bombennächte ( geänderte fassung)

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Montgelas

Mitglied
[ 4][ 4][ 4]bombennächte
in memoriam 13. februar 1945

als in dresden die menschen starben
im bombenhagel der rächer
ihre häuser brannten
da schwelten in der asche der toten
von auschwitz maidanek buchenwald
die feuer nur noch schmal.

als in auschwitz bereits
das gas strömte und millionen
am zyklon b erstickten
gingen die menschen
sonntags in dresden
an den elbufern spazieren.

als coventrys kirche verglühte
waren die berühmte galerie,
die semperoper der zirkus
sarrasani und hygienemuseum
noch für besucher geöffnet
die zu tausenden strömten.

als klemperer seinen
lehrstuhl verlor wurde an den
hochschulen in dresden
eifrig chemie physik
musik mathematik malerei
und rassenkunde studiert.

als dann in dresden
spät im kriege
im bombenhagel der rächer
häuser und menschen verbrannten
und die frauenkirche
in schutt und asche versank

konnten lebende lernen
was das wort

MENETEKEL

bedeutet.


zur auseinandersetzung mit dem text geht es hier weiter:
http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=62955
 

MarenS

Mitglied
...sehr beeindruckend...die Zeiten- und Szenenwechsel sind ein absoluter Gewinn. Obwohl nicht marktschreierisch gehalten, wird der Text durch die Wortwahl sehr massiv...ich konnte mich nicht entziehen.

Grüße von Maren
 

Dorothea

Mitglied
Zurecht gerückt

Lieber Montgelas,

vielen Dank für diesen klärenden Text. Er rückt zurecht, was an anderer Stelle in der LeLu in unerträglicher Vermischung und Nivellierung geschrieben wurde, so dass Auschwitz und Dresden als gleichwertige Geschehnisse dargestellt wurden. Er war nötig und ist in seiner Klarheit gelungen.
 

MarenS

Mitglied
...ich habe auszugsweise gelesen und bin immer wieder über die Scheuklappensichtweise meiner Mitmenschen erstaunt, ja fast bestürzt.

Grüße von Maren
 

loussi

Mitglied
Hallo Montgelas,

wirklich sehr gut, dass du in dieser Zeit, in der die braune Soße kräftig auch in die Mitte der Gesellschaft schwappt, ein solches Gedicht verfasst und damit gegen die von bestimmten Kreisen intendierte Gleichsetzung der Ereignisse anschreibst.
Allerdings stört mich der Ausdruck "Rächer",der zu Beginn und am Ende vorkommt.

Gruß
Loussi
 

Montgelas

Mitglied
hallo loussi,

ich habe lange gegrübelt ob ich "rächer" nicht
einfach durch flieger ersetzen soll, bin auch immer
noch nicht sicher..

die schlimme kausalität der ereignisse wird mit "rächer"
stärker hervor gehoben , meine ich .


ich werde drüber nachdenken...

alles gute

montgelas
 

MH

Mitglied
hallo montgelas,

der "rächer" ist in diesem zusammenhang sicher keine
unproblematische wortwahl, dennoch sehe ich darin, im zusammenspiel mit der klaren aussage des textes, ein gutes stilmittel.

den text empfinde ich im übrigen als hervorragend, das
original kenne ich allerdings nicht.

mfgMH
 

Arezoo

Mitglied
Vielen Dank, Monteglas!

Nach dem 'Auschwitz und Dresden' an anderer Stelle, bin ich sehr angetan von deinem Gedicht.
Es kommt so ganz ohne plakativen moralinsauern Zeigefinger aus und erzählt vom Schrecken dieser Zeit in einer Intensität, die mich sehr getroffen hat.
Auschwitz und Dresden - es geht bei dir in einem Gedicht ohne das du es dabei in einen Topf schmeißt.
Weil der Denkansatz stimmt.

Ein Gedicht, das sehr nachdenklich macht.

Liebe Grüße,
Arezoo
 

Montgelas

Mitglied
danke arezoo,

"die weltgeschichte ist das weltgericht"-
eine metapher die seit jahrtausenden
durch die religions-und philosphiegeschichte
geistert, vom alten testament bis zu hegel,
schopenhauer, bloch u.v.a.
allgemein meint dieser satz nichts anderes,
als dass es immer einen kausalen zusammhang
von ursache und wirkung gibt.

dieser zusammenhang ist für mich
im falle "dresden", das auch als synonym
verstanden werden kann, klar.

das menetekel brechts war mir dabei hilfreich !

Das große Karthago führte drei Kriege.
Nach dem ersten war es noch mächtig.
Nach dem zweiten war es noch bewohnbar.
Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden


der widerspruch von alltäglichem leben und synchron stattfindenden katastrophalen ereignissen,
den "verblendungszusammenhang" einer bevölkerung,
wie adorno es nennt, deutlich zumachen,
ist auch an anliegen des textes.


dir eine gute zeit

montgelas
 

Montgelas

Mitglied
nachtrag:

aber das wesentliche hat bereits loussie aufgegriffen.
angesichts einer diskussion hier und anderswo,
die gleichmacherisch und ahistorisch
ereignisse miteinander vermengt,
ihre kausalitäten verwischt,
wollte ich nichts weiter als eine chronologie
der ereignisse schreiben.
den ablauf der geschehnisse in seinem,
für mich wahren, zusammenhang zeigen.

montgelas
 

loussi

Mitglied
Ein zweites Mal "Hallo Montgelas",

und nochmal zu der Wortwahl "Rächer".
Sicherlich subjektiv, aber ich will´s trotzdem noch loswerden:
Die Konnotationen, die sich bei diesem Ausdruck einstellen, passen nicht recht zur Intention deines Textes : Ich denke bei "Rache, Rächer" eher an Archaisches, das Alte Testament, die Mafia oder einen Westernhelden.
Die Motive dieser Bombardierung lassen sich aber nicht aus "Rache" heraus erklären, das wäre wohl zu vereinfachend.

Klar ist, dass du "Flieger" aus lautlichen Gründen nicht einsetzen kannst. Der Vokal ist zu hell, denn die erste Strophe wird überwiegend von dunklen Vokalen getragen.

Eine befriedigende Lösung fällt mir auch nicht ein:
Was ist mit "Alliierten"?
Dieses Wort scheint mir auf der semantischen Ebene neutral im Vergleich zu "Rächer", zumindest weniger aufgeladen. Auf der phonetischen Ebene: Da gibt es diesen dunklen a-Laut am Anfang und der -i-Laut wird durch den -i-Laut von "ihre Häuser" in die Folgezeile gezogen, stört also weniger als der in "Flieger.

Soweit von meiner Seite zu diesem Thema
Grüße
Loussi





ich habe lange gegrübelt ob ich "rächer" nicht
einfach durch flieger ersetzen soll, bin auch immer
noch nicht sicher..

die schlimme kausalität der ereignisse wird mit "rächer"
stärker hervor gehoben , meine ich .


ich werde drüber nachdenken...

alles gute

montgelas [/B][/QUOTE]
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

wenn ich das richtig in Erinnerung habe, waren es die Deutschen, die als Erste eine Stadt zerbombt haben nämlich das englische Coventry. Insofern ist das Wort "Rächer" in diesem Text stichhaltig. Die Aliierten haben dann mit einer einzigartigen Zerstörungsaktion über ganz Deutschland geantwortet.

Das Wort Rächer ist so betrachtet neutral und bezeichnet lediglich die Tatsache, dass die Deutschen als erste das Bombardieren von Städten in diesem Krieg zum Einsatz brachten.

Da Montgelas nichts weiter tut in seinem Text, als die Dinge zu beschreiben vor allem in ihrer Gleichzeitigkeit, halte ich das Wort "Rächer" an dieser Stelle für sinnvoll, allerdings wird vom Autor vorausgesetzt, dass der Leser weiß, um welche Rache es hier geht.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Inu

Mitglied
Hallo Montgelas

Das habe ich Bei Wikipedia ( google ) gefunden, wörtlich:

Harris trat 1919 in die Royal Air Force ein und diente u.a. in Indien, im Irak und im Iran. Ab 1930 war er im Luftstab für den Nahen Osten tätig wo er an der blutigen Niederschlagung verschiedener Aufstände der dortigen Bevölkerung gegen die britische Kolonialherrschaft beteiligt war. Dabei setzte er Streubomben, Tretminen und Giftgas gegen die Zivilbevölkerung ein. Er begründete dies damit, dass Araber und Kurden nur eine Politik der harten Hand verstünden.
'Butcher'- Metzger nannten sie ihn in England. War vielleicht eine Ehrenbezeichnung... keine Ahnung.

So weit zu Harris. Was in den Hirnen all dieser Täter vor sich geht, ist immer das Gleiche, das menschenverachtende Böse schlechthin. Da kann man Harris ( damit Großbritaniens ) Tun noch so sehr als gerechte ( oder auch übertriebene ) Rache verbrämen... es ist es nicht. Die Menschen in Dresden waren genau so unschuldig, wie die in Auschwitz. Davon bringt mich auch Dein Gedicht nicht ab.

Gruß
Inu
 

Arezoo

Mitglied
'Butcher' - so wurde Harris in Großbritannien vor allem deshalb genannt, weil unter seinem Kommando viele englische Piloten ihr Leben lassen mussten...
aber das nur so am Rande.

Montgelas zeigt in seinem Gedicht, dass wir aus der Geschichte nur lernen können, wenn wir reflektieren wollen. Das heißt, sich mit Ursache und Wirkung auseinander zu setzen.
Ich habe keine Erfahrung gewonnen, wenn ich die Folgen in einen Topf schmeisse und alles 'gleich' rede.
 

Montgelas

Mitglied
liebe mitdiskutanten,

ich danke euch für eure kommentare!
der text ist nicht vollkommen,
ich halte ihn aber für wichtig,
und möchte nicht,
dass er wegen plauderei verschoben wird.

aus diesem grund bitte ich die moderation
den thread zu schließen.

alle die weiterdiskutieren wollen können das im lupanum tun.

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=62955

zum schluss noch ein augenzeuge zum geschehen...

Die Dresdner Vernichtung am
13. und 14.( Dienstag, Mittwoch) Februar 1945
aus : Victor Klemperer, Tagebücher 1942-1945,
Aufbau Verlag Berlin 1995, S. 661

Piskowitz, 22.-24. Februar
Wir setzten uns am Dienstag abend gegen halb zehn zum Kaffee, sehr abgekämpft und bedrückt, denn tagsüber war ich ja als Hiobsbote herum gelaufen, und abends hatte mir Waldmann aufs bestimmteste versichert ( aus Erfahrung und neuerdings aufgeschnappten Äußerungen), dass die am Freitag zu Deportierenden in den Tod geschickt („ auf ein Nebengleis geschoben „) würden, und dass wir Zurückbleibenden acht Tage später ebenso beseitigt werden würden – da kam Vollalarm.
„Wenn sie doch alles zerschmissen!“ sagte erbittert Frau Stühler, die den ganzen Tag herumgejagt war, und offenbar vergeblich, um ihren Jungen freizubekommen…….




montgelas
 
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