der punkt, an dem wir es vergaßen

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Jongleur

Mitglied
wegschieben, dass man handeln müsste?

Hallo Ingwer,
hier stecken Ideen drin die mich anziehen und auch starke Bilder. Das man verschob den ruhepol und tanzte, ein "verlorenes Lächeln", das sich in der "Kaffeetasse dreht". - Auch diese prägnante Formulierung: "das war der punkt, an dem wir [das] es vergaßen". Hier frage ich mich, ob der Leser die stärkere Phrase ohne den Artikel mit ein bisschen Nachdenken nicht auch verstehen würde.
Verstehe ich es, das Gedicht?
Eine Frage steht im Raum, jeder (sind es zwei oder mehrere) nimmt etwas wahr, das wohl gerettet werden müsste. Aber "man" wirft sich die Frage unpersönlich zu, niemand übernimmt Verantwortung.
Damit, dass also nicht ein ich, ein du, ein wir handeln muss, ist alles indifferent, "man" ist erleichtert. Die Ersatzperson verschiebt ein Gleichgewicht, einen Pol, tanzt ausgelassen herum, hat damit eine Hilfe, einen Kummer weit weggeschoben.
Okay, dann ein plötzlicher, nicht nachvollziehbarer Wechsel, das "man", diese Unperson, schiebt sich jetzt "unbemerkt" durch die "menschenleere" Stadt. Wenn sie menschenleer ist, wer sollte das "man" auch bemerken? Und ist auch ein ziemlich abgenutztes Bild, diese menschenleere Stadt. Die Zeilen und sagte immer wieder / einfach gar nichts mehr erschließen sich mir nicht. Es macht von der Grammatik keinen Sinn. Und von der Bedeutung? Es, das "man", hat doch auch zuvor nichts gesagt.
Nun deute ich neu durch die nächste Strophe, dass die Protagonisten (ein Paar?) die Unperson mit sich genommen haben. Nur so kann es in der menschenleeren Stadt in eine Kaffeetasse geraten. Der Kaffee eines Paares nach durchtanzter Nacht.
Hier ist mir die Umstellung zu steif. Warum nicht im normalen Satzbau lassen? um sich als verlorenes lächeln / in der kaffeetasse / rund zu drehen
Schön hier die beiden Deutungsmöglichkeiten, ein verlorenes, also wiedergefundenes Lächeln - oder genau das Gegenteil, ein verlorenes im Sinne aufgegeben.
Leser entscheidet sich für das wiedergewonnene Lächeln. Das scheint mir harmonischer mit der Schlussstrophe einig zu gehen. Das "es" des Anfangs, das vielleicht gerettet werden sollte, wird vergessen. Im positiven Sinne, so deute ich es, es ist nicht mehr nötig, etwas zu retten, weil alles über den Verlauf des Gedichts in Ordnung gekommen ist. Es könnte also dies "es" die Liebe sein, die Beziehung, eine Freundschaft.
Schade, dass diese prägnante Aussage "das war der punkt" durch das "vielleicht" wieder entschärft wird. Man wünschte dem "wir" des Gedichts Eindeutigkeit.

Aber am Ende hast Du etwas ganz anderes gemeint und ich habe oberflächlich gelesen oder den Zugang nicht gefunden?
:)-)

Ich wünschte mir zu den Bildern ein Mehr an Sprachmelodie, von den Worten, den Sätzen her ist mir der Text eher prosaisch.

Grüße vom Jongleur
 

Ingwer

Mitglied
Hallo Jongleur,

Vielen Dank erstmal, dass Du Dich so ausführlich mit meinem Text auseinandergesetzt hast.

Du hast ihn schon richtig gedeutet und sogar beide Deutungsmöglichkeiten erkannt; schön, ich hätte nicht gedacht, dass es funktioniert.
Ja, es geht um 2 und ihre Beziehung zueinander. Und um den prägnanten Punkt, der Anfang oder Ende sein kann.
In der ersten Version dieses Gedichts hatte ich das "das" weggelassen, fand es dann jedoch nicht "stark" genug.
"man" ist nicht wirklich real. Deshalb auch keine klare Vorstellung, ob es mit den beiden mitwandert (ob diese sich überhaupt bewegen und über welche Zeitspanne sich das ganze überhaput erstreckt)- das sind Variablen, die jeder für sich selbst besetzen kann.
Was meinst Du mit mehr Sprachmelodie? Hast Du Verbesserungsvorschläge diesbezüglich?

Viele Grüße
Ingwer
 



 
Oben Unten