fischers fritze (nicht mehr so nett)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]fischers fritze


hier ist die nachtes schau der heptametrisch hippen goeren
die nachricht lesung nackter traeume schaum vergorn in meeren
der mondes wueste wo schlaf hirten herden schafe scheren:
mit dem geliebten schlief ich – traeumt vom schaefer lamm zu zehren

ein tiger hat mich aufgeweckt mit blueh frisch roten pfoten
der leckt mir mein gesicht mit seinem glueh fisch brueh zisch heiszen
flamenco pink blut zungen lappen rein mir rein zu beiszen
nen knutsch fleck makel los und rein doch kuessen ist verboten

das darf allein mein schatz – der wird dirs kuess gebiss zerschroten
mit seinem schiesz gewehr: du gehst vom leben zu den toten
von sieben kugel schrott platz baellen platzen dir die ohren

vom feuerwerk das der dir macht da kannst du schaeume scheiszen
so viel du willst du pisser wenn die blasen platzen reiszen
sie n blut frisch glut zisch ruten fisch – er s fritz: du bist verloren
 
S

shoshin

Gast
Lieber Hansz,

Eine Mischung aus Gryphius, Rimbaud und Terentino? -

Jedenfalls eine hepametrische Schau (Show) bis am Ende statt der erdichteten Venus („nackter traeume schaum vergorn“) doch nur ein „blut frisch glut zisch ruten fisch“ an Fritzchens Angel hängt?

Ein Varieté der Dichtkunst, nahrhaft wie ein Kebab „mit alles“: überbordende Sprache, Klang, hippe Girls, Mondwüsten, Schafscherer, Tiger („glueh fisch brueh zisch heiszen flamenco pink blut zungen lappen“ sei besonders erwähnt), eifersüchtige Waffenbesitzer, und eben der Fritzi?

Mir scheint das LI, gelangweilt vom Liebhaber, sehnt sich nach mehr, als der üblichen blutleeren Schau und steigert ich in einen terentinischen Blutrausch hinein, eigentlich aus Feigheit sich dem Pinktblutflamenco des Tigers hinzugeben.

Nach dem Lammgusto (Verlust der Unschuld-V4), den (verschlüsselt) erotischen Fantasie (S2) und dem Anrufen ihres gnadenlosen, blutrünstigen Schatzes, verebbt die Schau am Ende an Fritzchens Angel

Da hängt nun („blut frisch glut zisch ruten fisch“) als Bestrafung? ("Rute") der (sehr) kalte Fisch („frisch glut“);

„Fischers Fritz“ ist ein harmloser Zungenbrecherspruch, in den man sich früher oder später verheddert.

Wie passt das alles zusammen? Alle Schreibe, so blutrünstig und klangvoll sie auch ist, ist nie das „Echte“, nie etwas Neues, es kann immer nur ein Widerkäuen von schon Erfahrenem sein. Eine Konserve also, wo keine makellose Venus drin ist, sondern nur mehr öliger kalter Fisch.

Die Venus von Rimbaud ruft Ekel hervor. Der Blutrausch hier tut das nicht, es bleibt auf der Ebene der Parodie, ist eigentlich zum Lachen.

Was hier parodiert (kritsiert) wird, ist vermutlich die scheinbare Kunstfertigkeit (hepametrisch hippe Lesung – die Goeren sind hoffentlichlich nur reimgeschuldet;)), die einschläfernde „herdenwirksame“ Themenwahl („wo schlaf hirten herden schafe scheren“), ohne Mut jeden Mut sich auf den Tiger einzulassen.

Wenn der Tiger dann anklopft (das Gesicht(sfeld) reinlecken will), dann entwickelt das LI (aus purer Angst seine Gewohnheiten zu ändern =Kuss nur vom Schatz) eine geradezu dionysisch-orgiastische Leidenschaft zu töten. Das Fazit: „Du bist verloren“ klingt jedenfalls nach bei mir.

Zur Form kann ich nicht viel sagen. Ich habe noch nie mit Siebenhebern geschrieben ;); es flutscht jedenfalls dahin (rasant ohne Punkt und Komma) und es ist halt dein Stil: dieses (manierierte) musikalisch-lautmalerische Stabreimen (korrigiere mich!, hier wird das sogar optisch abgebildet (sz, ae, oe..). Der viele Platz in den Versen eignet sich gut für diese barocke Hyper-Überladenheit, die hier aber gut zum Thema passt.

zB.: blut frisch glut zisch ruten fisch - ein Fisch mit 5 Eigenschaften, dafür braucht man schon Platz
oder hier sind noch mehr für die Zunge des Tigers (5+6):
glueh fisch brueh zisch heiszen
flamenco pink blut zungen lappen
-
echt verrückt! :)


So einmal mein Eindruck, wahrscheinlich liege ich völlig daneben, aber es hat mir Spaß gemacht, mich darauf einzulassen.

LG
shoshin
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, so macht es richtig Spaß, liebe Shoshin,

zuerst einmal herzlichen Dank!
Ich färbe Deine Zeilen blau ein, dann kann man leichter von Stein zu Stein springen.

[blue]Eine Mischung aus Gryphius, Rimbaud und Terentino? -[/blue]
Gryphius nahm lieber Sechsheber, Rimbaud hob sein Auto so nebenher mit einer Hand, der brauchte gar keine Heber, und Tarantino dichtet nicht wie Pasolini, Michelangelo oder Dr.Schultz. Sonst Danke für den Vergleich.

[blue]Jedenfalls eine hepametrische Schau (Show) bis am Ende statt der erdichteten Venus („nackter traeume schaum vergorn“) doch nur ein „blut frisch glut zisch ruten fisch“ an Fritzchens Angel hängt? [/blue]
heptametrisch, Siebenheber für den platten Laster.
Das lyrische Ich ist selbst venerisch-weiblich; aber wohl eher der Venus-Konkurrenz "Psyche" vergleichbar, deren Amor als Mondhirte Träume hüten mag, denn erst in der zweiten Strophe wacht sie auf. Vom idyllischen Schlafschafland, wo (statt der Tagesschau) die Nachtesschau sich rituell ankündigt ("hier ist ...") und natürlich statt nüchterner Nachrichten im Schaum der Träume rumkitscht.
[blue]Ein Varieté der Dichtkunst, nahrhaft wie ein Kebab „mit alles“: überbordende Sprache, Klang, hippe Girls, Mondwüsten, Schafscherer, Tiger („glueh fisch brueh zisch heiszen flamenco pink blut zungen lappen“ sei besonders erwähnt), eifersüchtige Waffenbesitzer, und eben der Fritzi?

Mir scheint das LI, gelangweilt vom Liebhaber, sehnt sich nach mehr, als der üblichen blutleeren Schau und steigert ich in einen terentinischen Blutrausch hinein, eigentlich aus Feigheit sich dem Pinktblutflamenco des Tigers hinzugeben.
[/blue]
Ja, ich glaube Du triffst es gut, vor allem den Stil-, Stimmungs-, Bewußtseins- und Adressaten-Wechsel.
Dieweil der Tiger Zähne zeigt und Zunge, ruft das kleine Mädchen um Hilfe: um die beiden ungleichen Mannsfunktionen gegeneinander auszuspielen. Sie kann dem Tiger drohen, indem sie das Fuchsduhastdieganzgestohlenkinderlied zitiert: "sonst kommt dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr!"

[blue]Nach dem Lammgusto (Verlust der Unschuld-V4), den (verschlüsselt) erotischen Fantasie (S2) und dem Anrufen ihres gnadenlosen, blutrünstigen Schatzes, verebbt die Schau am Ende an Fritzchens Angel

Da hängt nun („blut frisch glut zisch ruten fisch“) als Bestrafung? ("Rute") der (sehr) kalte Fisch („frisch glut“);[/blue]
Problematisch für den Tiger halte ich besonders die Mehrdeutigkeit des "Reißens": Statt seiner Beutebeherrschung droht ihm ein peinliches Blasenleiden. Und sein "Fisch" wird selbst Opfer eines überlegenen Fischers. Der dann auch noch die Sprache beherrscht, als Zungenbrechermeister, mit Persiflagen auf den Gott-Tiger-Zebraoth seiner Fellstreifenwechsel u-i-u-i-u-i-e-i-o (Vokale der Silben im letzten Vers).
[blue]„Fischers Fritz“ ist ein harmloser Zungenbrecherspruch, in den man sich früher oder später verheddert.
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Wo wäre eigentlich der Autor im Off zu verorten? Oder wer repräsentiert ihn im Lied? Das lyrische Ich? der Tiger oder der Gewehrschießer? Oder alle drei? oder ein viertes Subjekt?
Noch offen.

Wie passt das alles zusammen? Alle Schreibe, so blutrünstig und klangvoll sie auch ist, ist nie das „Echte“, nie etwas Neues, es kann immer nur ein Widerkäuen von schon Erfahrenem sein. Eine Konserve also, wo keine makellose Venus drin ist, sondern nur mehr öliger kalter Fisch.
Nun ja, einerseits waren um 1900 schon alle Melodien geschrieben, und trotzdem fand Mahler neue. Die Kunst besteht immer darin, weitere Primzahlen zu finden.

[blue]Die Venus von Rimbaud ruft Ekel hervor. Der Blutrausch hier tut das nicht, es bleibt auf der Ebene der Parodie, ist eigentlich zum Lachen.[/blue]
Richtig.
nen knutsch fleck pubertär-trivial makel los und rein religiös-sprachlich naiv verseift doch kuessen ist verboten das ist sowohl Hurenspruch als auch Jugendlichendeckelung, zugleich auch Geschäker und Spott.
das darf allein mein schatz unsäglich albern, vor allem gegenüber einem Goldstreifenmonster mit blutiger Zunge – der wird dirs kuess gebiss zerschroten Tiger-"Küssgebiss"? Frechheit.
mit seinem schiesz gewehr als ob Mr. Parker ein Fuchs wäre.

[blue]Was hier parodiert (kritsiert) wird, ist vermutlich die scheinbare Kunstfertigkeit (hepametrisch hippe Lesung – die Goeren sind hoffentlichlich nur reimgeschuldet), die einschläfernde „herdenwirksame“ Themenwahl („wo schlaf hirten herden schafe scheren“), ohne Mut jeden Mut sich auf den Tiger einzulassen.[/blue]
Nicht eigentlich Parodie, zunächst eher Spaß am Comic, "in the jungle", aber dann wird die Rolle des Beschützers ausgespielt gegen den Zebrakater, Überich gegen Es, konventioneller Monogamiegatte gegen die bunte Macht des Unterbewußten. Und das ist so übertrieben brutal, daß es Tarantinos Geschmacklosigkeiten trifft, oder eher die von Rodriguez und der "Sin City"-Verfilmung. Aber nicht ganz, es bleibt schon noch bei der i-u-i-u-i-Scheibenputzerei des Zungenbrechers.

[blue]Wenn der Tiger dann anklopft (das Gesicht(sfeld) reinlecken will), dann entwickelt das LI (aus purer Angst seine Gewohnheiten zu ändern =Kuss nur vom Schatz) eine geradezu dionysisch-orgiastische Leidenschaft zu töten. Das Fazit: „Du bist verloren“ klingt jedenfalls nach bei mir.[/blue]
Ja.

[blue]Zur Form kann ich nicht viel sagen. Ich habe noch nie mit Siebenhebern geschrieben ; es flutscht jedenfalls dahin (rasant ohne Punkt und Komma) und es ist halt dein Stil: dieses (manierierte) musikalisch-lautmalerische Stabreimen (korrigiere mich!, hier wird das sogar optisch abgebildet (sz, ae, oe..). Der viele Platz in den Versen eignet sich gut für diese barocke Hyper-Überladenheit, die hier aber gut zum Thema passt.[/blue]

[blue]zB.: blut frisch glut zisch ruten fisch - ein Fisch mit 5 Eigenschaften, dafür braucht man schon Platz
oder hier sind noch mehr für die Zunge des Tigers (5+6):
glueh fisch brueh zisch heiszen
flamenco pink blut zungen lappen -
echt verrückt! [/blue]
ja.

grusz, hansz
 
S

shoshin

Gast
Auch gerne, leider habe ich nicht immer so viel Zeit, wie in der Genesungsphase nach einer (langwierigen) Grippe.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich komme noch mal, Shoshin, zurück

auf Deine Schlußanmerkungen:
[blue]Der viele Platz in den Versen eignet sich gut für diese barocke Hyper-Überladenheit, die hier aber gut zum Thema passt.

zB.: blut frisch glut zisch ruten fisch - ein Fisch mit 5 Eigenschaften, dafür braucht man schon Platz
oder hier sind noch mehr für die Zunge des Tigers (5+6):
glueh fisch brueh zisch heiszen
flamenco pink blut zungen lappen -
echt verrückt! [/blue]
ein Angelpunkt dieser überlangen Vershebel sind in der Tat die Komposita, die hier zwar dadurch, daß sie aufgelöst geschrieben sind, wie Wörterreihungen erscheinen, warum auch nicht, - die aber doch mönströse Attribute bilden.

Sehr gut bemerkt von Dir, und auch die stilistische Einordnung gerade dieser Attributkomposita in den Neobarock der Heptameter. Der Kontrast zur Volksliednaivität verstärkt es vielleicht.
Und die Abwesenheit des Fritzen.

Wenn der überhaupt (außerhalb des Schlafes) existiert.

grusz, hansz
 



 
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