dem vater unserer mutter

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Perry

Mitglied
dem vater unserer mutter

wenn er uns anschaute sich mit dem handrücken den schweiß
von der stirn wischte stahl sich ein leises lächeln ins zerfurchte
mehr an gefühlen gab es nicht in seiner welt aus kohle und staub

wenn wir aus den betten schlüpften war er längst die jacke über
die schulter geworfen unterwegs zum lagerhaus hörten wie er
pfeifend das grauen des morgens aus den büschen vertrieb

einmal nachmittags besuchten wir ihn an seinem arbeitsplatz
er schaufelte schwarzes gold auf einen anhänger war als mittler
zwischen halde und ofen der rußige herr über licht und schatten
 
Lieber Manfred,
von Deinem Gedicht bin ich begeistert. Du lässt genau die Atmosphäre zwischen Vater und Kindern entstehen, ohne Überzeichnung oder gar romantisierende Schnickschnack.
Großes Kompliment
Karl
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo Karl Feldkamp,

wieso 'Vater und Kindern' - Großvater und...sollte es doch heißen.
Und schon bin ich bei Perry.

Hallo erst einmal,

warum in der Überschrift nicht einfach 'Mutters Vater' oder - am besten, wie ich finde - 'Unser Großvater' ? Ist der hier gewählte Titel einer typisch regionalen Sprachwendung geschuldet?

1. Strophe
Der kleine Stolperstein befindet sich in der Mitte. Vielleicht wäre von der stirn wischte verlor sich ein leises lächeln im gesicht besser. Sonst gibt die Strophe den flüssigen Stil für das Gedicht vor - was mir gefällt. Doch dann bricht er ab:
2. Strophe
Lauter holprige Einschübe - warum? Hier solltest du nachbessern, um das Lesen angenehmer und den Erzählfluss zurückzugewinnen.
3. Strophe
Hier ist alles wieder im Fluss.

Das Atmosphärische deines Gedichts hat mir sehr gefallen.

Es grüßt
DOSchreiber
 

Tula

Mitglied
Hallo Manfred

So richtig kann ich die Begeisterung hier nicht nachvollziehen. Es ist soweit ok, klingt aber auch alles etwas pauschalisiert, inhaltlich und sprachlich nichts unbedingt Neues.

Der rußige Herr über Licht und Schatten gefällt mir hingegen sehr.

LG
Tula
 

Perry

Mitglied
Hallo Zusammen,

Hallo Karl,
der Text beschreibt die Sicht des damaligen Kindes, weshalb ich deine lobende Einschätzung gerne in seinem Namen entgegennehme. :)

Hallo DOSchreiber,

danke für deine offene Kritik, auch wenn ich sie nicht teile.

"dem Vater unserer Mutter" soll die Distanz der Kinder zu diesem schweigsamen großen Mann verdeutlichen und hat keinerlei regionalen Spracheinfluss.

Ich habe das Gesicht absichtlich zugunsten des "zerfurchten" weggelassen, weil so die Mühe und Not besser zur Geltung kommt.

Was Du als "holprige Einschübe" bezeichnest, ist für mich Wortkunst, sonst hätte ich das Ganze auch als Kurzprosa schreiben können.

Sicher alles Ansichtssache, aber für mich ist Lyrik eben Kunst und darf deshalb auch mal etwas sperrig sein, wie das Leben in den harten Nachkriegsjahren.

LG
Manfred

Hallo Tula,
danke für deine kritische Sicht auf den Text.
Was ist schon wirklich neu, andererseits wieviel Gedichte, die die harte Arbeit der "Helden des Alltags" in der Nachkriegszeit würdigen hast Du schon gelesen?.
LG
Manfred
 

Tula

Mitglied
Hallo Manfred

Gewiss einige. Das stört auch nicht, die Themen wiederholen sich halt, das ist völlig normal. Gerade deshalb ist mir zum Beispiel S1 etwas zu stereotyp, die Distanz zwischen Opa und Kinder etwas unglaubwürdig. Dann widerspricht das fröhliche Pfeifen in S2 etwas der letzten Zeile in S1. Finde ich jedenfalls.

Wie gesagt, das abschließende Bild ist großartig und würdigt den arbeitenden Menschen als Herr über Licht und Schatten, auch wenn er selbst von diesen fast verschlungen wird. Das macht ihn gewissermaßen zum Helden und trifft somit voll ins Schwarze :)

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo,

sonst hätte ich das Ganze auch als Kurzprosa schreiben können.
Nein, diese Ansicht vertrete ich überhaupt nicht. Es gibt herrliche Gedichte, die weitausholend ins Prosaische gehen und ganz und gar Gedicht bleiben. Der Reiz deines Gedichtes ist ja eben auch, dass dir eine archaisch wirkende Figur gelingt, deren Leben und Arbeit du in einem modernen Sprachrahmen verarbeitest. Dieser scheinbare Widerspruch ist der springende Moment in deinem Werk. Ich bleibe also dabei: Die zweite Strophe bedarf einer (leichten) Korrektur.

Es grüßt
DOSchreiber
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo Manfred,

meine Freude über dein Gedicht - bei aller Kritik - hat wohl mit einem unbewussten Erinnern zu tun, nämlich an den Roman Irrlicht und Feuer von Max von der Grün. Ich fand mich damals wie jetzt in ein Leben der sog. einfachen Leute wieder, die immerhin in der Öffentlichkeit Autoren fanden/finden, über ihr Dasein so zu schreiben, dass es glaubwürdig klingt. Du gehörst dazu...

War nur so ein Hinweis, Gedanke, Erinnern...

Schöne Grüße von
DOSchreiber
 

Perry

Mitglied
Hallo Zusammen,

hallo Tula,
danke fürs Präzisieren der Kritik.
Die Distanz mag unglaubwürdig klingen, ist aber authentisch, weil wir nicht beim Großvater aufgewachsen sind, sondern nur die Zeit überbrücken mussten, bis unser Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam. Auch die Diskrepanz zwischen seiner Verschlossenheit und dem fröhlichen Pfeifen ist auf den besonderen Charakter des Großvaters zurückzuführen, an dem ich nichts ändern möchte.
LG
Manfred

Hallo DOSchreiber,

auch Dir Danke fürs nochmalige Feedback.
Beim Versuch die zweite Strophe etwas flüssiger zu schreiben,
bin zu folgender Variante gekommen:

"wenn wir aus den betten schlüpften war er längst unterwegs
zum lagerhaus die jacke über die schulter geworfen vertrieb er
mit seinem pfeifen das grauen des morgens aus den büschen"

LG
Manfred

PS:
Bei Gelegenheit werde ich mal einen Blick in den Roman von Max von der Grün werfen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Die überarbeitete zweite Strophe gefällt mir jetzt sehr viel besser. Das Gedicht hat deutlich an Fahrt aufgenommen und mündet - ohne fahrig geworden zu sein - in die dritte, wo der lebenslang Malochende zum 'Herr über...' wird.

Es grüßt
DOSchreiber
 
C

Christian Jyren

Gast
großartiges Gedicht ... ich bin hier allerdings gegen jedes Glätten, das Sperrige an einigen Stellen hat dem Gegenstand authentisches Leben eingehaucht ... don`t.

... wenn (!) dann hätte ich nur ein Problem ... " ... Licht und Schatten" "Mittler zwischen Halde und Ofen" finde ich schon stark genug. Aber ich würde dir nie raten das rauszunehmen, weil das einfach nur subjektiv ist, diese meine Empfindung ... und wieviel Effekt oder Pathos ein Werk garniert, sollte jeder selbst entscheiden, solange er gewisse Grenzen nicht verletzt ... der Leser muss es ja nicht zweimal lesen.

Beste Grüße
Christian Jyren
 

Perry

Mitglied
Hallo Christian,

danke fürs Feedback. Meine Texte haben oft eine längere Überarbeitungsphase und die Endfassung erhalten sie erst, wenn ich sie möglicherweise in ein Manuskript einbinde.
LG
Manfred
 



 
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