die anfahrt

M

margot

Gast
das kleinauto bog auf die beschleunigungsspur.
alles war noch grau und ineinander. die scheiben
waren beschlagen. regen nieselte gegen die front-
scheibe. lastzüge rollten schwer über die autobahn.
die luft war voll feinem wasserstaub. die schein-
werfer gruben trübe löcher in den nebel.
er blickte in den rückspiegel. das licht der auf-
rückenden fahrzeuge blendete ihn. seine augen
lagen tief und müde. die fahrt ging voran mit
blicken nach hinten, mit einscheren und aus-
scheren. er hörte radio. er drehte die werbung
leiser. er beobachtete den tankstand. manchmal
fand er zeit, in der autobahnraststätte einen kaffee
zu trinken du ein käsebrötchen zu essen. dabei las
er ein wenig. er hatte den arbeitsalltag vor sich,
trotzdem empfand er zwischendurch ein prick-
elndes urlaubsgefühl – frei zu sein und einfach
über den morgen hinaus in die fremde fahren –
der verkehr schlängelte sich wie ein schmaler
lavastrom ins tal, langsam und zäh. ihn überkam
dieses wunderbare freiheitsgefühl, und er bewun-
derte die menschen, wie sie das bewerkstelligten,
dass alles so einfach wurde mit dem fuß auf dem
gaspedal, und menschen, orte, ganze landschaften
glitten vorbei. er fuhr gen westen. die aufgehende
morgensonne blendete ihn durch den rückspiegel.
dann fuhr er wieder in einen nebel. er fuhr über
bewaldete berge und kam seinem fahrziel lang-
sam näher. an straßenbaustellen rückten die
fahrzeuge enger zusammen, und an den hängen
schienen die lastwagen einander anzuschieben,
so nah und langsam krochen sie den berghang hin-
auf. er saß müde hinter dem steuer seines kleinen,
roten autos. im radio brachten sie fast jeden morgen
von grausamen auffahrunfällen, bei denen sich
mehrere wagen ineinandergeschoben hatten.
er rieb sich die augen und dehnte sich in seinem
sitz. der scheibenwischermotor störte im radio.
seine gedanken hielten sich nicht an der straße.
er dachte an die ganze welt, die wir menschen
so schnell durcheilten.



(1986)
 



 
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