das erwachen des monsters

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M

margot

Gast
das geäst zentimeterdick beladen
mit schnee
die heiligen drei könige stehen vor der tür
ich rasiere mir die fußrücken
unter lauwarmen wasser
warum nicht mal wieder irische folklore?
und barfuß im schnee
die welt besteht aus uhren
zusammen ticken sie wie ein wildes
disharmonisches orchester
meine pauke schlägt fast unmerklich
in meiner brust
einen einsamen takt
die menschen als augen des universums
augen eines riesen, der
bis zu seinen füßen nicht blicken kann
geschweige denn auf den boden
auf dem er steht
im schnee
ich erinnere mich nicht an meine geburt
nicht an mein brüten im warmen
wasser
eingebettet in der mutter erde
ich erinnere mich nicht an den moment, als
meine uhr zu schlagen begann
mein erster schrei
als ich in fremden händen lag
meine geburt ist datiert
während mein bewußtsein wie ein langsames
erwachen
fortdauert
die sprache wuchs mir zur seite
die liebe hielt mein blut warm
die gedanken wurden zum fundament für mein
geistiges zuhause
die gefühle sind der wilde garten meiner seele
wann erwache ich aus diesem traum?
um endlich zu fliegen
meine klebrigen flügel auszubreiten
auf dem weg
ins licht
 

Schakim

Mitglied
mit klebrigen Flügeln fliegen?

Margot, dieses "Fliegen" wird noch einige flatterhafte Bewegungen vorher absolvieren und dem Sog des Talwindes seine Kraft entgegensetzen müssen...
Schakim
 

Vera-Lena

Mitglied
Das Monster

Hallo, margot,

wie Du vom Rasieren hin zu den wichtigsten Fragen des Menschseins von Zeile zu Zeile nahtlos vordringst, das finde ich beachtlich. Auch die Vorstellung, daß der Mensch so viel Größe besitzt, daß er sich selbst gar nicht durchforsten kann und dennoch sucht nach dem, was ihn ausmacht, finde ich genial. Schließlich als Krönung die Sehnsucht nach dem Licht. Ein großartiges Gedicht zum Jahresbeginn, an dem sich doch mehr Menschen als sonst die Frage nach ihrem Selbst stellen. Ich hoffe, daß ich mit meiner Interpretation nicht zu sehr daneben liege.

Liebe Grüße Vera-Lena
 
E

Elijah

Gast
Hallo margot,

willst Du wirklich im neuen Jahr wieder zu Dir selberfinden, dann warte geduldig...
...bis Dein EGO stirbt !!!

Denn solange es noch an Dir klebt wie eine Eierschale, trocknen Deine Flügeln nie und...
...womit willst Du Dich dann in die Lüfte schwingen?

Das Bild des "wilden Gartens" für die Beschreibung Deiner Gefühle gefällt mir übrigens sehr gut !!!
Es erinnert mich an libanesische Poesie. -
Du liest nicht zufällig Khalil Gibran?

Elijah
 



 
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