@ rosste
Ich hätte den Text ungefähr so geschrieben(*):
mut
tausend köpfe
den körper
gebeugt
innere stacheldrahtverhaue spürend
verwandelt in einen soldaten
kriechend im schlamm der gefühle
gräben und minenfelder des eigenen inneren
im krieg mit sich selbst
er kämpft - sich durch
er weint - sich aus
er kniet, er steht auf
und wird wieder teil von welt
(*) aber bitte nicht falsch verstehen, ich will an Deinem Text nichts herumkritteln, denn jeder Mensch erlebt anders, ist also nur meine Version des psych.Mechanismus, so wie ich ihn aus Deinem Text herausgelesen habe.
"De-Mut" = im Sinne von "Entmutigtsein" kommt entweder vor solchen inneren Kämpfen, oder wenn man sie nicht besteht - dann hinleitend zur Verzweiflung.
Das christl. verstandene "Demut" weist auf Unterwerfung/ auf Arten von Selbstaufgabe hin, was bedeuten würde, dass man sich unter dieser Maxime in irgendeiner Form selbst aufgeben würde, und damit sind äußere und auch innere Kämpfe nicht zu gewinnen, bei denen es ja letztlich immer um die Erhaltung/das Resetten der eigenen psych.Integrität geht.
Hier gilt praktisch: Wer gar nicht erst kämpft/ wer sich nicht aufbäumt/ wer seine Schwächen domestiziert/, der hat von Anbeginn verloren."
Das Gefährliche an solchen inneren Zuständen des Zweifels, der Verwirrung, der Angst, des Zwanges zur Neuorientierung ist ja immer, dass sie aus Persönlichkeitsschwäche zur Regression führen können = es ist sehr einfach, sich = das ErwachsenenIch darin stückchenweise aufzugeben/ der Angst zu opfern/ und zu infantilisieren (durch zb "Weinen" angedeutet).
Der Kampf geht ja praktisch genau darum, ob das ErwachsenenIch = die entwickelte Persönlichkeit, zwar verändert, aber nach dem Kampf erneut integriert, sich am Ende durchsetzt, oder ob sie zerbricht, desintegriert, fragmentarisiert, und dann nur noch als Artefakt auf einem regressiven Hintergrund zurückbleibt.
Und eine Persönlichkeit, die sich in solchen unbedingt lebensnotwendigen Kämpfen (Leiden ist lebensnotwendig) am Ende durchgesetzt hat, die ist daran dann auch immer gewachsen, sie ist danach stärker, hat mehr "Tiefgang", ist reifer geworden - und sie wird dies nicht als "Erlösung" empfinden (genau dies ginge Richtung animistischer Regression), als ein sich-Aufgeben oder ein sich-Aufgegebenhaben in diffusen Animismus, sondern sie wird es erleben als ein gegen die überwundenen inneren Konfusionen hinweg sich-erneut-Gefundenhaben, als ein Stärkergewordensein.
Und genau hier besteht dann die Gefahr einer zumindest vorübergehenden Euphorie (psych.Überkompensation), einer größen-manischen Selbstvergessenheit, eines überschwänglichen Strahlemann-Verhaltens - und hier wird dann klugerweise die Gegensteuerung durch bewusste "Demut" notwendig, durch das wachbewusst-gedankliche Vorhalten der realen eigenen Vulnerabilität trotz des vorläufig erreichten "Sieges" über sich selbst (das ist immer nur "vorläufig").
Eine solcherart "neu-geschliffene", neugeschärfte Persönlichkeit wird sich und Welt als Aufgabe erleben und bereit sein, wieder Verantwortung zu übernehmen, die "Arbeit", "Anstrengung" beinhaltet, also das genaue Gegenteil eines "erlösten" = animistisch-dissipatierten Seelenzustandes.
Die "Erlösung" besteht also im genauen Gegenteil zur eigentlichen Bedeutung des Begriffes genau darin, nach erfolgreichem Abschluss solcher inneren Kämpfe am Ende wieder eingebunden zu sein in das Leben mit all seinen Schwierigkeiten und risikoreichen Abenteuern.
Ein Schiff wird nicht gebaut um im Hafen zu verrosten, sondern um auf hoher See den notfalls auch härtesten Stürmen zu trotzen - und selbst, wenns am Ende untergeht, dann war es dennoch ein temporär-erfolgreicher Versuch gegen die reale Bodenlosigkeit allen Seins.
Dein Text suggerierte mir bereits beim ersten Lesen das Bild eines Schiffes, das sich im Hafen selbst versenkt, aus Angst vor den Stürmen.
PS:
Das Bild eines Individuums als "Kristall" halte ich für untauglich, weil Kristalle symbolisch Hypostasen ausdrücken, "Festgefrorenes" - Persönlichkeiten sind aber zwangsläufig immer dynamisch, und alles an ihnen steht, lebenspraktisch-betrachtet, unabweisbar ständig zur Disposition = vulnerabel, veränderlich, und auch immer gefährdet unterzugehen.