eisfischen

rosste

Mitglied
das ist selten. aber manchmal, wenn es lange richtig kalt ist, gefriert der fjord zu - in den innersten abschnitten, am weitesten landeinwärts, dort wo er nicht so breit ist.
wir wollen ski fahren, aber da entdecken wir sie, die kinder auf dem eis. vier löcher haben die schon gehackt.
eine angel habe ich immer im kofferraum. du nimmst die blinker, ich den alten armeespaten - endlich wird er mal gebraucht.
wir wollen den spiegel betreten. es knirscht.
"ikkje denne veien! drüben vom kai aus müsst ihr das eis betreten!"
wir laufen vorsichtig wie in pantoffeln. auch unser loch ist schnell gemacht. etwas wasser strömt hinein und an meine knie. ich knie vor dem salzloch.
du schiebst die ausgestanzte scholle mitten auf den fjord wie einen puck beim eishockey.
beim dritten blinker dann dieser herrliche widerstand. und bald darauf taucht er im schwarzen loch auf. und jetzt liegt er auf dem eis.
unser erster dorsch aus dem eis.


ikkje denne veien = nicht diesen weg, nicht hier entlang (norweg.)
 
H

HFleiss

Gast
Eisfischen kann eine schöne Sache sein, dein Gedicht verrät es mir, besonders dann, wenn man zufällig hinzukommt. Aber ich habe meine Zweifel, ob das Thema einem Gedicht entspricht und nicht eher einer Kurzgeschichte dienen könnte. Dort könntest du zum Beispiel ausgiebig die Landschaft des Fjords beschreiben. Ich würde das Thema als Gedicht akzeptieren, wenn das Eisfischen eine Metapher für etwas gänzlich anderes wäre. So aber kann ich es mir besser als Kurzgeschichte bearbeitet vorstellen. Aber das ist nichts mehr als meine persönliche Meinung, andere werden begeistert sein. Mach es einer allen recht.

Lieben Gruß
Hanna
 

rosste

Mitglied
ja klar, das könnte genauso gut eine kurzgeschichte sein.
ich war von diesem gefrorenen fjord so fasziniert, dass ich das gleich niederschreiben musste. und da entstand spontan ein prosagedicht - ich wollte mich kurz fassen.
ich bin jetzt fast sieben jahre in norwegen und fühle mich schon fast eins mit dem fjord. aber dass dieses salzwasser sogar gefrieren kann und dass das eis wie ein boot funktioniert, von dem ich aus fischen kann, war für mich so exotisch, dass ich einfach nur schreiben musste. ganz schnell, solange die erinnerung noch frisch war.
das eisfischen soll eben gerade kein metapher für etwas anderes sein.
in diesem gedicht ist eisfischen eisfischen.
 

GabiSils

Mitglied
Hallo rosste,


eisfischen

das ist selten. aber manchmal, wenn es lange richtig kalt ist, gefriert der fjord zu in den innersten abschnitten, am weitesten landeinwärts, dort wo er nicht so breit ist.
wir wollen ski fahren, aber da entdecken wir sie, die kinder auf dem eis; vier löcher haben die schon gehackt!
eine angel habe ich immer im kofferraum. du nimmst die blinker, ich den alten armeespaten - endlich wird er mal gebraucht.
wir wollen den spiegel betreten. es knirscht.
ikkje denne veien: drüben vom kai aus müsst ihr das eis betreten! wir laufen vorsichtig wie in pantoffeln.
auch unser loch ist schnell gemacht. etwas wasser strömt hinein und an meine knie. ich knie vor dem salzloch.
du schiebst die ausgestanzte scholle mitten auf den fjord
wie einen puck beim eishockey.
beim dritten blinker dann dieser herrliche widerstand, und bald darauf taucht er auf im schwarzen loch; und jetzt liegt er auf dem eis.
unser erster dorsch aus dem eis!
... und ab nach Kurzprosa, oder? (Tagebuch wäre auch passend)

Gruß,
Gabi
 
H

HFleiss

Gast
Ja, Gabi, die Idee kam mir auch, als ich den Text las. Aber nicht nur deshalb. Aber jetzt weiß ich, wie das Gedicht zustande kam, und kann mir die Situation vorstellen. Scheint aber doch was dran zu sein an der Kurzgeschichte.

Lieben Gruß
Hanna
 

rosste

Mitglied
ja, überredet. kurzprosa.

"ikkje denne veien = nicht diesen weg, nicht hier entlang (norweg.)" nicht vergessen am schluss.

danke für euer interesse.
 
hallo rosste,

auch ich empfinde dieses werk wie eine kurzgeschichte, mehr noch wie eine kleine erzählung. ein bischen mehr wünschte ich mir den höhepunkt hervor gehoben. leider fehlt mir auch jegliches wissen um das leben im fjord. daher kanni ch deine nette, lebendig erzählte story nur aus diesen worten hier nachvollziehen.
lieben gruß heike
 

rosste

Mitglied
danke heike,
nun ist ja mein eisfischen bei der kurzprosa gelandet. das ist o.k. vorher hatte es ja eine versform.
der höhepunkt ist natürlich der fisch am ende, aber auch das betreten der eisfläche war für mich ein höhepunkt, weil ich das bisher nur von zugefrorenen süßwasserseen kannte.
 
X

xzar

Gast
hallo rosste,

ich möchte anmerken, dass ich gerade die durch nüchternheit und grobmaschigkeit des textes entstehende deutungsvielfalt sehr gelungen finde. ich denke, dass ein text immer dann gut ist, wenn er aus sich heraus auf größere zusammenhänge deutet. in diesem zusammenhang gefällt mir das gericht aus den zutaten kind, eis, dem ruf und dem gefangenen fisch. man könnte darin größeres lesen, auch wenn dies von dir gar nicht beabsichtigt war.

ich glaube ja auch, dass der autor selbst erschreckend wenig von seinen texten versteht.

liebe grüße und ein lob,

co
 

rosste

Mitglied
danke xzar,
ja, das werk soll nüchtern sein, das erlebte ist ja spannend genug.
deutungsvielfalt besteht natürlich auch hier.
du deutest "einen größeren zusammenhang" an, aber sprichst ihn nicht aus.
das ist schade.
der größere zusammenhang ist doch:
wenn ich etwas neues erleben will, muss ich auf die angebote im alltag auch reagieren - aus dem geplanten skifahren mache ich ein eisfischen.
wenn ich nicht "einbrechen" will, muss ich auf die anderen (die erfahrenen) hören.
die erfahrenen sind die kinder.
die kinder wissen, wo es lang geht. ("nicht diesen weg!")
wenn ich mich nicht wage, bekomme (fange) ich auch nichts.
um einen schatz zu heben, muss ich schon etwas mehr, als nur an der oberfläche kratzen.
omnia mea mecum porto. - alles, was ich brauche, trage ich bei mir. (Bias) - hier der spaten, der endlich mal genutzt wird.

lg
 



 
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