Zwischen zwei Zügen

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Zwischen zwei Zügen


Der Zug sollte längst in Treuchtlingen sein, aber tatsächlich war er erst kurz vor Donauwörth. Dabei musste er doch in Treuchtlingen unbedingt den Regional-Express nach Würzburg erreichen. Sonst käme er nicht mehr nach Uffenheim.

Er bereute, München nicht einen Zug früher verlassen zu haben. Dann aber hätte er seinen Abteilungsleiter bis Montag vertrösten müssen. Und wie schwer tat er sich mit einem Nein – gegenüber dem Vorgesetzten wie gegenüber den Eltern.

Wer ist dir wichtiger, deine Eltern oder ich – so hatte sich seine Freundin Heike am vergangenen Sonntag auf dem Nürnberger Hauptbahnhof von ihm verabschiedet. Dabei hatte er es ihr lang und breit erklärt. Konnte er denn etwas dafür, dass seine Eltern den, wie sie sich ausdrückten, überfälligen Besuch angemahnt hatten?

Die Lichter von Treuchtlingen zogen am Zugfenster vorbei. Er trat an die Tür und ließ den Bahnsteig an sich vorüberziehen. Zu spät – der Zug war weg, für jetzt und auch für später. Denn an diesem Tag fuhr kein Zug mehr nach Uffenheim.

Er stieg aus und nahm sein Handy zur Hand, um bei seinen Eltern anzurufen, doch er zögerte. Vielleicht gab es ja für ihn doch noch einen Ausweg, oder es kam ein Sonderzug oder ein gestrandeter Schnellzug. Er wanderte auf dem schneebedeckten Bahnsteig auf und ab; nach einiger Zeit lief er in die Bahnhofshalle und blieb vor einem Ständer mit Ansichtskarten stehen. Wenigstens der Kiosk hatte noch geöffnet.

Als Kind war er, wenn er mit seinen Eltern unterwegs war, öfters in Treuchtlingen umgestiegen. Damals hatten dort noch Schnellzüge gehalten, jetzt hielten nur noch Bummelzüge. Und glich nicht auch sein Leben viel eher der Regional-Bahn als dem ICE … mit Halt in Muhr am See, Triesdorf und Oberdachstetten?

Er zog sein Handy hervor und rief bei den Eltern an. Seine Mutter nahm das Gespräch entgegen. Machte ihm Vorwürfe, nicht einen Zug früher gefahren zu sein. Überhaupt sei er schon vier Wochen nicht in Uffenheim gewesen. Er sagte ihr zu, am folgenden Tag mit dem Frühzug zu kommen. Doch inwendig ballte er die Faust.

Er zog eine wellig gewordene Ansichtskarte von Treuchtlingen aus dem Ständer und kaufte sie, um notfalls seiner Mutter nachweisen zu können, dass er in wirklich Treuchtlingen gestrandet war.

Als er mit seinem Trolley wieder den Bahnsteig erreichte, ertönte die Zugansage. Ein ICE nach Nürnberg halte außerplanmäßig in Treuchtlingen, hieß es.

Er steckt das Handy in seinen Trolley und steigt ein. Nein, er fährt nicht nach Uffenheim, heute nicht und auch nicht morgen. Er adressiert die Ansichtskarte an seine Mutter und wirft sie, ohne etwas auf sie zu schreiben oder sie zu frankieren, kurz vor Heikes Wohnung in einen Briefkasten.
 

Duisburger

Mitglied
Hallo,

vorab:
Der Zug sollte längst in Treuchtlingen sein, aber tatsächlich war er erst kurz vor Donauwörth. Dabei musste er
Hier hört es sich so an, als müsste der Zug den anderen Zug in Donauwörth erreichen und nicht der Fahrgast. Will sagen: Etwas unglückliche Satzstellung (Bezug).

Dann fällt die eklatante "er"-Lastigkeit auf, die mir das Lesen doch verleidet:

Der Zug sollte längst in Treuchtlingen sein, aber tatsächlich war er erst kurz vor Donauwörth. Dabei musste er doch in Treuchtlingen unbedingt den Regional-Express nach Würzburg erreichen. Sonst käme er nicht mehr nach Uffenheim.

Er bereute, München nicht einen Zug früher verlassen zu haben. Dann aber hätte er seinen Abteilungsleiter bis Montag vertrösten müssen. Und wie schwer tat er sich mit einem Nein – gegenüber dem Vorgesetzten wie gegenüber den Eltern.

Wer ist dir wichtiger, deine Eltern oder ich – so hatte sich seine Freundin Heike am vergangenen Sonntag auf dem Nürnberger Hauptbahnhof von ihm verabschiedet. Dabei hatte er es ihr lang und breit erklärt. Konnte er denn etwas dafür, dass seine Eltern den, wie sie sich ausdrückten, überfälligen Besuch angemahnt hatten?

Die Lichter von Treuchtlingen zogen am Zugfenster vorbei. Er trat an die Tür und ließ den Bahnsteig an sich vorüberziehen. Zu spät – der Zug war weg, für jetzt und auch für später. Denn an diesem Tag fuhr kein Zug mehr nach Uffenheim.

Er stieg aus und nahm sein Handy zur Hand, um bei seinen Eltern anzurufen, doch er zögerte. Vielleicht gab es ja für ihn doch noch einen Ausweg, oder es kam ein Sonderzug oder ein gestrandeter Schnellzug. Er wanderte auf dem schneebedeckten Bahnsteig auf und ab; nach einiger Zeit lief er in die Bahnhofshalle und blieb vor einem Ständer mit Ansichtskarten stehen. Wenigstens der Kiosk hatte noch geöffnet.

Als Kind war er, wenn er mit seinen Eltern unterwegs war, öfters in Treuchtlingen umgestiegen. Damals hatten dort noch Schnellzüge gehalten, jetzt hielten nur noch Bummelzüge. Und glich nicht auch sein Leben viel eher der Regional-Bahn als dem ICE … mit Halt in Muhr am See, Triesdorf und Oberdachstetten?

Er zog sein Handy hervor und rief bei den Eltern an. Seine Mutter nahm das Gespräch entgegen. Machte ihm Vorwürfe, nicht einen Zug früher gefahren zu sein. Überhaupt sei er schon vier Wochen nicht in Uffenheim gewesen. Er sagte ihr zu, am folgenden Tag mit dem Frühzug zu kommen. Doch inwendig ballte er die Faust.

Er zog eine wellig gewordene Ansichtskarte von Treuchtlingen aus dem Ständer und kaufte sie, um notfalls seiner Mutter nachweisen zu können, dass er in wirklich Treuchtlingen gestrandet war.

Als er mit seinem Trolley wieder den Bahnsteig erreichte, ertönte die Zugansage. Ein ICE nach Nürnberg halte außerplanmäßig in Treuchtlingen, hieß es.

Er steckt das Handy in seinen Trolley und steigt ein. Nein, er fährt nicht nach Uffenheim, heute nicht und auch nicht morgen. Er adressiert die Ansichtskarte an seine Mutter und wirft sie, ohne etwas auf sie zu schreiben oder sie zu frankieren, kurz vor Heikes Wohnung in einen Briefkasten.
Ansonsten finde ich den Text recht unspannend und die Wendung am Ende voraussehbar. Da ist nichts, was der Text in mir längernachwirken lassen würde.

lg
Uwe
 



 
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