der alte

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  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]der alte


reinigung heißt die barocke
gipsbaracke wo sie ihre
blüten waschen bis sie weiß wie
zehn hoch elf billiarden lire

die zu mottengift zerstoben
sind - die kopula am ende
schließt den kreis zur konjunktion bis
schnee verschmilzt zur sonnenwende

mit dem satz und sieg gebankten
kapitals im kapitellen
plunder plastiniert mit plastik
gliedern die zum platzen schwellen

biegst du ein zur metzen-theke
wo türkis gold fliegen schweben
eichel-junge reizt sie heute
spielst du dich um leib und leben
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast


plunder plastiniert mit plastik
gliedern die zum platzen schwellen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"der alte" ist bei Skatbrüdern die Bezeichnung für den Eichel-Buben.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
He, Anonymus, kaum raus aus Deiner Deckung und sag mir, was hier geändert und verbessert werden muß.

Das ist schon die zweite kommentarlose Drei von Deiner Seite in einer Woche. Ich vermute, Du hast von Lyrik keine Ahnung, alter Troll. Und nun hast Du Angst, man könnte Dich an Deiner Antwort erkennen.

Kaum raus, Du Feigling, offenbar Deine Inkompetenz!
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich sehe: Es interessiert kein Schwein außer dieses Arschloch von Anonymus. Es ist übrigens schon seine dritte Drei unter meine opuscula diese Woche.

Traurig macht es mich schon, daß meine multidimensionale Schreibweise - die Texte so zu formulieren, daß sie auf mindestens zwei verschiedene Weisen lesbar sind, auch durch verschiedene grammatische Bezüge der Satzteile aufeinander und möbiusschleifige Selbstbezüglichkeiten - nichts für Leser in der Leselupe sind.
Es ist, als ob Dalis mulitidimensional und polyvalent "lesbare" Bilder - z.B. die Venus von Milo im "Halluzinogenen Torero" oder die Hand im "Narziß" - keinen hinter dem Ofen hervorlockten. Aber das wäre absurd. Dalis Kippbilder sind der Hammer. Es ist Surrealismus-Substanz, Durchbruch der Bilder, die unter der Bewußtseinsschwelle liegen, nicht bloß ironisches Teekesselchen. Ich kann mich daran nicht sattsehen, und so schreibe ich auch: wenns keine Ohrwürmer sind, sind sie nichts wert. Ich schreibe nur meine Ohrwürmer auf, nichts sonst.

Das sind schon Sprachspiele, die vielleicht erst bei einem mehrmaligen Lesen aufgehen. Beim Nichtlesen (und sei es das Nichtlesen vieler) wohl weniger. Logisch.

Ich verstehe das Spiel auf diesem Lyrikerforum nicht.
Ich verstehe nicht, daß die Leselupe in der Tat kein Lyrikforum ist.
Ich verstehe nicht, daß Lyrik hier derartig runtergeputzt werden kann, wenn sie sprachspielt.

Eigentlich unglaublich, unfaßbar.

Was tue ich eigentlich hier? Was habe ich hier verloren?
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

mal ganz ehrlich, ich las dieses mehrmals, rang verzweifelt nach einer Deutung und gab dann auf.
Es mag so spektakulär surrealistisch sein, wie du schreibst, aber es ist inhaltlich für mich nicht zu entschlüsseln. Vielleicht geht gerade deshalb die beabsichtigte Wirkung verloren. Ich lasse mich als Leser gern ins Labyrinth ziehen; irgendeinen Faden (muss ja nicht immer knallrot sein) solltest du mir dann trotzdem reichen.

Nun ja, um die Bilder zu sehen, müsste ich sie auch gut kennen, was zugegebenermaßen nicht der Fall ist. Aber auch den Eingeweihten der Malerei und Anhängern Dali's sollte dieses nicht leicht gefallen sein. (ok, der war ja nur ein Vergleich). Ein richtungsweisender Titel ist mitunter sehr hilfreich, um den Leser zumindest in die beabsichtigte Richtung zu schicken.

Geht also auch mal kritisch :)
Dali mag ich trotzdem. Aber wer weiß, ob ich seine Bilder auch verstehe? ...

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Na gut, hol ich mir also die Prügel ab dafür, daß ich meine eigenes Lied kommentiere:


[ 4][blue]der alte[/blue]
Das ist ein alter Mensch, oder ein bekannter. Vielleicht der Pate, der pater familias einer wäschernden Sippe.
Zugleich der Eichel-Bube (siehe letzte Zeile), höchste Trumpfkarte.

[ 4][blue]reinigung heißt die barocke
[ 4]gipsbaracke [/blue]
In der Regel sind "Reinigungen" Reinigungen. Wenn darin Geld gewaschen wird, heißen sie selten "Reinigung". Das ist Ironie.
Barocke Gipsbaracken entsprechen dem Geschmack geldwaschender Mafiosi. Oft noch mit viel viel Goldfarbe auf den Verzierungen (bei amerikanischen Immobilienhaien).

[ 4][blue]wo sie ihre
[ 4]blüten waschen [/blue]
"Blüten" sind der handelsübliche Ausdruck für Falschgeld. Das muß unbedingt gegen anderes ausgetauscht werden, am besten in Einrichtungen, in denen viel Geld umgewälzt wird, so daß die falschen Scheine in der Menge der wahren untergehen. Casinos sind beliebte Geldwaschanlagen. "Casino" heißt "Hütte", aber ich finde "Reinigung" vielsagender, gerade weil dieser Name für ein Casino leider nie genommen wird. Kann mir also auch keiner Urheberrechte anmelden.

[blue][ 4]bis sie weiß wie
[ 4]zehn hoch elf billiarden lire[/blue]
Eine maßlose Hyperbel (also eine "richtige" Übertreibung), egal, ob ich nur 10 hoch 11 rechne, also 100 Milliarden Billiarden Lire zähle, oder Zehn hoch elf Billiarden rechne, im Dezimalsystem schwer aufschreibbar, und damit auf eine Anzahl von Lire komme, die die tatsächlich je existiert habenden Geldscheine der italienischen Währung nimmer hätten erreichen können, selbst nicht mit Falschgeld, Hyperinflation, Virtualität, Virtuosität oder Vertuschung.
Das gewaschene Geld verstäubt infinitesimal. Weißes Rauschen, weißer Staub, Mottentgift, Schnee (von gestern ...)

[ 4][blue]die zu mottengift zerstoben
[ 4]sind [/blue]
1. Lesart: Das Partizip "zerstoben" steht elliptisch, so daß diese Zeile ein geschlossener Relativsatz ist; das in der nächsten Zeile folgende "sind" ist dann die "Kopula am Ende" des Nebensatzes, der mit "bis" eingeleitet wird.
2. Lesart: das folgende "sind" ist Kopula zum Prädikatsnomen "zerstoben".
Aber das Lied enthält selbst die Anweisung, wie der vorhergehende Satz grammatisch zu gliedern sei. Ich konmmentiere hier also nich von außen, sondern nur gewissermaßen wiederholend von innen, es steht alles da.
Das ist natürlich eine Überforderung des Lesers. Eine Gemeinheit, den Verständnisschlüssel gleich noch mitzuliefern. Oder ist es eine Falle? Vertuschung der Geldwäsche? Vielleicht sogar eines im Casino inflationär verschleierten Rauschgifthandels ("Schnee" ... !!?) - siehe im Folgenden:

[ 4][blue] - die kopula am ende
[ 4]schließt den kreis zur konjunktion bis
[ 4]schnee verschmilzt zur sonnenwende[/blue]
Es ergibt sich für Menschen, die von Grammatik und Syntax nichts in einem Gedicht lesen wollen (vor allem dann, wenn der Syntax-Hinweis noch auf das Lied selbst zu beziehen ist) die astronomisch-astrologische Lesart: Eine Konjunktion (welcher Planeten?) bis zur Schneeschmelze am 21. Juni.

Werde gerade zum Essen gerufen. Breche ab.

tschüß

[blue]mit dem satz und sieg gebankten
kapitals im kapitellen
plunder plastiniert mit plastik
gliedern die zum platzen schwellen

biegst du ein zur metzen-theke
wo türkis gold fliegen schweben
eichel-junge reizt sie heute
spielst du dich um leib und leben
[/blue]
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

nun hast du uns mit dem Mittagessen gleich bis in den Herbst warten lassen :), nun gut.

Danke erstmal für die Erläuterungen. Die erste Strophe hatte ich in der Tat so mehr oder weniger begriffen, die 'Blüten' und dann die Lire waren zu eindeutig, um nicht auf irgendeine Geldwäsche zu kommen.

Bei der zweiten kam ich dann wohl nur bis zur 'kopula', denn auf einen grammatikalischen Bezug kam ich nicht und finde diese Stelle um Gedicht in der Tat auch etwas ungewöhnlich, was jetzt weder als Kritik noch als Lob zu werten ist. So ging mir der Sinn der zweiten Strophe vollkommen verloren.

Den Rest würde ich so lesen:


... schnee verschmilzt zur sonnenwende
mit dem satz
(Verbindung zur zweiten Strophe) und sieg gebankten kapitals im kapitellen plunder (? kapitell als Adjektiv ist mir fremd, um was für einen Plunder geht es hier? - sicher um einen starken, groben usw.)

plastiniert mit plastik gliedern
die zum platzen schwellen

ich lese, dass das Rauschgift oder eben die wertlosen Lire konserviert werden, in irgendwelche Plastiktüten oder gar fasche Ärmel gestopft, mit diesen geht es dann in die letzte Strophe


biegst du ein zur metzen-theke (? was ist eine metzen-theke?, ok, wohl so etwas wie eine Spielhölle und Lasterhöhle, in der weitere 'Reinigungen' vonstatten gehen)
wo türkis gold fliegen schweben
eichel-junge reizt sie heute
(ah.. eine 'sie' ist mit im Spiel, und dann auch noch Eicheln, beabsichtigter Doppelsinn?)
spielst du dich um leib und leben


Nun gut, alles in allem doch recht interessant, die Wege des Geldes und des Lasters.

Jedenfalls habe ich mir hier Mühe gegeben, dir auf der dichterischen Möbiusschleife zu folgen, d.h. nicht ganz, denn bei dieser würde sich das Ende wieder nahtlos an den Anfang schliessen.


LG
Tula
 

klaatu

Mitglied
Hallo Mondnein,

inhaltlich habe ich höchstens leise Ahnungen von dem, was du mitteilen wolltest. Aber vom Flow her liegt es im Mund wie ein Sahnebonbon! Sehr gern gelesen!

LG
k
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dankeschön, klaatu,
fürs Lesen, die Wertung und die Anmerkung!

Und auch Dir,

Ich schiebe oft die Bilder so in- und übereinander, daß eine Art sprachlicher Kubismus dabei entsteht. Es ist nicht nur die Doppeldeutigkeit im surrealistischen Stil Dalis, wie beschrieben, sondern auch die mehrdimensionale, multiperspektivische Überformung in der Art Picassos. Aber flüssiger, organnischer, nicht ganz so eckig-ruppig.

Ich führe in der dritten Strophe das Bild von der barocken Gipsbaracke weiter: Säulenkapitelle im Überschwang schwerer Verzierungen. Nicht nur bei amerikanischen Immobilienhaien und Las-Vegas-Protzern ist dieser "Plunder" Ausdruck von deren Geschmack, Psyche, Verschwendung und Überflüssigkeit.

Und man kann natürlich ganz in der metaphorischen Ebene bleiben, wenn einem die Sozialkritik zu selbstgerecht ist. Ich selbst sehe mich immer mit einbezogen, ohne was mit Las Vegas zu tun zu haben. Unsere ganze Poeterei ist Spiel, Glücksspiel, geschmacksverirrte Ästhetik-Dresche, Spaß am Überborden der Bilder, was C.G.Jung glaubich mal "Inflation" genannt hat.

Die schillernden Aasfliegen der letzte Strophe entsprechen den Mädels, die in den Casinos rumschwirren.
Und natürlich ist auch das "abhebbar" von der imaginativen "Reinigung",
als Metapher für Leben, Spiel, Tod und Männerträume,
oder als gleitende Bilderfolge absoluter Metaphern (d.h. ohne Verweis auf eine andere Sprachebene), dann singt es sich rein musikalisch.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Und auch Dir, Tula

(wollte ich eben ergänzen, aber da war der Text schon "geschlossen")
 

James Blond

Mitglied
Far out

Trotz und auch wegen all der nachgereichten "Erläuterungen" zeigt sich dieser Text als Dokument eines ausufernden Sprachautismus. Zu weit hat sich der Verfasser vom sozialen sinnvermittelnden Gebrauch der Worte in eine Nebelzone subjektiver, bildungsinduzierter Assoziationen vorgewagt und beklagt nun die Einsamkeit, um die er sich in seinen Avantgardismen selbst bemüht.

Verständnisloses Kopfschütteln und ehrfurchtsvolles Kopfnicken markieren dabei die beiden Pole des gleichen Nichtverstehens, das bei den einen noch zu Bewunderung, bei den anderen nur noch zu Verachtung führt.

Von der edelsten Aufgabe der Sprache, möglichst viele Menschen im Bewusstsein zu erreichen und zu verbinden, bleibt hier nicht viel übrig: Da turnt einer einsam Sprachübungen ab, die vermutlich nur er selbst zu einzuschätzen weiß. Vielleicht wird es in hundert Jahren mehr Verständige geben - vielleicht aber auch keinen: Das bleibt das Los der Avantgarde. ;)

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dankeschön!

Glänzender Kommentar, James,

ein Bienchen wert. Nur mit "Avantgarde" liegst Du ziemlich falsch, auch mit dem "in hundert Jahren", denn Du polst die Zeit um: Modern, avantgardistisch war ein Stück wie dieses eher vor hundert Jahren, so etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals war es zwar noch nicht Mode, irgendwelche Kühnheiten als "Autismus" zu etikettieren - das ist heute eigentlich auch nicht besonders korrekt - aber sonst gab es wesentlich schärfere Atacken auf Künstler, Komponisten und Dichter als das bißchen Oberlehrerei von Dir, James.

Es ist schade, daß Du von Kunst-, Literatur- und Musikgeschichte, von den Entwicklungen insbesondere des 20.Jahrhunderts, keine Ahnung hast. Nicht einen Schimmer.

Und von "Autismus"? ... taceamus.

Danke für das Hinaufgradieren meines Gedichts durch Deine (ehmmm) "Analyse", und überhaupt, für das aufmerksame Lesen usw.,

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
Lieber Mondnein,

es mag vielleicht bezeichnend sein, dass dir mein zum Genie-Frust ('interessiert kein Schwein') gereichter Hinweis als oberlehrerhafte Analyse auf den Magen schlägt und du genau das vorführst, was du anderen so heftig ankreidest: Keine Geduld mit den Worten - null Toleranz bei Unverständnis.

Während du in deinen Texten verwendete Begriffe sorgfältig erläuternd auf alle Konnotationen bis hinein ins Altindische abklopfst, engst du hier die Begriffe 'Sprachautismus' und 'Avantgarde' weit genug ein, um sie mühelos abzuschütteln.

Dabei ist hier weder von einer psychischen Erkrankung noch von den künstlerischen Aufbrüchen des frühen 20. Jahrhunderts die Rede gewesen. Beide Wörter habe ich in Hinblick auf ihre ursprüngliche Bedeutung gewählt:

'Avantgarde' bezeichnet ganz unabhängig von Kunstepochen die Vorhut und wird häufig verwendet, sobald jemand eine Vorreiterrolle einnimmt. Auch wenn du den Begriff nicht für deine Werke beanspruchst und bescheiden von "einem kleinen Bißchen Modernität" sprichst, so hast du dich mit deinen Texten ganz entschieden von einer Mainstream-Lyrik abgesetzt. Dass breiteres Unverständnis eine gewisse Isolation bewirkt, lässt sich kaum leugnen, nur sollte man eine selbstgewählte Rolle nicht anderen zum Vorwurf machen.

Und 'Sprachautismus' lässt sich jenseits psychischer Störungen eben auch im ursprünglichen Sinne für eine in der eigenen Ideen- und Vorstellungswelt versunkenen Sprache verwenden, die in ihrer Selbstbezogenheit die Schwelle zu einer äußeren Verständigung nur selten zu überschreiten vermag.

Ich habe meinen vorherigen Kommentar hier auch nicht eingestellt, um das Werk hinaufzugradieren, sondern weil ich in den übrigen Kommentaren (wieder einmal) auf das geradezu exemplarische Unverständnis beider Seiten gestoßen bin.

Gruß
JB
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Hansz,

Lass Dir das Dichten nicht verdriessen...
Lässt man sich Deine Gedichte laut auf der Zunge zergehen, entdeckt man erst die Klänge und denkt man mit Dir ein wenig "um die Ecke", so sollte sich vieles erschliessen.
Also keine Tränen vergiessen...

Es sind oft spannende Rätsel... Doch wär nimmt sich heute noch die Zeit - außer den Rätselfreunden...

Gerade dass nicht alles wie im lyrischen Schlaraffenland als gebratene Taube in den Mund fliegt, sollte doch in unserer märchenarmen Zeit willkommen sein :D

Liebe Grüße

Herbert
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
fly Robin fly, up up to the sky the sky the sky

Danke, HerbertH!

Es ist gewiß so, daß wir alle zuviel nachdenken, was in Versen eines Gedichtes, das nicht gleich über das Verstehen "läuft", verschlüsselt sein könnte. Rätselrätsel.
Aber die poetische Ebene der Sprache hat eher die Logik der Musik: Spannungslösung über die Kadenzen, Subdominante, Dominante, Tonika; Verschiebung der Bezugsbasis über die großen Medianten, und Modulationen, die große Schleifen bilden können, auf denen man die Ausgangstonika wieder erreicht, oder Treppen, die den Quintenzirkel durchlaufen, vorwärts über die Dominanten, rückwärts über die Subdominanten. All das hört der Hörer, ohne darüber nachzudenken. All das schreibt der Komponist, der zugleich sein erster Hörer ist, und er hat ein Bewußtsein davon, denn er kann es aufschreiben und polyphon vernetzen.

Desweiteren gehört zu den poetischen Ebenen der Bereich der Bewußtseinsränder: der Träume, wenns ins Surrealistische geht, der Archetypen, wenns ins Religiöse geht, des Komischen, wenns ins Absurde geht, des Sinnlichen, wenns ins Unmittelbare geht.

James steht mit seinen Füßen gut auf dem Boden. Auf einer Erde, die durchs All fliegt, Tagseite, Nachtseite, Tagseite, Nachtseite. Aber die Nachtseite ist ihm suspekt.

Ich fliege lieber.
Und ich möchte meinen Lesern das Fliegen beibringen.

Das geht (laut "The Hitchhikers Guide to the Galaxy") folgendermaßen: vornüber fallen und dabei den Boden verfehlen.

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
James steht mit einem Bein in der Lyrik und mit dem anderen tief in der Musik. :) Er weiß die Dinge zu unterscheiden, anstatt sie zu verrühren. :)

Aber hier ging es nicht um James und seine Beine, sondern um seine Kritik an der Leserkritik von Hansz. Wer so dichtet wie er, wird eben selten wahrgenommen und noch seltener verstanden. Das ist in meinen Augen nichts Überraschendes.

Grüße
JB
 

HerbertH

Mitglied
Ich las klang, so dicht an der Musik wie der Gesang am Lied. Ich redete vom Rätsel und hätte vielleicht eher vom Geheimnis reden sollen. Ich höre viel Musik, singe wohl mehr als die meisten. Und ich lebe Rätsel und das Lösen...
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Sprache : Musik

Ja, genau.

Das Verhältnis von Sprache und Musik ist so, daß sie
1. eine große Schnittmenge teilen, wo Sprache (auch ohne Liedtext zu sein) in sich "singt", ohne ihren Mitteilungscharakter zu verlieren, und Musik (auch ohne Worte) "spricht" und in der beschriebenen eigenen Logik der harmonischen Spannungsfunde und -lösungen "verstanden" wird; und
2. parallel laufen oder sich miteinander verflechten. Das Bild vom "Verrühren" paßt schlecht, denn wenn etwas verrührt wird, mischt es sich ununterscheidbar. Aber dieses Bild aus der Kochkunst oder vom Bau (Betonmischmaschine) entspricht nicht der Polyphonie der Formulierungen, wie sie in der Musik zuhause ist. Und eben die finde ich auch in der Sprache.

Das ist gewiß ein seltenes und seltsames "Finden". Aber wir sind alle (wer denn nicht?) Rätselliebhaber und Seelenbinnensänger. Ich jedenfalls bin randvoll mit Musik, ich könnte vom Aufwachen bis zum Einschlafen komponieren, einfach aufschreiben, wie es sich in mir komplex gestaltet und Schwierigkeitsschwellen zur originellen Überwindung sucht. Vom Einschlafen bis zum Aufwachen schwimme ich in einem sinfonischen Meer, ununterschieden von dessen Gewoge. Beim Aufwachen tauche ich daraus auf, aber ich höre es weiterhin, den ganzen Tag lang, und verfüge frei darüber, wenn ich die Melodien ändern will ("eine andere Platte auflegen" will).

Das ist der Untergrund meiner Wortgestaltungen, das Wasser unter meinem Sprache-Boot. Meinetwegen eine Art Krankheit, aber ich bin ganz glücklich damit.

grusz, hansz
 



 
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