der ultimative Unfall

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casagrande

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Der ultimative Unfall

Sonntag. Unbedingtes Ausflugswetter. Schon seit fünf Tagen fieberte die Gruppe der dritten Ausfahrt in diesem Jahr entgegen. Sieben Leute, vier Männer, drei Frauen. Alle so um die dreißig.
Eine Juristin mir ihrem Mann, ebenfalls Jurist. Sie betrieben gemeinsam eine Anwaltskanzlei. Scheidungen meist. Ein einträgliches und risikoloses Gebiet. Absolut krisensicher.
Dann war da noch der Baumanager mit seiner Freundin, seine Büroleiterin. Er hatte die Motorradgruppe eigentlich gegründet und organisierte die gemeinsamen Ausfahrten.
Und mein Mann und ich. Er war Innenarchitekt. Wir hatten uns beim Studium kennen gelernt und lebten so recht und schlecht noch immer zusammen, schon auch, um die gemeinsamen Projekte nicht zu gefährden. Motorradfahren war ein gemeinsamer Traum.
Der vierte Mann war meine Affäre, von der ich überzeugt war, dass mein Mann nichts wusste. Er war ein Klient unseres Büros und kannte meinen Mann schon seit Jahren. Es war auch mein Mann gewesen, der ihn zur Gruppe brachte.
In diesem Jahr hatte ich mir eine schwerere Maschine gekauft. Ich war es leid, immer hinten nach zu gurken, wenn die wirklichen Brummer aufdrehten. Natürlich gab es genügend Stimmen, die davon abgeraten hatten. Was machst du, wenn der Bock einmal umfällt? 180 Kilogramm bringst du niemals wieder hoch! Aber ich war schon hoffnungslos überfordert, mein damaliges Motorrad mit 75 Kilogramm aufzurichten. Darum wischte ich alle Bedenken beiseite und machte mich mit den 1000 Kubik glücklich. Und diesen Entschluss bereute ich nicht. Ich will nicht ins Schwärmen kommen! Aber ich freute mich, wahrscheinlich wie auch die anderen, auf jede Ausfahrt.
Wir waren ungefähr seit drei Stunden im Sattel. Eine gemütliche Tour auf wenig befahrenen Landstrassen im Vorgebirge. Ich hatte mich etwas zurückfallen lassen, um zwischendurch einmal ein bisschen aufzudrehen und nicht nur zu cruisen. Ich war vielleicht einen Kilometer hinter den anderen und drehte kurz am Hebel, die Maschine hing wunderbar am Gas. Ich passierte eine kleine Wandergruppe, die über eine Kuppe daher kam. Ich schoss über die Kante und hatte plötzlich das Gefühl zu fliegen. Die Maschine hatte zu wenig Kontakt zur Strasse, ich war unmittelbar in Panik. Das Bike war nicht direkt hinunter zu drücken. Ich schoss über die Straßenmitte, die Maschine drängt weiter hinaus. Gas weg! Zu abrupt! Ich schleuderte und fühlte mehr als ich es sah, ein entgegenkommendes Auto. Meine Maschine stellte sich durch den plötzlichen Lastwechsel quer. Ich prallte gegen den Kühler des Geländewagens. Ein Brennen, wie beim Schnitt mit einem Messer in die Haut, war das Empfinden, als etwas an meinem Leisten und an meiner Schulter abriss.
Ein junger Mann von der Wandergruppe, die wir gerade passiert hatten, kam angerannt, riss sein Mobiltelefon aus der Tasche und begann aufgeregt zu telefonieren. Ein anderer aus der Gruppe rief dem Rest zu, nicht näher zu kommen. Er übergab sich in unmittelbarer Nähe. Der Jurist aus unserer Motorradclique fuhr heran, schaute entsetzt auf die Situation und fuhr wieder weg. Eine Frau stammelte immer wieder:
„Wie entsetzlich!“
Ein Mann legte den Arm um sie und meinte:
„Da kann man nichts mehr machen. Die war aber selbst schuld!“
Mein Mann erschien in meinem Blickfeld. Er schrie unerträglich und brach dann plötzlich wimmernd zusammen. Der Hubschrauber kam nach endlosen Minuten.
Er nahm meinen Mann mit.
 

Nina H.

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Heftig, kann ich dazu nur so sagen. Nicht die Art von Geschichte, die mir gefällt. Ich verstehe den Schluss nicht: Die Hauptperson hat zwei Gliedmaßen verloren und der Rettungshubschrauber nimmt nicht sie mit, sondern den Mann oder habe ich das falsch verstanden???

Ich hoffe, ich kann zumindest mit dem, was mir konkret aufgefallen ist, weiterhelfen:
Die Maschine hatte zu wenig Kontakt zur Strasse, ich war unmittelbar in Panik
Unmittelbar in Panik? Ich denke, es heißt: Ich war unmittelbar davor, in Panik zu geraten.

Ein junger Mann von der Wandergruppe, die wir gerade passier hatten, kam angerannt, riss sein Mobiltelefon aus der Tasche und begann aufgeregt zu telefonieren.
Fällt mir gerade so auf: Da fehlt ein „T“ am passiert.

Eine Frau stammelte immer wieder „Wie entsetzlich!“ Ein Mann legte den Arm um sie und meinte „da kann man nichts mehr machen. Die war aber selber schuld!“ Mein Mann erschien in meinem Blickfeld.
Also da fehlt zuerst mal ein Punkt nach „Wie entsetzlich“ und davor würde ich einen Doppelpunkt machen. Ebenfalls Doppelpunkt nach „meinte“ und danach groß weiter.
 

Gandl

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Hi casagrande,
ja ... merkwürdig ... „Er nahm meinen Mann mit“ ... Nervenzusammenbruch? Und das „Ich“ bleibt liegen? Weils eh wurscht ist? Da stellte ich mir sowieso die Frage nach der Perspektive ... Ist die Bikerin, jetzt im „Himmel“? Berichtet sie von da? Grad die Einführung der Gruppenmitglieder (nichts „ist“, alles „war“) – na, und der Titel auch – zeigen mir, dass da etwas definitiv zu ende ist. Auch der Bericht, was um die Bikerin herum am Unfallort passiert, dies nüchterne Wiedergeben spricht dafür ...
Oder hab ich mir das alles nur so hingebogen ...?
Gruß
Gandl
P.S. „unmittelbar in Panik“ trifft es genau, finde ich.
 

casagrande

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Gandl

Hallo Gandl,
richtig erkannt. War sozusagen beschrieben als der Abschied einer Sterbenden. Nicht neu von der Anlage, nur von der Situation. Casagrande
 

casagrande

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Nina H.

Hallo Nina H.
Der Rettungshubschrauber nimmt die Tote nicht mit.
Ihre Beobachtungen sind der finale Schluss.
Vielen Dank für die Verbesserungen.
Casagrande
 



 
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