Zwölftes Märchen: Vom Überfall auf die Hexe

VikSo

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Zwölftes Märchen: Vom Überfall auf die Hexe

Tick. Tack. Tick. Tick.
Kling kling. Dudelu.
Tick. Tack. Tick.
„Praxis Doktor Faber?“
Der dritte Anruf in zehn Minuten. Kai blickte von dem Lifestyle-Magazin auf, in der er mit wenig Interesse geblättert hatte. Seit einer Stunde. 360 Sekunden.
Tick. Tack. Tick.
Alle Viertelstunde setzte der Sekundenzeiger eine Sekunde lang aus. Dann normal weiter. Vier fehlende Sekunden in jeder Stunde. 96 Sekunden pro Tag. 672 Sekunden pro Woche. Bei 30 Tagen ging die Uhr pro Monat 2880 Sekunden nach, 48 Minuten. Bei 31 Tagen waren es 49,6 Minuten. 44,8 im Februar, außer es war Schaltjahr.
Kai hatte die Zeit, sich derlei müßigen Betrachtungen hinzugeben. Er wartete. Seit einer Stunde und vier Minuten saß er eingezwängt auf einem orangen Wartezimmer-Plastikstuhl, dessen harte Sitzschale an seinem Hintern drückte. Seine Beine hatte er lang von sich gestreckt. Zwei Plätze neben ihm kauerte eine weiß gelockte Dame, die sich irgendwo in der Zone zwischen dem sechzigsten und dem einhundertsten Lebensjahr befand. Ansonsten war der Warteraum leer. Die isolierten Fenster hielten die Geräusche der Straße fern. Das Ticken der Uhr klang wie Hammerschläge. Tick. Tick. Tack. Tick. In den vergangenen 64 Stunden hatte der Sekundenzeiger viermal ausgesetzt. Einundzwanzig mal hatte das Telephon geschellt. Kling kling. Dudelu. Wenn es gerade nicht klingelte, hockte die Sprechstundenhilfe auf ihrem rückenfreundlichen Bürostuhl, beugte sich über einen Stapel Akten und tippte unter der Tischplatte auf den Touchscreen ihres Handies ein.
Kai starrte wieder auf die Seite seiner Zeitschrift, die er seit nunmehr 65 Minuten nicht umgeblättert hatte.
„Herr Grimm bitte!“
Erschrocken sprang Kai auf. Tatsächlich, er wurde aufgerufen. Zögerlich steuerte er auf das Sprechzimmer zu. Er wich einer Kaugummi kauenden Mutter aus, die ihm mit ihrem Kaugummi kauenden Kind entgegen kam, um sich schließlich unbehaglich auf dem Besucherstuhl nieder zu lassen. Ihm gegenüber saß ein professionell freundlich lächelnder Mann Mitte 30. Kai kannte diesen Doktor Faber nicht. In seiner Kindheit war diese Praxis von „Onkel Klaus“ geleitet worden, einem etwas vergesslichen Herrn, der ihm bei jedem Besuch einen höchst ungesunden Dauerlutscher zugesteckt hatte. In der Zwischenzeit war Onkel Klaus in den Ruhestand gegangen und hatte die Räumlichkeiten samt Patientenstamm an diesen jungen Mann abgegeben, einen „Neuankömmling“ in der Stadt. Irgendwie beruhigte es Kai, dass Faber nicht schon seit Jahrzehnten zur Dorfgemeinschaft gehörte. Obwohl ihm dessen Barfußschuhe und die Jogginghose, die unter dem weißen Kittel hervor ragte, zugegebenermaßen suspekt vorkamen. Es folgte ein wenig höflicher Smalltalk, um das Eis zu brechen. Dann die Frage: „Was führt Sie zu mir?“
So präzise und knapp wie möglich erzählte Kai, was ihn beunruhigte. Gelegentlich suchte er beschämt nach Worten, die seinen Bericht nicht ganz so verrückt erscheinen ließen. Währenddessen wand er, entgegen seiner Gewohnheit, nervös seine Finger.
Schließlich fragte der Arzt stirnrunzelnd: „Wenn ich Sie also richtig verstehe: Sie leiden unter einer Art Tick, der sie dazu zwingt, Geschichten zu schreiben. Und das Ganze begann nach der Einnahme mutmaßlich halluzinogener Substanzen?“
Nicken.
Ein skeptischer Blick über die randlose Brille hinweg. „Darf ich fragen, welcher Art diese Geschichten sind? Ich meine, spielen Sie selbst eine Rolle darin oder Personen, die Sie kennen? Wissen Sie, manchmal bewältigen wir eine unangenehme Realität durch...“
„Ich kenne Freud, vielen Dank.“ Kai wedelte durch mit der Hand durch die Luft. „Genau genommen ist es bis jetzt nur eine Geschichte. Ein Märchen, wie sie mir mein Großvater immer vorgelesen hat. Hexen. Zwerge. Prinz mit Pferd. Solche Sachen. Dinge, die ich mir definitiv so nicht ausdenken würde. Und das ist das Seltsame.“
„Das Ihre Phantasie größer ist, als Ihnen bewusst war?“
Kai schüttelte vehement den Kopf. „Es ist keine Phantasie. Wenn ich schreibe, dann fühlt es sich nicht so an, als dächte ich mir das aus. Eher, als... erinnerte ich mich. Als sähe ich die Szenen leibhaftig vor meinen Augen, aber nicht wie ein Traum, sondern wie die Realität.“
„Sie glauben, dass Sie das selbst erlebt haben?“
„Nein!“ Kai raufte sich die Haare.
„Es ist eher so... Ich weiß nicht... Kennen Sie das, wenn Sie einen Film schauen und auf einmal, bei einer bestimmten Szene, denken Sie: Ich weiß genau, was gleich passiert!“
„Was Sie beschreiben, ist ein Dejá-Vu.“ Faber nickte verständnisvoll. „Dabei handelt es sich aber um keine echte Erinnerung, sondern um einen Trick, den Ihr Gehirn sich selbst spielt.“ Der Doktor streckte sich. „Nun, wie dem auch sei – Ich rate Ihnen, fürs erste ruhig zu bleiben. Sie durchleben eine emotional stressige Phase nach dem Tod Ihres Großvaters. Vermutlich sind die Märchen das, was Ihr Unterbewusstsein am meisten mit ihm verbindet. Deswegen nähern Sie sich ihm, indem Sie den Faden der Geschichten weiter spinnen. Das ist eine Art Therapie, die sich Ihr Geist selbst verschreibt. Zugegeben eine ungewöhnliche, aber darüber mache ich mir noch keine Sorgen. He – wer hat behauptet, dass die Seele bei ihrer Selbstheilung nicht ein bisschen kreativ sein kann? Entspannen Sie ein paar Tage. Machen Sie lange Spaziergänge. Treffen Sie Freunde. Sie haben doch welche, die hier in der Stadt wohnen? Und wenn dieses Phänomen nach zwei Wochen immer noch andauert, dann besuchen Sie mich.“ Mit diesen Worten sprang der Doktor schwungvoll von seinem Sessel auf. „Nun, das wär's fürs erste. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ach, und richten Sie Ihrer reizenden Mitbewohnerin meinen Gruß aus.“
Einen Moment lang spürte Kai dem Eindruck nach, jemand hätte ihm einen Schlag in die Magengrube gegeben. „Ach – Sie kennen Viola?“
Faber grinste. „Außer dem örtlichen Zahnarzt sind wir die einzigen beiden Mediziner im Umkreis von 15 Kilometern. Natürlich kennen wir uns.“
„Natürlich.“
„Wir haben gemeinsam studiert. Soweit ich weiß, sind wir sogar entfernt verwandt.“ Mit einer ausladenden Geste öffnete Faber die Tür und komplimentierte seinen Patienten hinaus. „Ach und“, fügte er noch hinzu, „geben Sie ihr Ihre Geschichten doch mal zu lesen. Sie ist eine kompetente Ärztin und kennt Sie besser als ich. Vielleicht kann sie Ihnen ja mehr helfen.“
Klar. Viola weiß ganz genau, was mit meinem Geschreibsel zu tun ist.
„Danke, Doktor. Sie haben mir sehr geholfen. Ich richte Ihren Gruß aus. Auf Wiedersehen.“

Als Kai die Küche betrat, stand Viola am Herd und rührte in einer Pfanne, aus der es nach Hackfleisch und Zwiebeln roch. Beim Geräusch seiner Schritte begrüßte sie ihn lächelnd. „Wie war dein Tag?“
Er betrachtete sie einen Moment. Also schön, dachte er sich, wenn ich den Wahnsinn denn mit Wahnsinn bekämpfen soll. „Aufschlussreich. Was gibt es zu Essen?“
„Spaghetti Bolognese. Dauert noch eine halbe Stunde. Möchtest du ein Glas Rotwein?“
„Kann nicht schaden.“
Sie zuckte die Braue. „Du wirkst missgestimmt. Irgendwelche unerfreulichen Ereignisse?“
„Ach, nur ein Zusammenstoß mit einem Drachen, Merlin wollte mir am Telephon einen Spitzhut andrehen und die Kobolde stibitzen ständig das Kleingeld aus meinem Portemonnaie – das übliche eben.“
Mit einem Grunzen wandte Viola sich ab. Trotzdem hatte Kai das Grinsen in ihrem Gesicht gesehen.
„Versuchst du neuerdings, witzig zu sein? Das steht dir. Und es ist ein ziemlicher Fortschritt angesichts der Tatsache, dass du gestern noch nie wieder mit mir sprechen wolltest.“
„Ja, in letzter Zeit bin ich ziemlich inkonsequent. Was ist jetzt mit dem Wein?“

Nach zwei Tellern reichlich mit Tomatensauce voll gesogener Nudeln, zog sich Kai mit Viola auf das Sofa zurück. Während sie sich in eine flauschige orangene Decke kuschelte, schenkte er sich ein weiteres Glas Wein ein. Auf Disney Chanel lief „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, der erste abendfüllende Disneyfilm der Fernsehgeschichte. Irgendwann zwischen „Hi-Ho“ und dem Trick mit dem Apfel sank Violas Kopf stückweise in Richtung Sofalehne. Als die Prinzessin endlich aus ihrem Todesschlaf erwachte, hörte Kai die junge Frau leise ein und aus atmen. An seinem Glas nippend, dachte er über die Frau nach, die für ihn eigentlich noch eine Fremde war.
Sie spinnt, schoss es ihm durch den Kopf. Eindeutig. Aber was, wenn sie doch recht hat? Wenigstens ein wenig...
Seufzend legte er den Kopf in den Nacken. Verrückt, dachte er. Total durchgeknallt... Ein Knall! Kai schreckte auf. Das war ein Geräusch, als sei der Kleiderschrank aus Massivholz im ersten Stock umgefallen. Nein, falsch, da war es wieder: Ein Hämmern auf Holz. Eine Tür. Natürlich: Die Haustür! Jemand klopfte dagegen, als wären alle Teufel der Hölle oder zumindest eine wild gewordene Zwergenfrau hinter ihm her. Vorsichtig, um Viola nicht zu wecken – erstaunlich, dass sie immer noch schlief – erhob er sich und schlich zum Hauseingang. Gerade wollte er fragen, wer um diese Uhrzeit noch die Dreistigkeit besaß, an fremder Leute Türen zu klopfen, als ihm eine Frau mit weißblondem Haar in die Arme fiel. Und sie fiel wortwörtlich. Eben noch hatte Kai die Geistesgegenwart, sie aufzufangen, bevor sie ziemlich unsanft auf dem Boden landen konnte.
„Was...? Maria, wach auf! Was soll denn das? He, wach auf! Was ist mit dir los?“
Behutsam ließ er den schlaffen Körper der jungen Frau auf den Teppich gleiten und rüttelte an ihren schmalen Schultern. Nichts. Was zum...?
„Was ist passiert?“ Auf leisen Sohlen war Viola heran geschlichen. Flink wie eine Katze ließ sie sich neben dem bewusstlosen Mädchen auf die Knie sinken. Mit geschulten Bewegungen überprüfte sie Atmung, Puls und Herzschlag. Schließlich nickte sie ihm zu. „Soweit ich feststellen kann, fehlt ihr nichts, abgesehen von ihrem Bewusstsein. Der Puls ist ein wenig schwach, aber nichts, was man nicht schnell wieder hinkriegt.“
„Wir sollte sie auf die Couch legen und ihren Körper wärmen.“
„Sehr richtig. Und nebenbei bemerkt sollten wir auch die Tür schließen.“
Fünf Minuten später wickelte Viola die immer noch ohnmächtige Maria fürsorglich in die orange Decke, die von ihrem eigenen Körper noch warm war. Sich ziemlich nutzlos fühlend beobachtete Kai, wie sie Maria eine metallene Viole unter die Nase hielt.
„Noch vor 100 Jahren hätte man es Riechsalz genannt und jede Dame hätte es in einem Handtäschchen bei sich getragen. Die Methode mag etwas veraltet sein, aber sie erfüllt durchaus ihren Zweck.“
Als wollte sie ihre Worte bestätigen, sog die Patientin in diesem Moment scharf Luft ein. Ihre Lider flatterten und ihre Stirn furchte sich, als erinnere sie sich noch im Aufwachen an einen besonders unangenehmen Traum. Viola rief sie mit ruhiger Stimme an: „Maria!“
Mit einem Schlag riss die Teehändlerin die Augen auf. Langsam, ohne zu blinzeln, bewegten sich die Augäpfel. Nach unten. Nach links. Nach rechts. Blieben an Viola haften. Ihre Pupillen erschienen wie zwei riesige schwarze Tintenflecken.
„Guten Abend.“ Die Stimme klang heiser, aber ruhig. Kai warf Viola einen fragenden Blick zu. Diese erwiderte ihn kurz: Keine Ahnung.
„Kannst du dich aufsetzen?“
Sie konnte. Elegant, obwohl sie sich bei Viola aufstützen musste. Die Beine angezogen, mit den Fersen unter dem Po, thronte sie auf dem weichen Sofapolster. „Überfall.“
Ein weiterer verdutzter Blick, den Viola stoisch erwiderte. „Erzähl uns mehr.“, bat sie.
Maria blinzelte wie in Zeitlupe. Dann, nach einem langen Blick auf ihr Publikum, begann sie: „Ich war schon in meiner Wohnung, als mir einfiel, dass ich noch etwas in den Rechnungsbüchern nachsehen wollte. Also stieg ich noch einmal in den Laden hinunter. Ich hatte den Raum kaum betreten, da spürte ich, dass etwas anwesend war. Ich schaltete sofort das Licht aus, aber ich konnte niemanden entdecken.“
„Sehr verwunderlich.“, murmelte Kai. Viola schoss ihm einen ärgerlichen Blick zu.
„Danach“, fuhr Maria ungerührt fort, „schritt ich langsam die Regale ab und lugte in alle Ecken, in denen sich jemand hätte verstecken können. Nichts.“ Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab, als konzentrierte sie sich stark auf eine Erinnerung. „Ich weiß nicht, was mich dazu brachte. Doch als ich schon fast annahm, dass ich mich getäuscht hätte, hörte ich ein Rauschen, als ließe jemand Wasser laufen. Ich ging also in das kleine Badezimmer hinter der Kassentheke. Auch hier war niemand zu sehen. Aber etwas war da.“
Jetzt mach's nicht so dramatisch, lag es Kai auf der Zunge. Er beherrschte sich jedoch und fragte stattdessen: „Was meinst du mit etwas?“
Maria ließ ihren Blick einen Moment lang auf ihm ruhen. Dann sagte sie: „Ich ging auf das Waschbecken zu in der Absicht, den Wasserhahn zu überprüfen. Er tropfte nicht einmal. Doch das Rauschen wurde lauter, je näher ich ihm kam. Ich drehte den Hahn auf.“
Sie schwieg. Eine halbe Minute lang. Dann hielt es Kai nicht mehr aus.
„Und? Was passierte dann?“
Schweigen. Dann: „Das Wasser versuchte, mich zu erwürgen.“
Verdutztes Schweigen. Sogar Viola wirkte verwirrt. Maria sah von einem zum anderen und ihre Stimme klang zum ersten Mal unsicher, als sie fortfuhr: „Anders kann ich es nicht beschreiben. Ein Strahl Wasser schoss mit einem Mal hervor. Aber nicht so, wie sonst, wenn man es laufen lässt. Nicht einmal wie bei einem Wasserrohrbruch. Es kam heraus wie ein Pfeil, oder wie eine Schlange, die auf ihr Opfer los geht. Bevor ich reagieren konnte, wickelte es sich um meinen Hals und drückte mir die Kehle zu. Wie lange das dauerte, weiß ich nicht. Genauso wenig, warum es aufhörte. Ich war halb besinnungslos. Da ließ der Druck auf einmal nach. Ich sank zu Boden, vor meinen Augen tanzten schwarze Flecken. Als ich wieder klar denken konnte, war das Wasser verschwunden. Auch das Rauschen hatte aufgehört; es war totenstill. Aber davon lasse ich mich nicht täuschen.“ Sie fixierte Viola mit einem bedeutungsvollen Blick. „Was von allein geht, kann auch von allein wieder kommen. Und das nächste Mal lässt es vielleicht nicht rechtzeitig von mir ab.“ Hier machte sie eine Pause, als wisse sie nicht, was sie sagen sollte. „Ich bin nicht ängstlich. Aber es gibt wenig, was mich überraschen kann und ich hasse es, überrascht zu werden. Dieses Wesen, was immer es war, hat mich überrascht und ich hatte keine Ahnung, was es war und wie ich es bekämpfen kann. Um das heraus zu finden, kam ich hierher. Und um euch zu warnen. Denn ich habe das Gefühl, dass dieser Angriff nicht exklusiv mir galt. Also, Banríon“ - damit wandte sie sich an Viola - „kannst du mir sagen, wer mein nächtlicher Besucher war?“
„Kelpie.“
Viola und Maria sahen auf. Erstaunen zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab, aber auch Neugier. Kais Wangen fühlten sich mit einem Mal unangenehm heiß an.
„Kannst du das noch mal wiederholen?“, bat ihn Viola.
Kai zögerte. „Ein Kelpie. Ich weiß nicht, wie ich darauf komme. Aber als Maria eben von dem Arm aus Wasser erzählte, da kam mir dieses Wort in den Sinn. Keine Ahnung, was es bedeutet, aber ich glaube, das ist es, was dich angegriffen hat – ein Kelpie.“
Violas Stirn furchte sich. „Ich kann mich nicht entsinnen, diesen Namen schon einmal gelesen zu haben. Nicht im Buch deines Großvaters und auch nicht in unseren Chroniken.“ Aufgeregt setzte sie sich auf. „Das ist eine neue Geschichte, die nur du kennst, Kai. Sie ist in dir. Die Antwort ist in dir. Wir müssen sie nur heraus kitzeln. Maria, kannst du uns einen deiner Tees kochen?“
Die seltsame junge Frau betrachtete Kai eingehend. „Nein.“, antwortete sie dann. „Das wird nicht nötig sein. Er kennt die Worte. Er muss sie nur aussprechen. Er hat es eben schon getan.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang sie von der Couch und kniete sich vor ihn. Sie nahm sein Gesicht in ihre kalten Hände. Ihre tiefen, schwarzen Augen konzentrierten sich ganz auf ihn. „Vergiss für einen Moment alle anderen Gedanken. Vergiss deine Erinnerungen. Vergiss deine Vernunft. Schließ die Augen. Und dann sag das erste, was dir durch den Kopf geht.“
Wie hypnotisiert folgte Kai ihren Anweisungen. Er schloss die Augen.
Das wird nicht funktionieren, dachte er. Ich bin nicht empfänglich für Suggestion. Mein Geist sperrt sich dagegen. Das muss ich ihnen sagen. Ich sage es ihnen gleich.
Und dann sprach er.
 



 
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