@ guido
Ein sehr gelungener Text!
[der zeitscherenschnitt
hängt am fenster nach süden]
Ein Fenster nur, aber es eröffnet den Ausblick auf eine stumme (demütige), leicht melancholische Adoration der Symbolik dessen, für das der Begriff "Süden" steht.
Ein gekonnt sparsames, aber sehr intensives Bild, das (auch) an die Symbolik tibetischer Gebetsfahnen erinnert.
[ich tanze um regen]
Fantastisch, diese Phrase! Warum? "Tanzen" ist (intime) Bewegung, und "Regen" = Wasser = Symbol für Leben.
Der initialen verbal stummen Anbetung (Pro- und/oder Kontra-Süden Amulett (ambivalent) in Form des Zeit-Scherenschnitts) wird die somatisch-körperliche Sprache des Tanzens unterlegt (Mimik, Gestik = Proxemiken). Erinnert an die sakralen Tanzrituale zB ekstatischer Naturreligionen.
Und Juli/August-Schwüle wird hier spürbar, denn:
[nach der mahd
des getreides
braucht´s wieder schuhe
zum marsch
über die felder]
Das Wort "Marsch" kommt mir hier deplatziert vor, irgendwie fremd, ich kann es aus dem Zusammenhang nicht deuten.
Das völlig überraschende Bild, "nach der mahd" wieder Schuhe zu brauchen usw. ist indes aufgrund seines Unerwartetseins ( = hoher "Nachrichtenwert") sehr gekonnt. Damit erweckt der Text den Eindruck in einem größeren hintergründigen Kontext eingebettet zu sein, und dies gibt dem Leser Nachdenken ein, verführt ihn zum Nachfühlen des Textes.