entwurzelt

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T

Trainee

Gast
Hallo Mistralgitter,

ich lese von Ödnis und Trauer und einem Hoffnungsstrahl im letzten Vers. - Entwurzlung bedeutet, vom Lebendigen abgeschnitten zu sein.
Vielleicht von dem, das man sehr liebt, dem Schreiben.

entwurzelt

weit entfernt
vom hochzeitlichen Rotahorn
dem üppig blühenden Apfelbäumchen
aus deinem Garten
deine Bank
nun auf trockenem Land
vor einem Haus mit fremden Geräuschen
Bis dahin finde ich das Gedicht sehr ausdrucksstark (ach, der "hochzeitliche Rotahorn" und "die Bank auf trockenem Land").

Die beiden Folgeverse schwächeln aus meiner Sicht noch ein wenig.

ohne Freunde

hörst du nicht, wie die Amsel singt?
Die Freunde könntest du evtl. ganz weglassen (natürlich nur im Gedicht! ;)) und dafür nach einem wirklich starken Endvers suchen.
Als Symbolfetischistin schlage ich vor, etwas zu nehmen, wofür ein Ahorn steht: Er galt beispielsweise in früheren Zeiten als Schutzkraft gegen böse Geister / Hexen etc. und wurde deshalb stets in Hausnähe gepflanzt.
So hättest du Schutz statt Hoffnung, dafür aber die Amsel weg, die vielleicht etwas zu oft als Hoffnungsträgerin herhalten muss ...

Oder sinngemäß etwas wie: Gib mir ein Wort, und ich dürste nicht.

Hoffentlich kannst du mit meinen Anmerkungen etwas anfangen und fühlst dich nun nicht als überstülpte Fehlverstandene.

Liebe Grüße
Trainee
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Trainee,

Danke dafür, dass du dich so ausführlich mit meinem Text beschäftigt hast.
Du hast Recht - die Freunde sind etwas fremd in der Bilderwelt des Textes.
Ich denke morgen über eine andere Lösung nach.

Was du über den Ahorn schreibst, war mir unbekannt. Mal sehen, ob ich etwas daraus machen kann.

Mit dem Gesang einer Amsel verbinde ich weniger die Hoffnung oder den Frühling - obwohl man das so sehen könnte - sondern eher Wehmut oder Sehnsucht. Wenn jedoch Amseln grundsätzlich und ausschließlich als Hoffnungsträger gelten, dann muss ich auch das verändern.

Vielleicht kehre ich den Text völlig um, sitze mit Freunden am Lagerfeuer, stell der Liebsten eine Birke vors Fenster und lass die Spatzen pfeifen? ;-)
(Ist nur ein Spaß - ich bin restlos übermüdet ... musst dich also nicht wundern über meine Unernsthaftigkeit zum Schluss)

Also ich bin durchaus ab morgen wieder im "Überarbeitungsmodus"

Gute Nacht
Mistralgitter
 
T

Trainee

Gast
Hallo Mistralgitter,

habe eben nochmals nachgeschlagen: Im asiatischen Raum (Japan, China) gilt das Ahornblatt als Sinnbild der Liebe, wird eintätowiert, als Kette um den Hals geschlungen etc.
Vielleicht ließe sich daraus etwas stricken?

[Wie auch immer. Bei mir "muss" niemand fortwährend ernsthaft sein. Im Gegenteil!]

Eine ganz einfache, schnelle Änderung wäre:
entwurzelt

weit entfernt
vom hochzeitlichen Rotahorn
dem üppig blühenden Apfelbäumchen
aus deinem Garten
deine Bank
nun auf trockenem Land
vor einem Haus mit fremden Geräuschen

In den Zweigen die Amsel
So bliebe deine Version fast vollständig erhalten; der Endvers käme aber stärker (und offener) an den Leser.

Herzliche Grüße
Trainee
 

Mistralgitter

Mitglied
Deine Version ist eine tolle Idee! Danke. Ich übernehme sie!

Da ich zu wenig zu Hause bin in solchen Sinnbildern, wage ich mich nicht an das Ahornblatt, den Ahornbaum als Sinnbild - ich würde mich da wohl verhaspeln, obwohl der mir vor Augen stehende, real existierende Baum durchaus eine Bedeutung hat, aber eben eine persönliche, keine allgemein sinnbildliche. Zumindest müsste es dann einen neuen Text geben, der sich zentraler um den Baum, das Blatt dreht - denke ich mal.

LG
MG
 

Mistralgitter

Mitglied
entwurzelt

weit entfernt
vom hochzeitlichen Rotahorn
dem üppig blühenden Apfelbäumchen
aus deinem Garten
deine Bank
nun auf trockenem Land
vor einem Haus mit fremden Geräuschen

In den Zweigen die Amsel
 

revilo

Mitglied
und ausserdem ist es nicht mehr dein Gedicht....es wirkt nicht mehr authentisch....das ist nicht mehr der mistral....LG revilo
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo revilo,

Danke für deine Rückmeldungen.

Das mit den zu vielen Adjektiven erscheint mir wie so eine Generalkritik, wenn einem ein Text nicht gefällt.
Haben denn Adjektive generell so einen schlechten Ruf?

Ich hingegen finde Lyrik abscheulich, die vor Substantiven nur so strotzt. Sie wirkt steril.

Wenn aber Adjektive nicht nur seichte Verschönerung sind, sondern einen Inhalt transportieren, könnte man sie doch verwenden - oder?

Dass die letzte Zeile nicht "mistralig" ist, ist eindeutig richtig. Die Neufassung war ein Versuch, empfinde sie aber aus der Distanz auch nicht mehr so gut - sorry an Trainee.

Von diesem Text gibt es mehrere "Erstfassungen" - wie ich mich kenne, könnte es sein, dass auch diese Fassung hier nicht so bleibt - oder wieder ganz aus meinem "Repertoire" verschwindet.

Immerhin habe ich durch deine Hinweise einen Anhaltspunkt, wo etwas geändert werden müsste/könnte/sollte, aber nicht muss (natürlich, es ist ja mein Text) - und überhaupt ganz anders sein sollte.

Man liest sich
MG
 
T

Trainee

Gast
Hallo Mistralgitter,

Wenn aber Adjektive nicht nur seichte Verschönerung sind, sondern einen Inhalt transportieren, könnte man sie doch verwenden - oder?
Das sehe ich genauso.
Stehen sie für etwas, das sich im "Zauberwort" selbst finden sollte, sind sie redundant. Wirken sie platt, schmalzig und abgnutzt ebenfalls. Das ist hier aber eindeutig nicht der Fall. Im Gegenteil.
Ich denke, Mistralgitter, dass du auf dem besten Weg bist, wieder zu deiner ursprünglichen "Form" zurück- und aus deiner kleinen Schreibkrise herauszufinden. Das denke ich nicht nur, das weiß ich einfach. :)

Liebe Grüße
Trainee
 

molly

Mitglied
Hallo Mistralgitter,

sind es nicht die Freunde, die man am meisten vermisst, wenn man sich "entwurzelt" fühlt.

Viele Grüße

molly
 

revilo

Mitglied
entwurzelt

weit entfernt
vom [red]hochzeitlichen[/red] Rotahorn
dem [red]üppig blühenden[/red] Apfelbäumchen
aus deinem Garten
deine Bank
nun auf [red]trockenem[/red] Land
vor einem Haus mit [red]fremden[/red] Geräuschen

In den Zweigen die Amsel

Hallo Mistral,

gegen Adjektive ist im Prinzip nichts einzuwenden....sie sollten nur sparsam verwendet werden... die erste Strophe strotzt geradezu davon...Lyrik lebt aber davon, dass minimalistisch gearbeitet wird...in Verbindung mit dem Verzicht auf Verben wirkt das ganze Werk dann sehr gedrängt und auch ein wenig bemüht......

es ist auch ok, wenn ein Autor Vorschläge umsetzt...das darf aber nicht zu einer "Verfälschung " (bitte nicht falsch verstehen) führen.....

LG revilo
 

Mistralgitter

Mitglied
@ Trainee

Hallo Trainee

Ich denke, Mistralgitter, dass du auf dem besten Weg bist, wieder zu deiner ursprünglichen "Form" zurück- und aus deiner kleinen Schreibkrise herauszufinden. Das denke ich nicht nur, das weiß ich einfach.
Deine Worte sind sehr ermutigend. Danke! Ich arbeite mich so langsam wieder hinaus...

@ molly
das stimmt schon, aber hier geht es ja um die formal-inhaltliche Stimmigkeit eines Textes.
Wenn man zu viel in einen kleinen Text packen will, geht es manchmal daneben.
Danke aber dir fürs Lesen und Kommentieren.
 

revilo

Mitglied
entwurzelt

weit entfernt
vom Rotahorn [red]und[/red]
dem blühenden Apfelbäumchen
[red]steht[/red] deine Bank
auf trockenem Land
vor einem Haus mit [red]faden[/red] Geräuschen

hörst du [red]noch[/red]
wie die Amsel singt?

Das ist nur ein spontaner Versuch....Lg revilo
 
T

Trainee

Gast
Hallo Revilo,

Das wäre dann ein bildschönes Adjektiv (hochzeitlich) weniger - das Herzstück des Gedichts - dafür ein Füllwort ("noch") mehr.

Im Übrigen ist Mistralgitter an keiner Stelle von mir gebeten oder gar genötigt worden, auch nur einen der Tipps umzusetzen. - Bitte, unterlass zukünftig solche Unterstellungen. Vielen Dank im Voraus.

Ich hatte ihr übrigens ein breites Spektrum an Möglichkeiten angedeutet und sie sich für eine davon entschieden. Inzwischen ist sie anderer Meinung, was ihr gutes Recht ist.

Ich persönlich hätte es sehr begrüßt, wenn du, Revilo, einmal mit der nötigen Sensibilität auf eine Autorin zugegangen wärst, zumal sie mit dir offen über ihre derzeitige Blockade gesprochen hatte.

Trainee
 

Mistralgitter

Mitglied
oiii, nun sitzen wir anscheinend alle drei gleichzeitig am PC ... lustig.

@revilo,

nein, dein Vorschlag ist sehr unglücklich gewählt.
1. Du hast nur ein einziges Adjektiv gespart
2. Aus meinem "fremd" ein "fade" machen bedeutet eine inhaltliche Bedeutungs-Änderung.
3. Ein "und" ist in der Lyrik auch verpönt.... würdest du mir sicher vorwerfen, wenn ich es geschrieben hätte.
Also vielen Dank, nett gemeint - aber...
 

Mistralgitter

Mitglied
@Trainee,
ich erweitere mal zum Spaß deinen Vorschlag:


das Apfelbäumchen
entwurzelt
daneben die Bank
vor dem Haus
und die Amsel

;-)

Aber damit stimmt nun gar nichts mehr vom ursprünglichen Sinn.

Es krippelt?/kribbelt? zwar in meinen Fingern, etwas zum Hintergrund des Textes zu sagen - aber man darf ja als Autor nicht den eigenen Text interpretieren - ich finde das selbst auch doof.
Entweder der Text funktioniert oder er funktioniert.

Danke jedenfalls sehr für deine Hintergrundstütze!
 



 
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