an meine kleine Fischverkäuferin

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G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Moin Wüstenrose,

das gefällt mir grundsätzlich schon, ist mir aber ein wenig zu unruhig mit unterschiedlichen Versfüßen und Zeilenlängen. Vielleicht könntest Du wenigstens die letzte Zeile in „ein leeres Papier“ ändern - es sei denn, der unterbrochene Lesefluss nach "Wellen" ist so gewollt.

Gruß Ciconia
 

wüstenrose

Mitglied
Hi Patrick,
danke für deine Einschätzung. Ja, ich hoffe, es hat sich diesmal ausgezahlt, dass ich das vermeintlich fertige Gedicht dann doch noch wochenlang liegen ließ. Mit dem Ergebnis, dass ich die dritte Strophe erst jetzt nochmals komplett veränderte.
 

wüstenrose

Mitglied
Moin Ciconia,

danke für dein Feedback. Die unterschiedlichen Versfüße, die sehe ich wohl auch. Insbesondere, wenn ich die Zeilen laut lese, habe ich den Eindruck: dass die Zeilen 3+4 mit je zwei unbetonten Silben beginnen, stört nicht - - - na ja, mich stört es nicht. Vielleicht spüre ich sogar Erleichterung über eine gewisse Asymmetrie (was natürlich eine recht vage, emotional-subjektive Begründung ist).
Meine Entscheidung für genau diese Schlusszeile kann ich besser begründen.
Zum einen sprachlich: ein leeres Papier finde ich eine unübliche Ausdrucksweise. Da drängt sich mir ein leeres Blatt Papier auf. Hingegen findet die Wendung leeres Papier durchaus Anwendung. Beispiel aus der Welt der parlamentarischen Arbeit: "Die Entschließung, über die wir abstimmen werden, darf nicht wie so viele andere nur leeres Papier bleiben."
Zum andern inhaltlich: der Bruch ist gewollt. Die eingangs anvisierte leichte / flüchtige Nachricht ist nun so leicht geworden, dass sie (fast) keinen Inhalt mehr trägt. Die zarte Mitteilung wurde vielleicht ins Papier hineingedacht, aber sie wurde nicht in Schrift gesetzt. Die Stockung, die Leerstelle am Beginn der letzten Zeile verweist darauf.

lg wüstenrose
 

molly

Mitglied
Hallo wüstenrose,

"Ich möchte was schreiben" deutet das Ende schon an, denn was man gern möchte, geht oftmals nicht. Hier sind es wohl die Gedanken, die auf Reisen gehen, sonst würde Lyri sagen: ich schreibe dir.

Mir gefällt Dein Gedicht, auch das Ende.

Liebe Grüße

molly
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo anbas,

o, das freut mich besonders, dass du den Bogen schlägst vom Gedichtanfang hin zum -ende. Danach strebte des Autors innere Stimme tatsächlich: ein Gedicht zu schreiben, das kein Gewicht hat, das so fragil ist, dass es nicht bleibt.
Danke für deinen Kommentar!

lg wüstenrose
 

James Blond

Mitglied
Ein sehr schönes Gedicht, weil es den Inhalt mit dem Metrum in Verbindung bringt. Hier tanzt tatsächlich etwas auf den Wellen. Selbstverständlich geht es auch hier nicht ganz ohne Vorschläge:


ich möchte was schreiben
so flüchtig und leicht
[blue]dass nichts daran haftet
das Hamburg erreicht [/blue]

ein Rascheln ein Stupsen
und weißt du mein Kind
was neben dir strandet
[blue]holt sich dann der Wind[/blue]

du folgst mit den Augen
bis hinter die Pier
dort tanzt auf den Wellen
[blue]mein leeres Papier[/blue]


Begründung:

Zeile 3 und 4 sind mir im Original etwas zu schwerfällig.
Zeile 7 und 8 enthalten eine Dissonanz: Was strandet, wurde angetrieben und sollte dann nicht gleich wieder forttreiben.
Zeile 12 klingt mir im verkürzten Metrum zu dramatisch. Mit der metrisierten Version wird auch der Bezug zur 1. Zeile deutlicher: ich möchte ... mein leeres Papier.

Gern kommentiert.
JB
 

wüstenrose

Mitglied
ich möchte was schreiben
so flüchtig und leicht
dass nichts daran haftet
das Hamburg erreicht

ein Rascheln ein Stupsen
und weißt du mein Kind
was neben dir strandet
holt sich dann der Wind

du folgst mit den Augen
bis hinter die Pier
dort tanzt auf den Wellen
mein leeres Papier
 

wüstenrose

Mitglied
Moin James,

ich habe ein paar Minuten überlegt und dann alle deine Vorschläge übernommen.
Strophe 1 gefällt mir so besser.
Strophe 2: dieser etwas widersprüchliche Richtungswechsel war mir auch schon aufgefallen, wollte ich nicht überbewerten, aber so ist es besser.
Strophe 3: Meine gepriesene "Leerstelle" ist nun weg - aber es ist deutlich zu hören: Das Gedicht wird (im positiven Sinne) noch etwas naiver, tänzerischer, fast wie ein Wiegegesang.

Ich danke vielmals für deinen konstruktiven Beitrag!

@ Ciconia: Nun wurden letztlich doch die Stellen verändert, die auch du angekreidet hattest. Ja, ich bin jetzt ganz kleinlaut und du hattest wohl ein gutes Gespür!
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Wüstenrose,

freut mich, dass Du nun doch überzeugt werden konntest. ;)

Was mir jetzt noch ein klein wenig aufstößt, ist das zweimalige dass/das in S1. Müsste es nicht sowie heißen
Nichts daran haftet, was Hamburg erreicht
Dann hätte man allerdings zweimal was in S1. Könnte man beheben, indem man schreibt: Ich möchte dir schreiben.

In Z8 gefällt mir die Betonung noch nicht so ganz. Wie wäre es z. B. mit „Holt sicher der Wind“?

Bagatellen, zugegeben. :D Ich will Dich nicht verunsichern!

Gruß Ciconia
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Ciconia,

tendenziell möchte ich es so lassen, da ich es in der vorliegenden Form als stilistisch rund und in sich stimmig empfinde - - - aber: Ich schlaf nochmal ne Nacht drüber.
nichts daran haftet, das, - da hab ich mich auch gefragt, ob dieses Bild, das mir in genau dieser Form sehr gefällt, die grammatikalischen Anforderungen hinreichend erfüllt. Nach meinem Gefühl: ja.
Ein Beispiel aus dem Internet: vielfach ist dieser Satz zu finden:
Nichts auf dieser Welt, das sich zu haben lohnt, fällt einem in den Schoß.
Der (fast) gleiche Satz ist auch mit was anstelle von das zu finden. Ich würde sagen: geht beides.
Sollte jemand das Ganze aus grammatikalischer Sicht besser beleuchten / erklären können, so bin ich ganz Ohr.

In jedem Fall danke! für dein Hinterfragen einzelner Stellen, mir gefällt dieses "Ringen ums Detail", nur so kann ich mich auf meine auch nicht mehr ganz jungen Tage weiter entwickeln.

mit postalpinen (die Saison ist für mich gelaufen) Grüßen
wüstenrose
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Sollte jemand das Ganze aus grammatikalischer Sicht besser beleuchten / erklären können, so bin ich ganz Ohr.
Hallo Wüstenrose,

gefährlich ist’s, den Leu zu wecken … (Schiller) –
aber wenn Du mich schon so genau fragst, setze ich der Einfachheit halber mal einen Link. https://www.experto.de/kommunikatio...k-relativsaetze-alles-das-oder-alles-was.html

Hier trifft der dritte Punkt eindeutig zu. (Dass nichts daran haftet, was …) Wie streng man das in der Lyrik sehen muss, vermag ich allerdings nicht zu sagen. Wenn Du Dich mit dem „das“ wohler fühlst, geht das sicher in Ordnung. ;)

Gerne recherchiert!

Gruß Ciconia
 

James Blond

Mitglied
Hmm,

interessante stilistische Frage, ob oder wann "nichts, was" der Alternative "nichts, das" vorzuziehen ist. Ich gebe gern zu, darüber nicht extra gegoogelt zu haben, hatte zunächst auch die Formulierung "Nichts, was" eingesetzt, eher intuitiv, wohl weil sie die geläufigere Variante ist und erst später auf "nichts, das" geändert, weil es mir bestimmender erschien.

Ganz so einfach, wie es in dem Korrespondenz-link zu Relativsätzen behauptet wird, würde ich es mir allerdings nicht machen:
Auf „alles“ und „nichts“ im Hauptsatz folgt ebenfalls „was“. Beispiele: „Es gibt nichts, was nicht verbessert werden kann“ oder „Alles, was Sie bei uns finden, …
Das mag in allgemeiner Korrespondenz zwar hinhauen, reicht aber nicht bis in die Poesie, denn ich kenne nichts, das so schön ist wie die poetische Sprache. Hier sollte meines Erachtens dem Besonderen - hier: dem bestimmten Nichts - der Vorzug eingeräumt werden. Es hebt die Sprache auf einen höheren Level.

...
dass nichts daran haftet
das Hamburg erreicht
Ich möchte aus dem gleichen Grund auch vor zu viel Schleifarbeit warnen. Was zu geläufig ist und dem Lesen keinen Widerstand mehr bietet, verflacht. Was der Sprache nachläuft, läuft zugleich Gefahr, seinen eigentlichen Sinn aufzugeben. Die Aussagen ...
was neben dir strandet
holt sich dann der Wind
bzw.
was neben dir strandet
holt sicher Wind
... haben ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Die erste beschreibt einen Vorgang, die letztere hingegen drückt eine Gewissheit aus.

Selbstverständlich sind dies alles schon recht delikate stilistische Fragen, für die es kein richtig oder falsch gibt, die man besser seinem Sprachgefühl überlässt. Man sollte sich daher mit einer Überarbeitung etwas mehr Zeit lassen, aus dem Abstand besehen erscheint vieles klarer. Das Gedicht ist die Mühe wert.

Grüße
JB
 

wüstenrose

Mitglied
Guten Morgen!
Danke, Ciconia, für deine Recherche! - wie auch immer man es nun gewichtet: Es ist gut, die Grundregel zu kennen und sich, von ihr ausgehend, so seine weiterführenden Gedanken zu machen.

Danke auch, James, da äußerst du in der Tat sehr interessante Gedanken, die den "letzten Schliff" betreffen. Die geben mir einstweilen etwas Orientierung in meinem Zustand (aufs Poetische bezogen), den ich als "ernsthaft geistig ermattet" bezeichnen würde. Anders ausgedrückt: habe das Gefühl, direkt vor der Wand zu stehen. Deshalb greife ich gerne diesen Gedanken auf:

Man sollte sich daher mit einer Überarbeitung etwas mehr Zeit lassen, aus dem Abstand besehen erscheint vieles klarer.
schönen Tag allerseits!
 



 
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