eine blaue sehnsucht

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Perry

Mitglied
Hallo Gabriele,
"verwelten" interpretiere ich hier als Verlust der Farben des Lebens.
LG
Manfred
PS: Schön mal wieder was von dir zu lesen.
 

Vivi

Mitglied
Hallo, liebe Gabi! Sind und bleiben wie immer, sehr gut, Deine Gedichte. Freue mich Dich wieder zu lesen. Hoffe es geht Dir gut. Alles Liebe, Viola
 

Venus

Mitglied
Lieber Manfred,
liebe Vivi,
danke, wando -


euch allen, für eure spontanen Eindrücke und die lieben Grüße!

Nun:
seit das Interpretieren eines Gedichtes zur akademisch sanktionierten Normalform des Umgangs mit Lyrik geworden ist, hat sich die unausgesprochene, aber doch allgemein geteilte Ansicht durchgesetzt, dass Gedichte umso besser seien, je mehr sich durch Interpretationen aus ihnen herausholen lässt. Umgekehrt werden solche, die alles sagen, was sie meinen, so dass es an ihnen nichts zu interpretieren gibt, gering geachtet. Beides ließe sich gerecht diskutieren!

Man möchte sich wohl leicht darauf verständigen, dass der Wert eines Gedichts nichts mit dem Gewicht und der Bedeutung seiner Aussage zu tun hat. Die große Masse aller Gedichte enthält nichts weiter als Meinungen und Gefühle (die beinahe jedermann vertraut sind und die man infolgedessen als Platitüden bezeichnen könnte). Und dennoch – oder gerade deshalb – möchte irgendwie ein jedes dieser unzähligen Werke (auf dieser und anderen Plattformen) eine (kleine) Kunst für sich sein. Das schöne in der Kunst hat Schiller als „Freiheit in der Erscheinung“ definiert. Ich gebe ihm behutsam recht.


Freilich waren diese, meine Zeilen, von einer (meiner) Herbststimmung beeinflusst. Du, Vivi, kennst das (!) Gefühl, beim Blumenzwiebeln stecken, im Oktober; die leise Traurigkeit über das Welken an sich und die Vorfreude auf das neue Grünbunt im Frühjahr –

Die „blaue Sehnsucht“ - the blue mood - eine melancholische Sehnsucht, wenn man so will…
„in braune Erde“ – hm, politisch, faktisch – egal! So oder so: eine Aussage. Gelesen und gegessen, wenn man so will…
„vor lauter Liebe“ – vor haufenweise Liebe, vor klanglich lauter, geräuschvoller Liebe, keine leisen Töne spucken…! welche (weil so leise und irrelevant) derweil eh bloß farblos –

„verwelten“

Ja! Gerne gewollt, die Anlehnung an „verwelken“, kein wirklicher Neogolismus, aber ein bisschen eben doch…

Kein großer Gedanke, liebe Freunde. Aber ein aufrechter.
Ich hab ihn gefühlt.


Recht liebe Grüße an Euch zurück! Vergelts Gott, für den treuen Besuch!
Gabriele
 
H

Haki

Gast
ein sehr gefühlvolles gedicht ist dir da gelungen liebe venus,

deine erklärung hat leider meinen eindruck verschlechtert. besonders die braune erde, habe ich keineswegs politisch, als anspielung an rechte gesehen, sondern als faktum, wie du sagtest, aber diese andere mögl ist ausgeschlossen. überhaupt ist es unnötig zu sagen "braune erde", lass die farbe weg und überlege die ein anderes wort. "tiefe" oder "weiche" oder was weiß ich was...

vor lauter liebe finde ich gelungen, weil eben das "laut" zweideutig ist...

dein "verwelten" missfällt mir aber wieder. diese wortneuschöpfung (oder gibt es ein so schreckliches wort etwa?) halte ich für mislungen... aber das ist ansichtssache. dein gedicht hat was, gewiss, nur eben diese zwei dinge trügend as gesamtbild. hätte dir gerne eine 7 oder gar eine acht gegeben, aber so ists "nur" eine 6. trotzdem gerne gelesen und freue mich auf mehr...

Ist ja auch alles so subektiv hier, man kanns nicht jedem ganz und gar recht machen;)


Liebe Grüße und viel Spaß beim Weiterdichten,
haki
 

Venus

Mitglied
Grüß Gott, haki

und herzlichen Dank, fürs Beschäftigen mit meinen Gedanken!

Möglich, dass wir beide uns noch nicht über die Zeilen gelesen haben; vorab gerne eine kurze Erläuterung zur Schreiberin.
Ich bin stets gerne geneigt, meine Lyrik zu erläutern, mein Gewerk so weit als möglich zu erklären, zu öffnen, respektive Gedankenansätze zu bieten – so denn gewollt.

Der ausschließlich kognitive Umgang mit Literatur hat in der Germanistik und den anderen Philologien dazu geführt, dass man – im missverstandenen Sinn des Goetheworts von „der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit“ – immer zuerst die verschleierte Wahrheit zu enthüllen sucht, statt die vollendete Machart des Schleiers genießend zu würdigen, durch den die Wahrheit ins Reich der Kunst überführt wurden (bestenfalls, jedenfalls). Selbst da, wo Literaturwissenschaftler die ästhetische Gestalt des Gedichtes analysieren, tun sie es meist so, als handle es sich dabei um etwas Organisches, gleichsam Naturwüchsiges, das nur die sinnliche Außenseite jener Wahrheit ist.
In Wirklichkeit aber ist ein Gedicht ein Gebilde von kalkulierter Künstlichkeit, und zwar auch dann noch, wenn es dem Verfasser/Dichter dank seiner Begabung in spontaner Intuition eingefallen ist.

Eben auch aus diesem Grund, gebe ich gerne Gedankenansätze weiter; welche nicht zwingend die meinen gewesen sein müssen. Differenzierung, haki, macht aus Intensität nuancenreiche Fülle. Das jederzeit wiederholbare und immer weiter
vertiefbare Durchschauen eines Gedichtes verschafft auf Dauer mehr (intellektuelles) Vergnügen als spontan überwältigende Ersterlebnisse, die mit der Zeit verblassen.

Nun gerne zu deinen Vorschlägen:

lass die farbe weg und überlege die ein anderes wort. "tiefe" oder "weiche" oder was weiß ich was...
Je nun, haki, das ginge wohl! Doch möchte es so nicht gemeint gewesen sein. Ich habe hier bewusst mit Farben und deren Assoziation gearbeitet. http://de.wikipedia.org/wiki/Farbe#Farbwahrnehmung

Freilich kannst du dich jedweder Wissenschaft widersetzen, doch im geneigten Fall ist es einfach eine Wahrnehmung, der du dich nicht entziehen kannst.
Mit dem Titel also, leite ich eine Stimmung ein. Der Titel ist für mich Wissenschaft an sich. Der zieht den Leser an und – so er will und kann: das Gedicht aus.

Dies also nun zu den Farben. Hier wollte gewollt sein.

Mit den Adjektiven in der guten Lyrik hat es so vielerlei auf sich. Ein bemühter Schreiber mag sie gern fürchten.
Mit deinen Vorschlägen leite ich eine Stimmung ein, welche vielleicht so nicht gewünscht, weil eindeutig ist. Oder grundfalsch. Oder geziert. Oder einfach weil Adjektive gerne eine gewisse Ausgelutschtheit indizieren.


dein "verwelten" missfällt mir aber wieder. diese wortneuschöpfung (oder gibt es ein so schreckliches wort etwa?) halte ich für mislungen
oh, ja! Wortschöpfungen, sog. Neogolismen sind in der Lyrik absolut legitim. Celan bspw. hat sie für sich leben lassen und gerade dieser Autor – sein Wort - ist bis heute nicht (eindeutig) erklärbar.
Muss auch nicht!

Will man ein Gedicht in seiner ästhetischen Gestalt erfassen, muss man Interpretation verbal verstehen: sie ist ein Tun, nicht das Getane, sie ist das Übersetzen, nicht die Übersetzung.

Gilt für den Leser einzig der subjektive Eindruck, würde ich Autor mir wünschen, selben ebenso benoten zu dürfen.
Das mit dem „recht machen“ sollte im besten Fall der Autor versucht haben. Nämlich bevor er sein Werk veröffentlicht.
Manchmal gelingt es.


Freilich, haki, werde ich weiterarbeiten. Der Spaß daran, birgt die Unerlässlichkeit darin.

Recht freundlich,
Gabriele
 
H

Haki

Gast
hallo venus,

deine kritik an meiner kritik kann ich verstehen und hat auch einiges aus dem argen gebracht, jedoch verstehe ich nicht, weshalb du davon ausgehen kannst, dass literatur nicht von einem subjektiven eindruck gewertet wird...

es ist doch meine meinung, in die freilich auch die art und weise, wie du verschleierst mit einspielt, so ist es ja nun nicht.

ich lege selten eine objektive schablone an gedichte. gibt es diese überhaupt in reiner form? ich meine, gedichte, die als meisterwekre gepriesen werden, können mir doch auch nciht gefallen... sicherlich verdient deises gedicht und sein autor die anekrennung für das wie, also in welcher art er seine idee ausdrückt, jedoch geht es auch um persönliche eindrücke, die ich mit dem gedicht assoziiere, oder schlimmsten falls nicht assoziiere... daher kann ich nur subjektiv bewerten... ich achte gedichte, deren form beeindurkcend ist, auch wenn ihr inhalt mich nicht anspricht. vielleicht sollte ich, das wäre eine möglichkeit, zu der ich momentan neige, in solchen fällen nicht bewerten, weil es ungerecht wäre...

in meinen augen ist ein neologismus gelungen, wenn er im leser ein bild weckt, eine idee, doch dein "verwelten" stand einfach nur da, für mich, für mcih ganz persönlich. daher halte ich ihn für misslungen. auch meine meinung, die, das wirst du mir bestätigen, ganz und gar subjektiv ist...

ich danke dir für die ausführliche antwort und hoffe ich habe nciht den falschen ton getroffen. soll nciht besserwisserisch oder bosartig daher kommen, eher neutral...

für mich ist ein gedicht subjektiv, und wenn die form nciht stimmt werde ich wohl fortan schlechte noten vergeben, wenn jedoch eben jene passt, das gedicht mcih aber nicht anspricht, werde ich einhalten mit einschätzungen...

mit ganz lieben grüßen,
haki
 

Venus

Mitglied
Grüß Gott noch einmal, haki,

neinnein! Keine Kritik an der Kritik! Die ist mir nämlich von Herzen gewünscht. Heißt sie doch im besten Fall: Auseinandersetzung. Mit mir, dem Schreiber und meinen Gedanken. Dafür bin ich immer dankbar!

Schau, wer die Qualität eines Stuhles beurteilen will, prüft nach, wie er gemacht ist. Er setzt sich drauf, fasst ihn an, dreht, wendet und hebt ihn. Ist der Prüfer mit Material und Verarbeitung zufrieden, wird er ihn sich vielleicht käuflich aneignen. Mit dem gleichen kritischen Blick sollte man an ein Gedicht herangehen. Auch hier sollte man fragen, ob es dauerhaftem Material gemacht, dicht gefugt und durchgearbeitet ist. Fällt die Arbeit positiv aus und findet man dann noch, dass es etwas vermittelt, so wird man es sich aneignen und ihm in seinem geistigen Inventar einen Platz einräumen.

Der Mensch ist seinem Wesen nach rational, d.h. er nimmt die Welt nicht in einem blinden Reiz-Reaktions-Schema wahr, sondern in Begriffen, er will sie begreifen; und er begreift sie, indem er sie versprachlicht. Alles, worüber Menschen reden, hört damit auf, bloß subjektiv zu sein. Sprache ist intersubjektiv, sie ist Kommunikation zwischen einzelnen Subjekten.
So ist auch das Reden über Gedichte nicht nur erlaubt, sondern notwendig, weil dies die spezifisch notwendige Form der Aneignung ist.

So du denn ein geschriebenes, fremdes Wort ausschließlich subjektiv beurteilst, hast du nur die Hälfte der (eigentlichen) Aufgabe bewältigt. Literaturwissenschaft - als solche - ist, wie die Medizin, keine reine, nur um Erkenntnis bemühte Wissenschaft, sondern eine angewandte, und zwar eine didaktische.

…und dahinter steckt Arbeit. Arbeit, Arbeit, Arbeit…

Halte nicht ein, mit Einschätzungen! Vertiefe sie, ergründe sie. Letztendlich: begründe sie. Nicht ausschließlich subjektiv. Sonst wirst du vielleicht irgendwann einen Stuhl kaufen, der dir optisch gefiel und welcher nach der ersten Belastungsprobe, zu Hause im Wohnzimmer, dann nicht halten kann, was er (vorweg augenscheinlich) dir versprach.

Recht herzlich zurück, meine Grüße!
Gabriele
 

Venus

Mitglied
eine blaue sehnsucht

in braune erde stecken und
warten
bis sie rot wird
vor lauter liebe
zwischen leisen lauten
die derweil bloß farblos
verwelten


© gabriele schmiegelt
 



 
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