aus meinen memoiren: die moabiter

flammarion

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Die Moabiter

Idas Ziehsohn und Neffe, Bruno S., war im Krieg ausgebombt worden. Die Familie fand Unter-kunft in sogenannten Nissenhütten in Berlin-Moabit, daher wurden sie von da an "die Moabiter" ge-nannt. Regelmäßig fuhr Ida dorthin zu Besuch. Diese Besuche waren für mich eine gesuchte Ab-wechslung, aber nicht gerade die reinste Freude.
Wir fuhren mit der Straßenbahnlinie 3 bis zur Endstation "Bornholmer Straße", wo wir eilends über die "Millionenbrücke" liefen, um die Anschlußbahn im Westen zu erreichen. Das war für mich eine ziemliche Strapaze. Auf der Brücke war es so eng, daß kaum drei Menschen nebeneinander ge-hen konnten. Ida kam mit mir an der Hand nicht so schnell vorwärts, wie manch ein rücksichtsloser Jüngerer es gerne gehabt hätte, so wurden wir oft unsanft angestoßen, zumal wir auch stets umfang-reiches Gepäck mit uns führten (Geschenke für "die Moabiter" sowie Kochtöpfe und andere Dinge, die Bruno reparieren sollte). Dann fuhren wir noch eine ganze Weile mit der Straßenbahn, bis wir am Ziel waren. Die Straßenbahnfahrt wurde für mich bald langweilig; immer nur auf Ruinen zu gucken ist nicht gerade erbaulich für ein kleines Kind. Ich fragte mehrmals ungeduldig: "Wenn sinn wa denn nu endlich da?" Ida antwortete: "Bald." Ich wurde richtiggehend wütend, wenn sich herausstellte, daß "bald" erst nach zehn Stationen war! Konnte sie denn nicht die Wahrheit sagen? Für mich war "bald" schlimm-stenfalls die dritte Station, eine Fahrt über zehn Stationen, auf ihrem Schoß sitzend, ohne von ihr unterhalten zu werden, war eine Zumutung für mich. Ich sollte stillsitzen und abwarten, wäh-rend draußen die Stadt an mir vorbeizog, ohne daß ich jemals erfragen durfte: "Warum ist dieses Haus höher? Warum hat jenes Haus breitere Fenster? Warum sind in dieser Straße alle Häuser ganz geblieben? Wohnen hier andere Menschen, als wir es sind?"
Ich war drei Jahre alt, als wir einmal einen schweren Sturm in Moabit erlebten. Er kündigte sich mit Blitz und Donner an, der Himmel verdüsterte sich, und Tante Lotte sagte: "Schnell, helft ma alle mit, die Wäsche und die Jartenmöbel rinzuholn!" Ich brauchte dabei natürlich nicht mitzutun, ich war ja noch viel zu klein und allen nur im Wege. Als alles Brauchbare im Haus war, blieb die Tür noch einen Moment offen, denn der Letzte, der hereinkam, hatte keine Hand frei, um sie zu schließen. Ich stand auf der Schwelle, hielt mich am Türrahmen fest und beobachtete das niegekannte Unwetter. Plötzlich warf der Wind die Tür zu und klemmte meine Finger ein. Ich war so erschrocken, daß ich nicht einmal schreien konnte. Ich trug die schmerzende Hand zu Onkel Bruno, der sofort sah, was geschehen war. Er pustete auf meine geschwollenen Finger und verband sie mit weichem Mull. Seine Fürsorge war unerhört wohltuend für mich. Die Hand blieb tagelang im Verband. Danach konnte ich beobachten, wie sich von drei Fingern die Nägel lösten. Der Nagel des Ringfingers wuchs in zwei Hälften nach, aber auch dagegen hatte unser Hausarzt ein Mittel parat. Erst seit 1991, wo wir das "min-derwertige" DDR-Essen nicht mehr bekommen und dafür das "gute" Westessen haben, spaltet sich der Nagel wieder . . .
Das einzig Wichtige in Moabit war für mich Onkel Bruno. Er war lange Zeit der einzige Mann, den ich kannte, und entsprechend liebte ich ihn. Sobald ich seiner ansich-tig wurde, flog ich ihm an den Hals und konnte nicht genug davon bekommen, von sei-nen kräftigen Armen hochgeworfen und wieder aufgefangen zu werden. Ich jauchzte dabei und küßte und herzte ihn, wie ich nur irgend konnte und kümmerte mich nicht im geringsten darum, daß seine Kinder mit langen Gesichtern zusahen. Er war MEIN ON-KEL. Er war nach meiner Meinung dazu verpflichtet, mich lieb zu haben. Und seine Kinder hatten ihn ja täglich, aber ich hatte ihn nur ein paar Minuten. Dennoch waren sie arg böse mit mir, daß ich mir erlaubte, ihren Vater so zu überfallen. Versteht sich, daß sie mir alles zufleiß taten, was sich unauffällig tun ließ. Auch seine Frau rügte mein Be-nehmen. Sie war eine ernste, resolute Person, häufig sehr streng mit ihren Kindern. So streng, daß ich zu der Überzegung kam, daß es ganz bestimmt besser ist, von einer OMA erzogen zu werden, als von einer Mutter.
An einem warmen Frühlingstag im Jahre 1948 - ich war also gerade vier Jahre alt - ging Ida mit mir und Grete L. zum Friedhof, das Grab ihres Mannes zu gießen. Grete L. hatte sich erboten, gegen ein geringes Entgeld diese Pflicht für den Sommer zu über-nehmen und sollte nun erfahren, wo es sich befindet. Zwischen den alten verwilderten Gräbern hatten Singvögel ihre kleinen Nester gebaut, und immer wieder hüpfte solch ein Vöglein vor uns her, um uns von seinem Nest abzulenken. Ich lief den Vögeln nach, um sie zu betrachten. Ida sagte: "Die Vöjel sin ville zu schnelle, die krichste nich!" und ehe ich noch sagen konnte, daß ich sie gar nicht fangen will, erklärte Grete L.: "Du mußt wartn, bis eena janz schdille sitzt, denn kannste ihm Salz uff n Schwanz schtreun, un denn kannstn fang!" Ich blickte fragend zu Ida. Sie verkniff sich das Lachen und nickte. Die Vorstellung, einen Vogel auf der Hand sitzen zu haben und ihn ganz in Ru-he betrachten zu können, reizte mich sehr. Doch ich gab zu bedenken: "So n Vorel sitzt janz beschdimmt nich schdille!" Grete L. hatte inzwischen ihren Gedankengang weiter-gesponnen und sagte: "Det is bei die Männa ooch so, wenn de deen Salz uff n Schwanz schdreust, denn haste se for alle Zeit jefang un kannst mit se machn, wat de willst." Nun lachte ich: "Männa ham doch keene Schwänze!" Die beiden Frauen runzelten die Stir-nen: "Un wat for welche! Det wirste schpeeta schon noch sehn!"
Wenige Tage danach fuhren wir wieder nach Moabit. Kaum daß ich meinen gelieb-ten Onkel Bruno sah, fragte ich ihn: "Du hast doch keen Schwanz, wa, Onkel Bruno, du bist doch keen Teufl oda irjend n Tier, du kannst doch ja keen Schwanz ham, wa?" Er blickte mich irritiert an, gab keine Antwort und ließ mich stehen. Nun fiel die ganze Familie über mich her, was ich mir einbilde, so ein blödes Zeug zu reden und ob ich wohl den Verstand verloren hätte? Es gelang mir nicht, die Sachlage zu erklären. Ich glaube, an jenem Tag hatte ich mir einfürallemal sämtliche Sympathie verscherzt.
Einmal war ich, ich weiß nicht mehr aus welchem Grund, für mindestens zwei Tage zu Besuch bei Tante Lotte in ihrer neuen Wohnung. Wenige Meter von ihrem Wohn-haus entfernt befand sich ein Park mit einem Kinderspielplatz, der mir wie ein kleines Paradies erschien. Tante Lotte verließ mit mir am anderen Tag die Wohnung, um ein-kaufen zu gehen. Aber sie hatte irgendetwas in der Wohnung vergessen. Sie befahl mir, vor der Haustür stehenzubleiben und auf sie zu warten. Ich wartete lange. Eine "halbe Ewigkeit". Und genau gegenüber wußte ich einen Buddelkasten und einen blanken Kletterbaum (ein irgendwo gefällter Baum mit vielen starken Ästen war entrindet und fest in der Erde verankert worden). Einer meiner Großcousins kam an mir vorüber. Ich fragte: "Dürf ick uff den Spielplatz? Findt Deine Mutter mir denn da?" - "Jewiß", ant-wortete er, "da kannste ruhich hinjehn, det is n Kindaschpielplatz, da schpieln wa alle!" So folgte ich ruhigen Gewissens meinem Drange und spielte einige Zeit in dem riesigen Buddelkasten, bis Tante Lotte mich sehr zornig aufgriff. In ihrer Wohnung bekam ich Prügel für meinen Ungehorsam. Ich weiß nicht, wie lange ich auf sie gewartet hatte. Wie lange kann man ein kleines Kind vor der Haustür warten lassen, wenn gegenüber ein Spielplatz lockt? Die Sonne lachte mich an, es war das allerbeste Buddelkastenwet-ter, und weshalb sollte ich Tante Lotte zum Einkaufen begleiten? Sie kam ohne mich unnützes Ding gewiß besser zurecht!
Ich liebte Onkel Brunos nervige, geschickte Hände. Es war ein Spaß, ihm bei der Arbeit zuzuschauen, namentlich, wenn er aus meinen alten Halbschuhen Sandalen für mich schnitt (derartiges wurde 1943 - 50 von fast allen Kindern getragen, und wenn ich solches Schuhwerk an anderen Kinderfüßen sah, dachte ich glücklich: "Da jibts noch andre Onkels!"). Am liebsten wäre ich den ganzen Tag nicht von seiner Seite gewichen, aber dafür hatte er natürlich kein Verständnis. Er schickte mich hinaus zu seinen Kin-dern spielen. Nur - sie spielten nicht gern mit mir, denn ich kannte viele ihrer Spiele nicht und paßte altersmäßig auch nicht zu ihnen. So spielten wir Verstecken. Ich wurde immer sehr schnell gefunden, hatte selber aber kaum eine Chance, die anderen zu fin-den, weil ich mich an das Verbot hielt, die Gartenwege zu verlassen.
Bruno hatte "goldene Hände", wie Ida immer sagte. Schnell und geschickt reparierte er Kochtöpfe mit Aluminiumpfropfen, ganz gleich, wie groß der Topf war oder an wel-cher Stelle er das Loch hatte, rasch war ein Pfropfen eingesetzt und der Topf hielt wie-der "hundert Jahre".
Ich habe das Talent, alles zu verdrängen, was mir Kummer macht. So habe ich mir nicht gemerkt, wieviele Kinder Onkel Bruno hatte, wieviele davon Jungen oder Mäd-chen waren oder wie sie hießen. Bei mir ist nur hängengeblieben, daß einer seiner Söh-ne genau wie mein großer Bruder Manfred hieß und eine seiner Töchter genau wie ich Christa. Sie wurde nicht "Krille" gerufen, bestenfalls "Christel" und sie war furchtbar sauer darüber, daß wir beide den selben Namen hatten. Das war - glaube ich - der Hauptgrund, weshalb sie mich nicht leiden konnte. Was konnte ich dafür, daß ich so hieß? Sie ärgerte mich jedenfalls, wo sie nur konnte. Aber möglicherweise habe ich das auch nur schief in Erinnerung. Die Wahrheit ist, daß ich mich - gerade ob der Namens-gleichheit - an sie klammerte und sie mit all den unbeantworteten Fragen überschüttete. Ich hatte inzwischen beobachtet, daß Kinder sich ihre Fragen manchmal untereinander selbst beantworten und im stillen Einvernehmen handeln können und ich wollte gern dazugehören. Christa S. aus Moabit war in einen festen Familienkreis eingeschlossen. Ihr Vater war Idas Ziehsohn. Ida war somit gewissermaßen ihre Großmutter. Waltraud war Idas Enkelin durch Adoption. Die beiden waren sich gleich. Durch "Familienban-de". Ich war nur die Tochter des Bruders von Ida. Obendrein aus zweiter Ehe. Ich bin bei Christa total abgestunken. Sie hatte etwas gegen unsere Namensgleichheit und ganz gewiß war sie dagegen, nun auch noch Verantwortung für eine "Cousine" zu überneh-men, wo ihr doch so oft ihre Geschwister anvertraut wurden. In langen Diskussionen wurde unser Verwandtschaftsgrad "geklärt". Ich wußte, daß Christa mehrere Geschwi-ster hatte, daß diese Familie bei Ida den Vorrang hatte und fühlte mich unendlich hilf-los.
Ida liebte Bruno sehr, doch ich erinnere mich an keine seiner Geburtstagsfeiern. Das kann daran liegen, daß die Nachkriegsjahre nicht unbedingt zum Feiern einluden, und ich daher die Besuche in Moabit als jedem dem anderen gleich einstufte. Vielleicht wa-ren wir auch zu den Geburtstagen seiner Frau und seiner Kinder anwesend. Ich weiß es nicht, ich war zu jung. Es gab auch eine Feier, als Bruno gestorben war. Dessen bin ich mir sicher. Aber ich habe alles vergessen, was damit zusammenhing. Ich hatte einen Freund verloren und meine Trauer war unendlich. Nun gab es niemanden mehr, der mich in die Luft warf und mich "Würstchen" nannte, niemanden, der mich an seine Männerbrust drückte und mir zärtlich übers Haar strich.
Die einzige Familienfeier bei "den Moabitern", an welche ich mich lebhaft erinnere, war Lottes Hochzeit. Tante Lotte heiratete wieder. Einen "wildfremden" Mann. Sie hatte meinen geliebten Onkel Bruno vergessen und heiratete wieder.
Ich war inzwischen neun Jahre alt, und "wußte", daß das Leben weitergeht, daß "ei-ne Frau nicht ohne Mann auskommt", daß Kinder einen Vater brauchen (das wagte ich in Frage zu stellen – wozu brauchen Kinder einen Vater, ich lebte doch auch ohne, und Waltraud hatte den Stiefvater erfolgreich abgestoßen! - aber es war für Ida der Haupt-grund der Eheschließung, also akzeptierte ich es).
Auf dieser Hochzeitsfeier wurde das frischgebackene Ehepaar u.a. durch Darbietun-gen der Kinder geehrt. Der Älteste brachte den damaligen Tagesschlager "Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs sieben, wo ist meine Braut geblieben" mit mimischen Einlagen dar (das gefiel mir sehr gut), danach kam ein von Christa und einem ihrer Brüder dargebo-tenes Couplet: "Oma, hops mal . . ." Ich lachte herzhaft darüber, es war ein Scherz, aber eine halbe Stunde später kamen sie auf mich zu: "Wehe, wenn du deine Oma hop-sen läßt, du altet Stinktier, du!" Ich wußte nicht, was sie von mir wollten. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, Ida hopsen zu lassen, ich wußte, daß sie das nicht konnte, ich führte sie sicher um alle Pfützen und sonstige Unwegsamkeitem herum und machte auch andere Leute auf Gefahrenquellen aufmerksam. Wer will schon seinen nächsten und liebsten Angehörigen im Schlamassel sitzen sehen? Ich vergaß den Liedtext sehr schnell, da ich ihn als anstößig empfand.
Später wurde auf dieser Hochzeit Tanzmusik gespielt. Wenn ich mich recht erinne-re, zu Anfang von der Combo, in der Alfred mitwirkte, danach von Radio und Platten-spieler. Alle tanzten. Mit mir wollte keiner tanzen. Ich wurde letztendlich an einen um fünf Jahre jüngeren Knaben delegiert, den ich im Nachhinein um Verzeihung bitte für meine schroffe Abweisung. Ich war so verärgert, daß ich mir nicht merkte, um wen es sich handelte.
Einige Zeit kamen "die Moabiter" mit Freunden und Bekannten zu uns, damit Ida sie zu den HO-Läden führte. Dort konnten sie billig einkaufen. Die Mark stand eins zu vier, manchmal gar eins zu sechs, so konnten Westberliner im Osten sehr billig einkau-fen. Aber Ida gefiel es nicht, daß fremde Menschen durch sie einen Vorteil bekommen sollten. Sie verbat sich nach einigen Monaten diese "Bettelbesuche". Sie war der Mei-nung, daß es den "Westlern" ohnehin schon viel besser ging als uns. Nun wurden die Besuche aus dem Westen sehr selten.
Einmal besuchte uns einer der größeren Söhne von Onkel Bruno mit einem ausgewach-senen Schäferhund. Ich war schon zehn oder elf Jahre alt, hatte also schon lange keine Angst mehr vor großen Hunden, aber wie dieser "Rex" nun plötzlich in un-serer Küche vor mir stand, mir die Vorderpfoten auf die Schultern legte und mich "küß-te", war ich doch sehr erschrocken. Die Bekanntschaft kam zu unvermittelt! Während Ida hämisch lachte über meinen Schrek-kensschrei, "erklärte" mein Großcousin seinem Hunde, daß er nicht jedes Kind zu knutschen hat. Später habe ich das schöne Tier gern gestreichelt, verhinderte jedoch den Begrüßungskuß.
Ich blickte sehr gern in seine bernsteingelben Augen, sie schienen mir die wahre De-mut auszudrücken, und mir wurde der Sinn eines an der Leitertschen Wand hängenden Spruches klar: "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere". Dennoch hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, mir ein eigenes Haustier zu wünschen. So ein Tier will nämlich auch fressen. Und dafür war bei uns das Geld zu knapp. Der Kater von Gerda hatte zu fressen, "was die Kelle klickt". Genau wie ich.
Idas letzter Besuch in Westberlin fand zu Christas Einsegnungsfeier statt. Als es den Kindern auf dieser Feier langweilig wurde, beschlossen sie, ein paar Comik-Hefte bei einem Kumpel abzuholen. Waltraud und ich durften mitgehen. Ich fand meinen Mantel nicht gleich an der überladenen Flurgarderobe und konnte ihn nur flüchtig überstreifen. Als wir zurückkehrten, sah ich auf dem Hof ein Chiffontuch liegen. Ich rief: "Det sieht aus wie meins! Wer det wohl valoorn hat?" Ich wollte mich danach bücken, aber C-hrista sagte: "Laß den Dreck liejen! Wir ham t eilich!" Nach ein paar Schritten sagte sie: "Jeht ma schon vor, ick hab wat vajessn!" Als wir am anderen Morgen nach Hause fuhren, fand ich mein Chif-fontuch nicht mehr in meinem Mantelärmel. Mir wurde klar, daß jenes Tuch, welches ich im Hof liegen sah, meines war. Ich lief hinunter - es war weg. Keine Frage, wer es „gefunden“ hatte! Das macht mich jetzt aber sehr nachdenklich – wie kam ich „Trampel“ zu so einem Luxusgegenstand? Die Zeiten, da Waltraud und ich stets das Gleiche bekamen, waren lange vorbei! Ich bekam das Tuch wahrscheinlich, damit ich die Schnauze halte über das, was Alfred mit mir gemacht hatte . . .
Nach Idas Tod habe ich jahrzehntelang nichts mehr von den Moabitern gehört. Erst 1994, als auch ich einen Telefonanschluß hatte, habe ich Christa angerufen, um mit ihr zu schwatzen. Ich hoffte, daß sie mir irgendetwas von meiner Mutter erzählen konnte, was mir zu ihren Lebzeiten entgangen war. Sie sagte so abfällig „Ick kenne deine Mutta“, daß ich schon gar nicht weiter fragen wollte. Aber sie setzte nach: „Deine Mutta wa die jrößte Drecksau von Berlin!“ Also – auf die Verwandtschaft kann ich gut verzichten!
 

Bernd

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Liebe Flammarion,

das gefällt mir sehr, und ich habe es gerade für meine Frau ausgedruckt. Christiane hat selber eine Familienchronik geschrieben und interessiert sich sehr für solche Erlebnisse.

ich finde auch sehr gut, wie der Dialekt in der Geschichte untergebracht ist.

Liebe Grüße von Bernd
 

flammarion

Foren-Redakteur
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vielen

dank, lieber bernd. ja, eine familienchronik hätt es werden können, wenn ich nicht als fremdkörper behandelt geworden wäre. nach dem tod meiner erziehungsberechtigten tante hab ich die lieben verwandten nur noch ein paarmal gesehen. heute erinnern sie sich an vieles nicht mehr . . . lg
 



 
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