Zyklus der Blüte / Ansichten einer Fliege

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kio

Mitglied
An einem regnerischen, grauen Maiabend verdunkelte sich die Aussicht.
Es war die 3. Lebensphase. Schon ein paar Monate hatte mir das Karma auferlegt, als Fliege die nächste Stufe zu erreichen.
So war ich nun gefangen, in dieser Blüte. Stille. Dunkelheit. Abwarten. Nur mein eigenes Surren durchbrach das Nichts. Ich versuchte immer wieder nach außen zu gelangen, doch die unzähligen Flugversuche blieben erfolglos. Fest geschlossen umgaben mich die harten, unnachgiebigen Blütenblätter.
Plötzlich begannen die Wände sich zu verformen. Dellen bogen sich nach innen und der mir noch verbleibende Raum wurde auf ein Minimum beschränkt. Immer näher und bedrohlicher kamen die Blütenblätter, nach innen gewölbt, auf mich zu. "Was wohl die 4. Lebensphase bringen wird?" Ein schwerer Einschlag riss einen Teil der Blüte ab.
Noch immer war es dunkel, doch die Enge wich einer fast unendlichen, dunklen Weite. Regen lief über meine Flügel, mein Gesicht und ich musste ihn aufsaugen. Nach dem ersten Tropfen leckte ich weiter und konnte kaum die Gier bezwingen, immer weiter zu lecken. Es schmeckte nach Freiheit und die Dunkelheit wirkte aufgrund Ihrer Weite nicht mehr bedrohlich.
Als ich aufwachte, war es gleißend heiße Sonne, die mir entgegenschlug. Die Flügel waren getrocknet und ich suchte durstig die Weite.
 

Zarathustra

Mitglied
ganz gut hat mir deine Geschichte gefallen.
Kurze Geschichten machen viel Mühe, das weiss ich.
... und Inspiration...
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
...Die Flügel waren getrocknet und ich suchte durstig die Weite...

Sehr schön dieser Gedanke. Durstig die Weite suchen! Ja...
lG Otto
 



 
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