demut

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
lieber stephan,

dank deiner erklärung eine acht mit tendenz nach oben.

alles liebe otto(johann):)
 

ENachtigall

Mitglied
sieben Köpfe

Hallo rosste,

ruft bei mir Assoziationen sowohl zu den biblischen Offenbahrungen als auch zu märchenhaften mehrköpfigen Ungeheuern/Drachen hervor.

Mein widerspenstiges Lesen springt in dem beschriebenen Verwandlungsprozess zunächst desorientiert hin und her, bis sich heraus kristallisiert, wieviele Wesen hier im Spiel sind und wer wen erlöst hat.

Aber jetzt hab ich´s begriffen und finde es sehr gelungen.

Grüße von Elke
 

rosste

Mitglied
danke otto, danke elke,
die sieben köpfe im gedicht sind sieben "teile" von mir, die sich verändern, innere kämpfe und inneres wachstum durchmachen, weinen und am ende erlöst werden, indem sie alle an einem strang ziehen...

lg
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Stephan,

danke für die Erklärung dazu.
Ja, so hatte ich es schließlich auch verstanden; dass es EIN Wesen ist, dessen Zerrissenheit durch das Bild der sieben Köpfe plastisch wird. Dabei wird Spannung durch die Gegenüberstellung zum EINEN Inneren/Kern spürbar. Ein intensives Gedicht, das durch seine spartanische Wortinszenierung zu einer sprachlichen Skulptur wird. Damit meine ich, dass es vermag, bildhafte Vorstellungen hervorzurufen.

Grüße von Elke
 
Mir persönlich sagt der religiöse touch des Textes überhaupt nicht zu - auch wenn ich ENachtigalls "sprachliche Skulptur" als Label für den Text sehr befürworte.

Warum die nachvollziehbaren und notwendigen inneren Kämpfe zum Wachstum, also Psychisches, religiös und magisch ("sieben Köpfe") verbrämen?

Und "Demut" spielt doch keine tragende Rolle, solange man in innere Kämpfe verstrickt ist und mit sich selbst beschäftigt und daher nach außen hin schwach, sondern sie sollte gerade dann beginnen, als dauernde Warnung gegen sich selbst, wenn die inneren Kämpfe vorbeisind, wenn man mit sich selbst scheinbar im Reinen und voller im Grunde immer gegenstandsloser Selbstsicherheit (hier liegt der Knackpunkt) in Welt hinaus wieder zu handeln beginnt?

"Denke daran, oh Cäsar, dass du sterblich bist" flüsterte man einst dem Triumphator zu, dem Sieger nach allen Kämpfen, aber doch nicht einem in Kämpfe noch Verstrickten.
 

rosste

Mitglied
danke elke,
ja, so will der protagonist verstanden werden: als kristall geboren, im leben dann in den sieben weltmeeren dissoziiert, um dann wieder zu einem individuum zu kristallisieren.

lg


danke waldamar,
du fragst:
"Warum die nachvollziehbaren und notwendigen inneren Kämpfe zum Wachstum, also Psychisches, religiös und magisch ("sieben Köpfe") verbrämen?"
der protagonist ist nun mal aus solchem holze geschnitzt - religiös, mystisch, materiell, dialektisch, endlich, vergänglich und fehlerhaft.
die demut kommt ja erst nach den überstandenen kämpfen. im kampf selbst ist keine zeit zur demut - das stimmt.
hab auch lange überlegt, ob ich für "erlösung" zum schluss ein anderes wort nehmen soll, fand aber noch kein gutes bild dafür. vielleicht fällt dir eins ein. du bist zwar aus anderem holze geschnitzt als der protagonist, aber vielleicht ist es gerade das, was dem suchenden protagonisten fehlt: die idee eines anderen.

lg
 
@ rosste

Ich hätte den Text ungefähr so geschrieben(*):

mut

tausend köpfe
den körper
gebeugt
innere stacheldrahtverhaue spürend
verwandelt in einen soldaten
kriechend im schlamm der gefühle
gräben und minenfelder des eigenen inneren
im krieg mit sich selbst

er kämpft - sich durch
er weint - sich aus
er kniet, er steht auf
und wird wieder teil von welt

(*) aber bitte nicht falsch verstehen, ich will an Deinem Text nichts herumkritteln, denn jeder Mensch erlebt anders, ist also nur meine Version des psych.Mechanismus, so wie ich ihn aus Deinem Text herausgelesen habe.

"De-Mut" = im Sinne von "Entmutigtsein" kommt entweder vor solchen inneren Kämpfen, oder wenn man sie nicht besteht - dann hinleitend zur Verzweiflung.

Das christl. verstandene "Demut" weist auf Unterwerfung/ auf Arten von Selbstaufgabe hin, was bedeuten würde, dass man sich unter dieser Maxime in irgendeiner Form selbst aufgeben würde, und damit sind äußere und auch innere Kämpfe nicht zu gewinnen, bei denen es ja letztlich immer um die Erhaltung/das Resetten der eigenen psych.Integrität geht.
Hier gilt praktisch: Wer gar nicht erst kämpft/ wer sich nicht aufbäumt/ wer seine Schwächen domestiziert/, der hat von Anbeginn verloren."
Das Gefährliche an solchen inneren Zuständen des Zweifels, der Verwirrung, der Angst, des Zwanges zur Neuorientierung ist ja immer, dass sie aus Persönlichkeitsschwäche zur Regression führen können = es ist sehr einfach, sich = das ErwachsenenIch darin stückchenweise aufzugeben/ der Angst zu opfern/ und zu infantilisieren (durch zb "Weinen" angedeutet).
Der Kampf geht ja praktisch genau darum, ob das ErwachsenenIch = die entwickelte Persönlichkeit, zwar verändert, aber nach dem Kampf erneut integriert, sich am Ende durchsetzt, oder ob sie zerbricht, desintegriert, fragmentarisiert, und dann nur noch als Artefakt auf einem regressiven Hintergrund zurückbleibt.

Und eine Persönlichkeit, die sich in solchen unbedingt lebensnotwendigen Kämpfen (Leiden ist lebensnotwendig) am Ende durchgesetzt hat, die ist daran dann auch immer gewachsen, sie ist danach stärker, hat mehr "Tiefgang", ist reifer geworden - und sie wird dies nicht als "Erlösung" empfinden (genau dies ginge Richtung animistischer Regression), als ein sich-Aufgeben oder ein sich-Aufgegebenhaben in diffusen Animismus, sondern sie wird es erleben als ein gegen die überwundenen inneren Konfusionen hinweg sich-erneut-Gefundenhaben, als ein Stärkergewordensein.

Und genau hier besteht dann die Gefahr einer zumindest vorübergehenden Euphorie (psych.Überkompensation), einer größen-manischen Selbstvergessenheit, eines überschwänglichen Strahlemann-Verhaltens - und hier wird dann klugerweise die Gegensteuerung durch bewusste "Demut" notwendig, durch das wachbewusst-gedankliche Vorhalten der realen eigenen Vulnerabilität trotz des vorläufig erreichten "Sieges" über sich selbst (das ist immer nur "vorläufig").
Eine solcherart "neu-geschliffene", neugeschärfte Persönlichkeit wird sich und Welt als Aufgabe erleben und bereit sein, wieder Verantwortung zu übernehmen, die "Arbeit", "Anstrengung" beinhaltet, also das genaue Gegenteil eines "erlösten" = animistisch-dissipatierten Seelenzustandes.
Die "Erlösung" besteht also im genauen Gegenteil zur eigentlichen Bedeutung des Begriffes genau darin, nach erfolgreichem Abschluss solcher inneren Kämpfe am Ende wieder eingebunden zu sein in das Leben mit all seinen Schwierigkeiten und risikoreichen Abenteuern.

Ein Schiff wird nicht gebaut um im Hafen zu verrosten, sondern um auf hoher See den notfalls auch härtesten Stürmen zu trotzen - und selbst, wenns am Ende untergeht, dann war es dennoch ein temporär-erfolgreicher Versuch gegen die reale Bodenlosigkeit allen Seins.
Dein Text suggerierte mir bereits beim ersten Lesen das Bild eines Schiffes, das sich im Hafen selbst versenkt, aus Angst vor den Stürmen.

PS:
Das Bild eines Individuums als "Kristall" halte ich für untauglich, weil Kristalle symbolisch Hypostasen ausdrücken, "Festgefrorenes" - Persönlichkeiten sind aber zwangsläufig immer dynamisch, und alles an ihnen steht, lebenspraktisch-betrachtet, unabweisbar ständig zur Disposition = vulnerabel, veränderlich, und auch immer gefährdet unterzugehen.
 

ENachtigall

Mitglied
Ein Schiff wird nicht gebaut um im Hafen zu verrosten, sondern um auf hoher See den notfalls auch härtesten Stürmen zu trotzen - und selbst, wenns am Ende untergeht, dann war es dennoch ein temporär-erfolgreicher Versuch gegen die reale Bodenlosigkeit allen Seins.
Ein feines Plädoyer für das Trotzen, Waldemar; Du bist gut in Form!

Ich habe die "Demut" im Zusammenhang dieses Gedichtes verstanden als Rückzug aus einem selbstauferlegten, Fluch gewordenen Kampf, der aus Tradition oder Gewohnheit weiter gefochten wurde, ungeachtet von Tendenzen oder Auswirkungen, die z.B. ins Selbstzerstörerische oder Mentalitätsfremde ausuferten. Durch ein Innehalten (vitales Implodieren) haben sich die Kräfte aus den alten Mustern (er)lösen können.

Grüße von Elke
 

rosste

Mitglied
danke waldemar,
"Dein Text suggerierte mir bereits beim ersten Lesen das Bild eines Schiffes, das sich im Hafen selbst versenkt, aus Angst vor den Stürmen." - die inneren stürme am abklingen will das boot hinaus auf den atlantik. es ist nicht die angst, es ist die ungewohnheit, die das fjordschiff begleitet.
mut ist gut. danach kommt die demut. danach wieder mut. übermut ist nichts für seefahrer. und weinen tut der kapitän vor freude.

lg



danke elke,
"Ich habe die "Demut" im Zusammenhang dieses Gedichtes verstanden als Rückzug aus einem selbstauferlegten, Fluch gewordenen Kampf, der aus Tradition oder Gewohnheit weiter gefochten wurde, ungeachtet von Tendenzen oder Auswirkungen, die z.B. ins Selbstzerstörerische oder Mentalitätsfremde ausuferten. Durch ein Innehalten (vitales Implodieren) haben sich die Kräfte aus den alten Mustern (er)lösen können." - genau :)

lg
 



 
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