ego anno zero

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animus

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ego anno zero


Wie am Faden, ziehen die Regentropfen ihre grauen Striche vom Himmel zur Erde. Die Baumkronen singen stürmisch und lassen die bunten Blätter im Takt des Windes den Chorgesang rascheln.
Nicht alle überstehen das Zittern. Blättervölker fallen schaukelnd wie die Papierflieger zum Boden. Bedecken die mit Steinen, Blumen und Kerzenlichtern gepflasterte Muttererde.
Keine Zeit mehr, sie zu fangen und wieder zur Luft werfen. Schauen, wie sie umher irren, warten bis sie wieder zum Boden gleitend stürzen. Leblos, durch die Wassertropfen die Form verloren, stumm sind sie zum Verfaulen erkoren. Der herbstrutschige Teppich aus grünbraungelbrotem Stoff der Natur gewährt uns den letzten unsicheren Gang.

„Warte bitte, noch eine Zigarette.“
„Ich möchte noch ein paar Gedanken zu Ende denken, jetzt wo so stürmisch und spät am Tag.“
„Keine Zeit sie zu beantworten, nach dem Vergangenem suchen. Du sie ja beantworten, später, wenn du unter den stürmischen Bäumen von denen die Blättervölker zum Boden fallen, in Ruhe weilst..

„war ich glücklich,
menschlich,
gestohlen, gelogen,
geraucht, Drogen genommen,
verhauen, den Tod gebracht,
zärtlich, geduldig, gerecht,
brutal,
besaß ich Moral,
oder war mir alles Scheißegal?

Mensch sein, war doch schwer,
Schurke dagegen leicht“


Der Regen hört auf die Erde zu tränken. Die Bäume werden zur steifen Kulissen und die Blätterchöre hören auf zu singen. Nur vereinzelt tauchen Papierflieger auf dem Himmel. Es ist still, und nur die späte Sonne schießt ihre stummen Sonnenpfeile zur Muttererde. Sie durchbohren mich mit Wärme, ihre Spitze sind mir ein Wohlgefühl der inneren Ruhe. Es ist Zeit aufzubrechen, auf den Weg zum Himmel oder Hölle.

Steine, Erde, Papierflieger durchbrechen die spätherbstliche warme Stille und poltern auf mich herab.
Erdiger Duft füllt mein neues Heim.

Gib dem neuem Heim den letzten Schliff, Totengräber.


©animus
 

Kelly

Mitglied
Hallo Animus!

Dein Text hat was ...
Du versuchst möglichst bildhaft zu schreiben, was es mir als Leser immer leicht macht, mich in einen Text hineinversetzen zu können.

Ein paar kleine Worte scheint deine Festplatte verschluckt zu haben, was den Lesefluss dann an der ein oder anderes Stelle wieder etwas bremst, aber das ist ja nichts, was sich nicht abändern ließe ... ;)

Scheint so, als freue dein Prot sich auf sein "neues Heim" und so wie du es beschreibst, klingt es in der Tat nach etwas harmonischem und gemütlichem. Schade, dass dein Prot keine andere Möglichkeit findet, seine Vergangenheit zu beerdigen.

Dem letzten Satz würde ich persönlich allerdings nicht zustimmen wollen - ich denke, Schurke sein schlägt auf Dauer ganz schon aufs Gemüt ... ;)

Liebe Grüße,
Kelly

Ach so, eins noch - warum wählst du einen lateinischen Titel? Klar, Geschmackssache, interessiert mich aber ehrlich. Auf deutsch klingts meiner Meinung nach nicht weniger vielversprechend! :)
 

animus

Mitglied
Hi kelly,
ja, die platte hat geschluckt, peinlich, hab ich nicht gesehen, werde ich korrigieren

nein, der prot beerdigt seine vergangenheit nicht. das überlässt er dem totengräber. er vererbt ihm die schweren/leichten fragen des lebens.

er ist nicht dauerhaft schurke gewesen. er stellt nur fest, dass das eine schwerer war als das andere

titel? - geschmacklich vergebe ich titel nie. Ich vergebe sie spontan, intuitiv. als ich das schrieb muss auf lateinisch geatmet haben: radio, buch, film, zeitschrift. Selbstverständlich hätte ich auch in deutsch einen (viel?) -versprechenden titel spontan finden können.

Ich grüße dich herzlichst und dank für deine aufmerksamkeit
Ciao
animus
 



 
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