deinetwegen lacht schwarz

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Venus

Mitglied
deinetwegen lacht schwarz


in der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus
gegangen / mutig
setzte sie ihre beine in
die luft
benannte lücken
die das leben nie füllt

jetzt schreiten andere
auf trockener erde
hinter denen die dich halten
in streunenden gedanken
dauernd gelassen
[ 8]winkt uns dein übermut



© gabriele schmiegelt




Fliegst du jetzt mit deinen Worten, Hilde?
Mit zeitloser Hochachtung,
Dir gewidmet, am 22.02.2006
 

Inu

Mitglied
Hallo Venus

Hilde Domin

Das Gedicht ist nicht schlecht, aber wer nicht weiß, wen Du meinst, der könnte denken, es sei Deine Großmutter gewesen oder eine Freundin oder wer auch immer, der da gestorben ist. Es überzeugt mich nicht wirklich. Bringt 'Hilde's Wesen nicht unverwechselbar herüber. Ich bin nur auf sie gekommen, weil ihr Todestag zufällig mit dem Datum auf Deinem Gedicht übereinstimmt. Die Aussage ist mir zu beliebig, wenn auch schön poetisch und gesucht.

Als besonders 'übermütig' hab ich Hilde Domin nicht empfunden.

Gruß
Inu
 
I

inken

Gast
liebe venus, gerade weil man meinen könnte,
sie wäre deine großmutter gewesen oder eine
freundin gewesen, gerade deshalb überzeugt mich dieses
gedicht sehr, es ist privat, intim, so, wie du
dich dieser dichterin genähert hast. man muß die
dichterin, um die es geht, nicht kennen um dennoch
zu spüren, was du in ihr siehst. so, denke ich,
sieht eine wirkliche hommage (schreibt man das so?)aus.
dafür die 10. dies gefiel mir am besten:

in der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus
gegangen / mutig


liebe grüße inken

Ps. liebste inu, wenn du ein gedicht derart verreißt,
dann handelt es sich mit hoher wahrscheinlichkeit
gerade um eins der besten gedichte in der LL,
auf dich ist tatsache verlass :)
 

Venus

Mitglied
Liebe Inu,

eben: wer immer da gestorben ist; eine aufrichtige Ehrerbietung.

Oh ja, Hilde war in meinen Sinnen die pure, federnde Prägnanz. In Ihren Worten erwuchs Wortvertrauen, in ihren Zeilen kamen Lakonie und Übermut überein!

Hilde Domin sagte einmal:
„Ich glaube nicht an die Änderung der Wirklichkeit durchs Gedicht, aber an die Änderung des Einzelschicksals.“.

Ich wage zu behaupten:
Dich hat sie nicht gekannt.

In diesem Sinne verbleibe ich mit Frau Domin – lebendig,

Gabriele
 

Inu

Mitglied
Inken

in der zeit ist uns
wieder einmal eine voraus
gegangen / mutig
setzte sie ihre beine in
die luft
benannte lücken
die das leben nie füllt
Da ist sie nicht die einzige.
Dieser Vers passt auf viele unbekannte tote Großmütter ebenso wie auf Golda Meir, Marilyn Monroe, Diana, tausende Intellektuelle und Prominente und Millionen einfache Leute. Praktisch auf jede(n)zweite(n), der gestorben ist.

Was hat das im Besonderen mit Hilde Domin zu tun? Also so toll finde ich solche Aussagen nicht.

Gruß
Inu
 

Venus

Mitglied
Meine liebe Inken,
ich danke dir sehr.

Hilde Domin, die bis 1999 ihr Geburtsdatum verschummelte, kehrte 1954, nach ihrer Flucht nach England und langem Aufenthalt in der Dominikanischen Republik, wieder nach Deutschland zurück. Auf die Frage warum, erklärte sie: „ der Sprache wegen bin ich zurückgekommen“.

Und wer außer ihr konnte:

die Welt
hochwerfen
dass der Wind
hindurchfährt


?

Ich nicht. Ich wenig. Ich gerne. So gerne. Jeder Versuch ein Versuch.

Nach langer, gezwungener Auszeit habe ich deinen Eindruck so gerne gelesen.
Hilde Domin hat damals, bei ihrer Lesung in Augsburg, ihre Texte immer zweimal vorgelesen. Wir beide haben gelernt: das kann nicht schaden ;o)

Arg herzlich,
Gabi
 

Inu

Mitglied
Liebe Venus

Es geht nicht um die nachgereichten Erläuterungen über Hilde Domins Leben und Werk in Deinen Antworten auf die Kommentare, es geht mir einzig und allein um d a s
G e d i c h t und seine Aussage. Und die scheint mir ziemlich beliebig.

Gruß
Inu
 

Venus

Mitglied
Die Lyrikerin Hilde Domin hat sich über den Film "Poem" verärgert gezeigt, der ihren Satz "Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug" unter Weglassung des Kommas als Untertitel verwendet. Der Verlag S. Fischer erklärte, die Dichterin sei empört, weil der für sie sehr intime Satz ohne Genehmigung und ohne Autorenhinweis verwendet werde, damit den Eindrucke nahelege, diese Zeilen stammten von den Machern des Films. Der Satz ist das Motto von Domins Gedichtsammlung "Nur eine Rose als Stütze", er steht auf dem Grabstein von Hilde Domins Mann, Erwin Walter Palm, der 1992 starb.


Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner.../2003/0514/feuilleton/0095/index.html[/i][/b]
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Venus,

überaus gelungen Dein Text! Für mich ist dies eines Deiner überzeugendsten Werke. Leichthin liest sich heraus, Liebe, Verehrung und intellektuelles Vergnügen. Was sie Dir am meisten bedeutet hat steht ebenfalls ohne Umschweife da:

In diesem Falle lacht selbst schwarz, denn ihren Übermut hat sie uns hinterlassen.

Die Knappheit Deiner Sprache bringt in diesem Falle Doppeldeutiges mit großer Schlichtheit zu Eindeutigem.

Meine Hochachtung!

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
Liebe, verehrte Vera-Lena,
ich danke dir recht herzlich!

Natürlich ist es mir Freude, meine Gedankensprünge zu erklären; Ehre hingegen, wenn sie verstanden. Beinahe übermutig fühle ich mich – weiterzuschreiben eben.

Frau Domins Worte einzusetzen, ohne einen direkten Hinweis, wäre mir Schande gewesen. Und letztendlich ist und bleibt ihr dieses Gedicht gewidmet.

Ein großer Verlust, ihr Ableben. Nehmen wir es mit Paul Samuelson, der sagte: „ Schau immer zurück. Du könntest etwas lernen.“.

Recht verbunden, meine Grüße

Gabriele
 
S

Stoffel

Gast
Plauderei von mir...

Hallo,

hm...

nun...diesen Text könnte man vielen widmen. Als jemand der da solch Reden hält zu Grabe.
Ich kenne diese Person nicht. Bildungslücke? Nun, wenn...dann machts mir nix.*smile*

Ich könnte für den Text keine Wertung abgeben. Er ist nicht gut, er ist nicht schlecht. er ist irgendwas.
*achselzuck*

Ich selbst bin es gewohnt, Laudatio zu halten und lass mir dazu gute Sachen einfallen. Habe auch schon Grabrede gehalten. Weil ich den Menschen, der da unten lag, kannte.

Den Titel finde ich gut und der allein, zog mich her.
Der Text...mei..sorry...das ist etwas, was ich aus dem Ärmel schütteln würde. Oder andre. Drum für mich nix sonderliches.

Hm..bin ich enttäuscht? Hm..vielleicht, ein wenig;)

lG
Sanne
 

Inu

Mitglied
Liebe Stoffel

Und was stellst Du Dir unter 'deinetwegen lacht schwarz' vor, das Dir so gut gefällt? Mich irritiert der Titel aufs höchste. Ist das eine Redewendung oder was? Ich hab sie noch nie gehört. Bildungslücke?

Gruß
Inu
 
S

Stoffel

Gast
och Inu, nu nagel mich doch nich auf eine Zeile (Titel) fest. Nur weil ich bemerkte, es würde mir gefallen. :(

Bis woanders und ein andermal:)

lG
Sanne
 

Inu

Mitglied
Ich bin einfach nur neugierig. Über diesen fantastischen Titel mach ich mir seit 2 Tagen Gedanken, ob ihrs glaubt, oder nicht. Hab sogar schon im Internet geforscht, obs nicht vielleicht ein toller Satz aus einem von Hildchens Gedichten ist. Hab nix gefunden. Deswegen bin ich i r r i t i e r t . Und dass es nur ein bisschen Schaumschlägerei ist, das traue ich auch Venus nicht zu. Lächel...

Inu
 

Venus

Mitglied
Hallo Sanne!

Lieben Gruß nach G. – schön, dich hier zu lesen!

…schön auch zu lernen, dass die LL Plauderei nicht mehr so ernst zu nehmen scheint (ein Ruf zur Administration: kidding! just kidding! honestly!) Schön, schön, schön, dass meine Ehrerweisung an Frau Domin zur Diskussion anregt. Sehr schön, dass ich nach einiger Zeit der LL-Abstinenz - und der Schreiberei guthin – in der Tat gelesen werde. Schön, schön, schön, schön, dass ich lernen darf –

und erwidern.

Eine Laudatio ist kein Gedicht.
Ein Gedicht mag Grundlage sein, für eine Grabrede oder eine Laudatio; doch eine Grabrede ist kein Gedicht. Eine Laudatio ist kein Gedicht. Niemals.

Für beide möchten wir uns wünschen, dass der Vortragende einen direkten Kontakt zum Empfänger gehabt haben möchte, dass er ihn persönlich kennt oder kannte, dass er mehr zu berichten weiß, als einen - seinen - r e i n persönlichen Eindruck.


Ich möchte kurz zusammenfassen:

Was ist ein Gedicht oder besser, was braucht ein Gedicht um ein Gedicht zu werden, das sich abhebt aus der Masse – oder noch besser: welche Grundsätze möchte es erfüllen, damit es überhaupt ein Gedicht wird?
Dabei beachten möchte man sicher:

Sensibilität,
Sprachgefühl,
bestimmte Versformen oder Reimarten

Diese Grundsätze bilden ein Gerüst, welches nach bestem Wissen und Bestreben untermauert wird, von einigen unabdinglichen Voraussetzungen.

So genannte Verse z.B., bilden Sinneinheiten, wobei nicht der Satzbau bestimmt, wo ein Vers beginnt oder endet. Von einem Gedicht möchte man anderes erwarten, andere Inhalte, als von Prosatexten. Eine Laudatio benötigt bspw. solche; eine Grabrede auch.
Das Gedicht zählt zur Lyrik. Lyrik überzeugt durch die Unmittelbarkeit des Ausdrucks.

Im Gedicht empfindet der Dichter und nur dieser drückt auch seine Empfindung aus.

Wenn nur Wissen, Denken oder Glauben zum Ausdruck kommen, kann man also – mit Nachdruck! - noch nicht von einem Gedicht sprechen.
Im Empfinden ist der Mensch einzigartig und nur durch den Ausdruck des Einzigartigen guthin, empfängt das Gedicht seine eigene Note.

Vorausgesetzt natürlich, auch der Empfänger – in diesem Fall der Leser – ist auf der annähernden Empfindungsschiene wie der Autor!

Wäre dies nicht so, würde die ganze Welt Kurt lieben. Weil Isolde nämlich Kurt liebt! Und weil Isolde ihrerseits alle herrlich perfekten Vorraussetzungen für eine vollkommene Liebe erfüllt; und der Rest der Menschheit demnach auch so zu denken und zu fühlen pflegen würde wie Isolde! Weil die Einzigartigkeit eine Luftblase wäre.

Um zu pauschalieren möchte ich meinen, dass wir uns zugestehen sollten, dass der Mensch beim Empfinden Fehler macht.
Unbedingt auch der Dichter.
Ausgelutschte Worte, abgegriffene Themen, welche die Sachverhalte nur ungenügend treffen, sentimentale Gefühlsduselei, mangelnder Rhythmus, unreine Reime sind solche, um nur wenige zu nennen.

Das Gedicht formuliert das kleinste Ganze. Nur im Bildhaften entsteht das Dichterische.

Doch auch der Leser ist nicht frei von Schuld (in Bezug auf Fehler).

Ja, Sanne, Bildungslücke.

Eine Bildungslücke allein jedoch ist noch kein Fehler. Eine Aussage in Frage zu stellen, ohne sich mit entsprechender Information zum aktuellen Sachverhalt zu unterfüttern, ist – lass mich formulieren: schwach.

Ich behaupte:
Ein ernst zu nehmender Schreiber eignet sich (spätestens nach der ersten aufrechten Kritik) erst einmal die Grundsätze der Grammatik an. Ein aufrechter Lyriker lernt mehr als Heine, Brecht und Schiller. Ein aufrecht interessierter Leser will vorab wissen – und äußert sich dann.

Es spricht für dich, wenn du Gedichte aus dem Ärmel schüttelst. Ich werde die Qualität derer gelegentlich prüfen. Sei dir versichert.

Ich jedoch, liebe Susanne, schüttle keine Gedichte aus dem Ärmel.
Mir ist die Lyrik Freund und Feind gleichhin. Ich fürchte sie gleichermaßen, wie ich sie auch schätze.
Kein Gedicht verlässt mein Haus, bevor ich nicht im guten Gewissen mit ihm im reinen bin.
Was nicht heißen soll, dass ich konstruktive Kritik nicht begrüße. Ganz im Gegenteil! Ich wünsche sie mir sehr!

Deine Kritik zeigt mir, dass du mich nicht verstanden hast. Du bist auf keines meiner Details eingegangen. Du wolltest nicht.
Du wolltest dich mit mir vergleichen.

Der Vergleich hinkt meist.



Dennoch,
besten Dank für deine Nachricht, ich habe gerne geantwortet. Bitte habe Nachsicht, dass ich weitere Kommentare, die sich nicht explizit auf Textpassagen beziehen, nicht weiter beantworten möchte.

Freundlich,
Gabriele



PS:
Verehrte Administration:
Bitte seid versichert, dass ich bei entsprechenden Fragen zum Gedicht, gerne detailliert auf Inhalte eingehen möchte.
LG: Gabriele
 
S

Sandra

Gast
Ich denke ebenfalls, Unwissenheit ist keine Schande, aber ein Gedicht wie dieses ist immer ein Anlass sie zu beseitigen. Nicht selten habe oder musste ich (mit Freude) mich in ein Gedicht und Thema einlesen, bevor ich eine Meinung dazu haben konnte. Und ich denke ebenfalls – und es ist wichtig und richtig, dass Venus dies hier geäußert hat - dass die Meinungsäußerung und gerade Kritik am Gedicht bitte n a c h dem Einlesen erfolgt.
Es passiert hier in der LL nicht selten, dass die eigene Unsicherheit am Inhalt zur Kritik umgewandelt wird, ohne zu reflektieren, in wie weit man als Leser selbst sattelfest ist. Nicht selten wird daraufhin der Text zerredet, der Autor wird zur Rechtfertigung aufgefordert und im schlimmsten Fall gefällt ihm der Text zum Ende hin selbst nicht mehr. Das wird Gabi, denke ich, nicht passieren und es wäre sicherlich auch fatal, wenn dem Autor die Lust genommen würde, den Lesern der LL solch ein gelunges Gedicht erneut zu lesen zu geben.
Chapeau an dich, Venus.



Sandra
 

Venus

Mitglied
Liebe, verehrte Kollegin Sandra,

aufrichtigen Dank für deine ausführliche Darlegung und objektive Betrachtung.
Nein, es wird nicht passieren. Ich suche nach keiner Rechtfertigung. Ich erarbeite mir meine Werke eben unter diesen Voraussetzungen.

Unbedingt gilt mein Dank deshalb jenen Autorenkollegen/Innen – gerade auch und im Besonderen, hier in der LL – für ihre hilfreiche Unterstützung und den Ansporn weiter zu lernen. Einzig und allein deshalb habe ich meine „alten“ Gedichte hier eingestellt gelassen und nicht gelöscht. Für mich ist es Beispiel durch sie zu erkennen, was mit aufrechter Arbeit an der Sache (an jeder!) zu erreichen ist.
Wäre ich unfehlbar perfekt, so frage ich, wäre ich dann hier?


Natürlich nahm ich Hilde Domins Ableben zum Anlass; guthin: es hat mich nachdenklich und auf trotzmutige Weise angehalten, dieses Gedicht zu schreiben.

Dass nun werte Kritiker auf famose Art und Weise feststellen, diese Zeilen könnten jeder x-beliebigen Großmutter gewidmet sein, spricht unbedingt für es! Ja, es spricht für mich. Vergelts Gott, für diese Äußerung! …obschon ich die <Großmutter> als Solche in Frage stellen möchte; warum nicht jeder x-beliebigen Freundin, Frau? Die Großmutter wurde bestenfalls vorbildlich interpretiert, weil sie (rechtmäßig) in der Fußzeile genannt und erkannt sein wollte.
Ja. Eine vorbildliche Vorläuferin jedenfalls, möchte der geschätzte Leser erkannt haben. So weit so gut.

Widme und oder erarbeite ich bspw. ein Gedicht meinem geliebten Klausjürgen, so bestünde mein größter lyrischer Fehler darin, in meiner Ausarbeitung einzig und alleine Klausjürgen – und meine private Beziehung zu ihm – in diesem Gedicht zum Ausdruck zu bringen. Brechts "Erinnerung an die Marie A." bspw., wird mit Nachdruck gelesen. Nicht jedoch, weil der werte Leser in seinen Äußerungen sofort besagte Marie Rose Aman erkennt, vielmehr weil jene, sorgsam gewählten Worte jede beliebige, vergangene Liebe beschreiben; jeder Leser sich angetroffen, angesprochen fühlen kann und darf. Vorausgesetzt natürlich: Der Empfänger – Leser – ist auf der annähernden Empfindungsschiene wie der Autor!


Nun endlich zum Gedicht. Zur Intention der Verfasserin.


Der Einsatz von Metapher und Vergleich ist (u.a) ein rechtschaffenes Kennzeichen von dichterischer Sprache. Beide unbedingt mit Bedacht und Sinn eingesetzt – obschon: (!) Paul Celan oder Gottfried Benn als mutige Autorenbeispiele, für eine individuelle Interpretation dieser Feststellung erwähnt sein möchten! Wiederum erklärt sich auch hier:
Voraussetzung ist: Der Empfänger – Leser – ist auf der annähernden Empfindungsschiene wie der Autor! Will sagen, der Leser ist willens (mutig und belesen!) zu interpretieren.

So viel Mut – bei meiner Seel’! – setzte ich hier nicht voraus.

Den Willen, grundsätzliche Lehren der Farbpsychologie vielleicht, um mit dem Titel zu beginnen; ich schmunzle.

in der zeit ist uns (diese Aussage alleine wäre für mich beinahe ein Gedicht. Ein feiner Titel allemal! In jeder Zeit ist ein Teil von uns? Oh ja! Mutig, diese Interpretation! Warum nicht?!)
wieder einmal eine voraus (In jeder Zeit ist ein Teil von uns, der uns ein stückweit voraus ist. Unsere zeitgemäße Zukunft, nämlich. Wir selbst sind uns – oder der eine dem anderen? ein Stück voraus? Wären wir uns nicht selbst gerne oftmals ein stückweit voraus? Schmerzhafte Erfahrungen lägen dann unbemerkt hinter uns. Die Erfahrung schlechthin hätte sich für uns erledigt. Voraus! „Jemand ist uns um eine Nasenlänge voraus“ – er ist klüger als wir. Jemand ist vor uns. Schneller, besser, erfahrener…)
gegangen / mutig (<gegangen>. „Von uns gegangen“. Der zweite Hinweis auf den Tod - sofern der Leser geneigt ist, die Farbe Schwarz mit dem Tod zu assoziieren. Nicht einfach gegangen, geschlendert, spaziert – nein! „Mutig!“. Hier ging jemand voran, der unerschrocken neue Wege ging. Ein Spurensucher? Ein Fährtenleser? Ein Reiseleiter? Jemand der die Wege kennt und deshalb sicher führt? Jemand der die Wege ebenso nicht kennt, doch zuversichtlich ist? Jemand der die Wege nicht kennt, doch sicher in seinem Terrain voranschreitet?)
setzte sie ihre beine in (das Wagnis? In unbekannte Gegenden? In die kluge Voraussicht?)
die luft ( - sie trug! Der erste deutliche Hinweis auf Frau Domin; sofern der Leser geneigt ist gewisse Empfindungsschienen zu teilen oder besser: Bildungslücken zu überbrücken, oder noch besser: Fakten klarzustellen! Die Autorin verwies damit bewusst und rechtschaffen auf Frau Domin)

usw. usf. …

Einen Kommentar las ich noch, mit folgendem Wortlaut:

„Als besonders 'übermütig' hab ich Hilde Domin nicht empfunden“.

Bei Gott, ich schwöre: Ich auch nicht! Sofern diese Aussage lapidar verstanden sein möchte.
Tatsache ist, dass ich nicht den sprichwörtlich lapidaren <Übermut> intendierte. Ein weiterer Hinweis, dass hier flüchtig gelesen und nicht interpretiert sein wollte. Will sagen:
Der Empfänger – Leser – ist nicht einmal annähernd auf derselben Empfindungsschiene wie der Autor. Keine Schande für den Schreiber.
Meine Hochachtung gilt ungebrochen Frau Domin. Sie verkörperte für mich Übermut. „ Mein Schatten, der schmalste einsamste unter den Toten“
Mut gehört zu dieser Aussage. Übermut.

Nicht ärgerlich, doch nachdenklich allemal und dankbar, nämlich auch Autorenkollegen/Innen wie dir, verbleibe ich auf meine Weise still -

Gabriele
 
liebe gabriele,

ein bewegendes und besonderes werk. in der dir eigenen art, doch (auch für mich gut) nachvollziehbar. zu hilde domin kann ich nicht viel sagen, da ich eben erst einmal bei google über ihre biographie nach gelesen habe. aber ich denke das solche bezüge auch nur für einzelne wichtig sind. in letzter konsequenz geht es doch darum was der autor an inhalten weiter geben möchte. und ich denke du gibst hier in diesem werk viel anregung für deine leserschaft weiter.


lieben gruß heike
 

chrissieanne

Mitglied
liebe venus,
erstmal freu ich mich sehr, dich wieder lesen zu dürfen.
auch wenn du mir, mit deiner sehr eigenen art zu schreiben, oft unergründlich bist, lese ich dich gern. denn, auch wenn ich manchmal nicht wirklich dahintersteige, erzeugen deine texte bei mir fast immer eine wirkung. gedichte müssen meiner meinung nach auch nicht "verstanden" werden, sprich, was denn ganz genau die intention der autorin war und was sie damit sagen will.
wichtig ist, dass es etwas auslöst. eigene empfindungen.
oft erschließt sich ein gedicht erst nach mehrmaligem lesen und auch dann muss das nicht mit der "originalintention" einhergehen. deshalb find ich es schade, dass du dich, aufgrund einiger kommentare,dazu hast hinreißen lassen, dich zu erklären.
ich bin keine lyrikerin und ich lese auch nicht viel lyrik. aber wenn, bin ich immer wieder hingerissen von diesen wortgemälden. und ich habe meine absoluten lieblingsgedichte. in foren kommentiere ich selten, da ich von den regeln der lyrik keine ahnung habe und meine empfindungen zu erläutern zu nervig wäre. und immer nur ach wie schön usw. ist ja nun auch blöd. (und texte, die mir gar nix sagen, kommentier ich nicht und bewerte sie auch nicht. ich bewerte somit nur positiv und somit gar nicht mehr.)
zu behaupten, sowas kann ich aus dem ärmel schütteln, find ich schlicht unverschämt. das kannst du aber durchaus auch als kompliment ansehen, denn offensichtlich kommt es in seiner tiefe sehr leicht daher und das ist bekanntlich die wahre kunst.
Hilde domin kannte ich, aber wie so oft, wirklich aufermerksam wurde ich erst auf sie als sie starb.
dein gedicht hat mich berührt (oh mann, ich hasse das, aber mir fällt keine alternative formulierung ein. angesprochen ist zu nüchtern, gefesselt passt nicht, angefasst läuft aufs selbe raus... naja) und ich verstand es als abschied von einer freundin (evtl. der grund, warum du solange fort warst). das es sich um die dichterin handelte erschloss sich mir dann nach dem ersten kommentar.

liebe grüße von
chrissieanne
 

Venus

Mitglied
Liebe Heike,

recht herzlichen Dank für dein offenes Feedback, deine positive Einschätzung freut mich sehr!

Ich gehe unbedingt mit dir einher, dass der Bezug nicht maßgeblich ist. In diesem speziellen Fall war er mir Anliegen und natürlich gewissermaßen Pflicht.

Freilich hat jeder Schreiber – jener, der der Prosa zugetan, als auch der andere, der sich der Lyrik versprach – seine ureigne Art zu schreiben; das ist gut so. Mir will es wichtig und unabdinglich, nach einer gewissen Zeit des Experimentierens, den „Bauch“ mit dem Hirn zu verbinden. Schreiben meint in der Tat Arbeit. Schreiben ist irgendwann mehr Pflicht denn Kür. Erstzunehmende! Ich weiß, ich will beständig lernen. Mir liegt daran, die beiden Freien zu verbinden.
Die Erkenntnis lehrt:
Die Leichtigkeit ist das Schwerste.


Gerne behaupte ich heute, dass ich nur anregen kann, weil ich angeregt werde. Von Kollegen/Innen, die ihre Aufgabe mit Leidenschaft leben und - von der Welt guthin.

Ich hab mich dermaßen gefreut, dich bei mir zu lesen; stolz bin ich drauf!

Noch einmal meinen lieben Dank hin zu dir
und ganz bestimmt ebensolche Grüße,

Gabriele
 



 
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