Zwischen den Katastrophen

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ENachtigall

Mitglied
Zwischen den Katastrophen

Brände legen die Sonnen
in die Schlupfwinkel unserer Zärtlichkeit.

Auf der Mauer bricht sich das Licht
in abgebrochen einbetonierten Flaschen gewagt den Hals;
selbst ungeschoren kommt keiner davon.

Schirmherrschaften bieten Schutz an:
empfehlen zur vorsorglichen Blässe den Neid und Faktoren.
Sie steigen im Kurs wie neue Heilige.

Auf der Lauer nach Souterrains
spreche ich mit Kellerasseln
über ihr Schattendasein.

Ins Vertrauen gezogen gesteht ein Arzt
er krebse doch selbst um den heißen Brei
und errötet dabei verlegen unter dem Teint.

Ein Cabrio hätte ich gern im Wohnzimmer stehen.
Entspannt lehnte ich mich darin zurück
und inszenierte Normalität.

Die Eisdielen haben Hochkonjunktur.
Was machen Rosinenpicker bloß ohne Malaga?
Es ist doch längst aus der Mode…

Auf einer Gartenbank träumt von Mäusen
die Katze: ihre Pfoten zucken verspielt unterm Fell.
Doch in meinem Strohhut, versteckt an der Schleife,
sitzt `ne kleine Wanze.




(Aus aktuell meteorologischem Anlass und wegen guter Führung aus der Anonymität entlassen.)
 

Cosi

Mitglied
Die Bilder gefallen mir, die du entstehen lässt.
Die inhaltliche Aussage würde sich gänzlich ändern,
aber ich hätte den zweiten, vierten und fünften Absatz
weggelassen. Ist aber wie alles im Leben, einfach Geschmackssache.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Cosi,

danke für deinen schnellen ersten Eindruck. Ich habe daraufhin noch etwas daran gebastelt. Vielleicht konnte ich ein wenig Sperrigkeit herausnehmen.
Inhaltlich soll die Aussage bleiben, dass die schleichende, noch verdrängte Bedrohlichkeit unserer Sonne schlecht in Einklang zu bringen ist mit unserer Sommersehnsucht und den eingefleischten Gewohnheiten.

Schönes Wochenende wünscht

A.
 

Cosi

Mitglied
Hallo A,

sperrig habe ich die erste Version nicht empfunden.
Als Leser haben mich deine Zeilen berührt.
Mit der inhaltlichen Aussage hinterlässt du mich, auch
in der überarbeiteten Version, ziemlich nachdenklich.

Verständnisfrage: Warum hast du hier auf den Zeilenumbruch verzichtet?
"legen die Sonnen Brände in die Schlupfwinkel unserer Zärtlichkeit."

ein erholsames WE wünscht Cosi
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Cosi,

weil ich finde, der Umbruch bringt die Bedrohlichkeit - durch die Verzögerung in der Wahrnehmung - nicht so gut rüber.
 

Cosi

Mitglied
Hallo A,

die Verzögerung der Wahrnehmung, auch beim Lesen,
ist doch von dir gewollt. Sofern ich das richtig verstanden habe. Wenn es eine schleichende, noch verdrängte Bedrohlichkeit ist, so würde ich den Zeilenumbruch am Anfang belassen und eher im weiteren Verlauf darauf verzichten.
 
D

Denschie

Gast
hallo a.,
zwar wäre ich von selbst (ohne deine erklärungen im
ersten kommentar) niemals auf die bedrohlichkeit der
sonne als thema dieses gedichts gekommen, aber selbst
mit der information im hinterkopf ist es noch toll.
mir gefielen die bilder in ihrer eindringlichkeit, das
spiel mit diesem kinderlied, die drohende gefahr vor
irgendetwas - des menschen vor sich selbst oder wie
auch immer. das hast du sprachlich interessant und phanta-
sievoll rübergebracht, finde ich.
lg, denschie
 

ENachtigall

Mitglied
liebe Denschie,

die drohende gefahr vor
irgendetwas - des menschen vor sich selbst oder wie
auch immer
.
genau das ist das hinterlistige Störmanöver unserer vermeintlichen Oasen, das ich hier beschreiben wollte.
Wir haben so viel verdorbene Erbmasse (Nachkriegsschuld, Umweltzerstörung, Soziale Vereinsamung, Erste Welt Sünden,u.s.f.) von unseren Vorgenerationen übernommen und führen sie oft ungewollt oder unreflektiert einfach in eine gerade angezeigte Richtung weiter, verwalten sie, mehr schlecht als recht; und schon wieder ist Sommer und die Ozonwerte so hoch, so schädlich die Strahlen, doch so attraktiv die Bräune, die Autos so stinkig aber irgendwie praktisch unverzichtbar. Manchmal muss ich mich mit Lullabies oder Kinderreimen beruhigen, damit mir davon nicht schwindelig wird. So sehr ich mich bemühe "Rückgrat" zu bewahren, betreffs meines Verhaltens, um so mehr habe ich das Gefühl, die Erde dreht sich mittlerweile so schnell, dass ich abknicke.
Ich danke Dir sehr für Dein intuitiv richtiges Verstehen.

herzlichen Gruß
Anonyminchen
 



 
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