da war. Ich kenne diesen Effekt selbst sehr gut, und auch ich habe heute Dinge im Kopf, die ich bis auf Weiteres noch nicht "verdichtend" gestalten kann, weil sie mir noch zu nahe gehen.
Zum "Verdichten" braucht es eine bestimmte Distanz, und die ist auch noch bei jedem wohl verschieden.
Deinen Text "heute ganz anders zu schreiben" ist genau das, was ich Dir empfahl. Und, wenn dies gemacht wird, mitunter sogar öfter oder immer wieder, genau dann kann Schreiben therapeutisch werden. Indem man sich mit der Gestaltung solcher "Werke" scheinbar auseinander setzt, setzt man sich in Wahrheit mit sich selbst und mit dieser Sache in sich selbst tatsächlich intensiv zusammen.
Ich kann Dir sogar sagen, wann ein solches "Werk" dann wirklich fertig ist, die Alchemie des Ver->Dichtens, das ist sogar recht einfach: Wenn zB Du irgendwann nach vielleicht x-fachem Neuschreiben und Verändern und Zeitvergehen zu dem dann sehr gut erfühlbaren Punkt kommst (das geht gefühlsmäßig meist wie ein plötzliches Umklappen), wo Du innerlich mit dem Thema "fertig" bist, wenn das Thema Dir selbst "alt", "verbraucht", "uninteressant" vorkommt. Genau dann hast Du an dem Thema X fertig gestaltet, und die Sache wird Dich danach sehr lange nicht mehr beschäftigen, Du fühlst Dich dann wie "frei" davon, etwa so, als würde es Dich nie etwas angegangen sein, als hättest Du den betreffenden Text eigentlich gar nicht selbst geschrieben. Dein eigener Text wird Dir dann merkwürdig "fern" und "fremd".
Und dann ist die Verdichtung auch "gelungen", und zwar deshalb, weil Du dann mit Argumenten, bei denen Du voll und ganz dahinterstehst, den Text und seine Gestaltung auch verteidigen kannst, weil der letzte aller Texte über das Thema Dir selbst (suggestiv) plausibel ist. Es ist dann "ausgestanden", "fertig gelebt". Aus dem Prozess des Schreibens, Verarbeitens, Wiederschreibens, Wieder-Verarbeitens, aus diesem Prozess ist dann ein "fertiges" Standbild geworden, das in Deinen Augen (nicht für immer!), aber für sehr lange Zeit seine Gültigkeit behält.
Das Thema ist dann in Deinem Inneren "vom Tisch", weil es für Dich selbst vollgültig gestaltet wurde, weil es bis auf Weiteres nichts mehr dazu zu sagen gibt, weil alles gesagt und im Text ver->dichtet ist.
"Thema" -> "schreiben" -> durchkauen, variieren -> gestalten -> ver-dichten - das ist immer ein Prozess, und dieser Prozess ist erst dann zu Ende, wenn subjektiv erfühlt wird, dass er (bis auf Weiteres) zu Ende ist. Dann ist entweder das Thema "verbraucht" und subjektiv vollgültig gestaltet, oder man ist -in diesem einen Fall- am Ende seiner gestalterischen Fähigkeiten angelangt. All das fühlt man, und all das sind subjektive, sehr intime Vorgänge.
[Jedes Nachbessern nahm ihm das Eigentliche. Und so hatte ich mich dann entschieden, ihn völlig unüberarbeitet in die Leselupe zu stellen.]
Dies genau hatte ich vermutet.
[Vielleicht, schwarze Perle, wirken gerade die tiefgehenden Erlebnisse, wenn man über sie spricht, ohne dass man sich von ihnen entfernt hat, irgendwie seicht auf andere und reizen zum Lachen (oder Weinen).]
Nein, trifft nicht zu. Sie können, emotional sehr befangen, lediglich "naiv" wirken, im Sinne der Authentizität von Gefühlen, und alle diese sind animistisch. Lächerlich wirkt das aber nicht, und seicht überhaupt nicht, im Gegenteil, es erzeugt automatische, und mitunter starke Resonanzen beim Leser, er erlebt beim Lesen die Authentizität des Geschriebenen, weil unsere Gefühlsausstattung bei uns allen grundsätzlich gleich ist.
[Aber tu nicht jedes tiefe Gefühl als Seichtigkeit ab, Gedichte (nicht nur sie) leben nun mal von Gefühlen, und die sind eben nicht immer chemisch gereinigt.]
Dein Text, und das genau war meine Kritik, enthält keinen Ausdruck, keine Gestaltung tiefer Gefühle, sondern oberflächliche "Gemeinplätze", die ich als Klischees etikettiert habe. Und ich habe daraus geschlossen, dass Du also beim Aufschreiben mit dem Thema noch so eng befasst warst, dass es Dich -scheinbar Dir selbst nicht bewusst- derart noch belastete, dass Du auf auffallend gefühlsferne Klischees ausweichen musstest um beim Aufschreiben das Thema überhaupt auszuhalten.
[Wichtig ist, dass sie von innen kommen und nicht aufgesetzt sind]
Ich habe nicht gemeint, dass diese Klischees von Dir absichtlich "aufgesetzt" sind, sondern - siehe Abschnitt vorher. Du hast beim Auschreiben daran gelitten, das dann -wahrscheinlich aus der Verdrängung heraus- wieder aktualisierte Thema aushalten zu müssen.
[Übrigens geht es bei dem ganzen Gedicht überhaupt nicht um Eifersucht (wie Waldemar meint), und gerade die letzten Zeilen (Und jemand, so sagte man mir, war bei ihm) haben etwas von dem Ding dazwischen, etwas Uneindeutiges, es schließt viele Möglichkeiten ein, andere nennen es Ambivalenz (mit einem Hieb ins Negative). Aber genau diese Sicht ist gewollt, und zu ihr stehe ich auch noch heute.]
Das Thema des Textes ist zweifellos NICHT Eifersucht, habe ich auch nicht gesagt, aber sie spielt mit eine Rolle, wenn auch (resignativ) nur angedeutet.
Die Sicht, zu der Du auch heute noch stehst, besser: das tiefe Gefühl der Ambivalenz, das bestätigt doch genau meine Ahnung, dass Du mit dem Thema weder denkerisch, noch emotional, und deshalb auch gestalterisch nicht "fertig" bist. Ambivalenz ist nicht ein Endpunkt des Ver->Dichtens, sondern ein (vorübergehendes) Stocken dieses Prozesses, das man durch weitere Arbeit, auch weiteres Gestalten am Thema "aufknacken" kann und muss.
-----
[Du schreibst, dass sich jede Trauer z. B. bei der jeder Person individuell auswirkt, du redest von „wechselwirken“. Recht hast du. Beachtest aber deine eigenen Worte nicht, denn du verlangst (zumindest indirekt), dass ich genauso schreibe, wie du es schreiben würdest oder wie du dir vorstellst, dass man es schreiben müsste. Nichts von Individualität, im Gegenteil, du negierst das Individuelle. ]
Siehe weiter oben. Ein jeder kann deshalb erfühlen, ob jemand anderem die Darstellung von Gefühlen gelungen ist, weil wir alle mit den genau gleichen Gefühlen geboren werden. Die Möglichkeit emotionaler Resonanz, Empathie, sich in andere hineinversetzen zu können, anhand von sich selbst ein sehr gültiges Modell auch von anderen zu haben (nicht 100%, aber wohl 95%), das ist die Grundlage überhaupt aller Kommunikation.
Wenn Du mir zB eine als "Liebe" behauptete Befindlichkeit in Form von Hass darstellen würdest, kann ich Dir auch unbekannter Weise spiegeln, dass entweder Deine Darstellung nicht stimmt, oder dass Du deine Befindlichkeit in Form der (psychologischen) Umkehrung ausdrückst, wofür Du dann aber plausible Gründe mitliefern müsstest, damit es authentisch wird. Ich kenne Deine und jedes anderen Gefühle schlicht deshalb, weil sie meinen eigenen zu ~ 95% genau gleich sind.
Mir ist bei dieser Behauptung völlig klar, dass sie kontra-intuitiv ist, genau das Gegenteil dessen, was man naiver Weise annimmt, gelten gerade "Gefühle" doch als außerordentlich intime Teile jedes "Ich".
Diese angeborene emotionale Gleichheit ist indes die Grundlage des inner-artlichen Verstehenkönnens bei Mensch und allen anderen Lebewesen.
Eine gestörte Emotionalität ist genau das, was wir als "geisteskrank" erleben, weil dabei ihre Nachvollziehbarkeit für Außenstehende aufgrund der Störung aufgehört hat.
[Wenn du den Vers „Wie zuvor Körper an Körper“ aufgreifst, tust du es entschuldige – als Verzichtsethiker.]
So falsch kannst Du mich gar nicht verstanden haben. Ich bin alles andere als ein "Verzichtsethiker", ich bin viel eher Hedonist, und mit konventionellen "den Ethiken" habe ich nicht viel am Hut, jedenfalls mit den meisten von ihnen nicht, soweit sie herbei gekünstelt sind, aus politischen usw. Gründen.
[Aber dass du mir als Autorin (ich bitte um Beachtung des LI) vorwirfst, egoistisch zu sein, weil ich über meinen Schmerz in meinem Gedicht spreche, widerlegt sich selbst.]
Ich habe von "egoistischen Texten" gesprochen, das betrifft die Darstellungsweise, nicht die Autorin, oder diese jedenfalls nur indirekt als Verursacherin solcher Texte, wozu sie allerdings vielerlei Gründe haben kann.
[Ich halte es, im Gegensatz zu dir, für entscheidend, weshalb man eigentlich schreibt.]
Die jeweilige Motivation zum Schreiben beinflussst zweifellos das Schreiben. Kein vernünftiger Mensch würde das bestreiten wollen. Ich auch nicht!
[Derjenige, der lebt, um zu schreiben, schreibt um eines Vorteils willen, vielleicht auch zur Erhaltung seiner Existenz. Er könnte allerdings auch, ohne dass ihm etwas mangeln würde, mit der Dampframme arbeiten (und dabei vielleicht sogar mehr verdienen). Das Geschwätz (Ich kann nicht leben, ohne zu schreiben, ach) lasse ich mal außer acht. Derjenige aber, der schreibt, um zu leben, dem geht es an (um?) die physische und psychische Existenz. Schreiben ist sein Ausweg, da gibt es unendlich viele Dichterschicksale, denk nur mal an die Exilliteratur, auch wenn für sie die Antriebe des Schreibens sehr differenziert waren. Insofern ist für mich die Unterscheidung, weshalb jemand schreibt, sehr wichtig.]
Ja, so kann man es sagen. Und ? Was willst Du damit mitteilen? Zu welcher der beiden Gruppen zählst Du Dich?
(Ich schreibe aus Freude, kein Geld, keine "höheren Absichten", bin ein "Lustschreiber", denn ohne Lust dazu gelingt mir nichts, beim Schreiben nicht, und im Alltag eigentlich auch nichts wirklich Gescheites. Das äußerliche Funktionieren ist etwas anderes.)
[Ob ich jemals einen neuen Text zu diesem Thema schreibe – das, lieber Waldemar, wird die Zukunft zeigen.]
Dies solltest Du tun. Zu Deinem eigenen Nutzen, und das nutzt dann auch Deinen Texten. Insofern sind wir wieder beim "Egoismus" angelangt, denn "andere zu lieben" heißt nichts anderes, als sich selbst zu lieben, sich annehmen zu können, sich mit sich selbst auseinander zu setzen und sich immer wieder neu "ab-klären" zu können. Dieses "Abgeklärtsein" bzgl. des Themas, die (sichere) Distanz, die Gestaltung erst ermöglicht, das vermisse ich in Deinem Text.
Auch ein Bildhauer muss außerhalb(!) seines beabsichtigten Werkes -getrennt von ihm- für sich erstmal einen sicheren Stand beziehen, sonst kann er das außerhalb von ihm liegende Material nicht bearbeiten. Oder: Man muss schon über dem Meer fliegen, um seine Ausdehnung richtig ermessen zu können. Insofern ist Distanz die Voraussetzung zu jedem Gestalten.
PS: Es könnte der Kommunikation hilfreich sein, wenn Du jedesmal, falls Du Dich in meinen Kommentaren angesprochen fühlst, Dir vorstellst, ich würde "Susi Schmidt" ansprechen. Auch hier: Distanz halten um neutral und unvoreingenommen, un-betroffener besser verstehen zu können.