formelschlacht

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Yklamyley

Mitglied
formelschlacht

wo man hinsieht
verstörte
entsetzte
gesichter.
noch wäre es zeit
zu gehen.
einige
rechnen
zusammen,
alleine,
an besonders
schwierigen beispielen.
andere
sitzen
stumm und starr
herum,
paralysiert.
dann gibt es auch die,
die herumalbern
sich über ihre unfähigkeit
lustig machen,
galgenhumor.
auf dem weg
zum schicksalsreichen
"mehrzwecksaal",
verbindet sie alle
ein zusammengehörigkeitsgefühl,
das sich sonst
versteckt,
hinter kästen
unter tischen
oder
im kanalsystem
der schule.
noch vor auftauchen
des lehrers
hängen die gedanken
an wurzeln
geometrischen reihen
und grenzprozessen,
oder auch
an der zigarette
danach.
50 minuten,
quälend
die schnell
oder zäh
verrinnen
zerlaufen
glühende stifte
gefolterte taschenrechner
verborgene schummler.
aufseufzen
sechs sichere punkte
schweißausbrüche
über unlösbaren
potenzreihenentwicklungen.
und dann
nach stunden
wie das gefühl sagt
oder auch nur
nach sekunden
wie die teils lückenhaften
lösungen vermuten lassen,
ist es vorbei
die papiere geschlichtet
die hefte auf einen haufen
das ganze zeug
plötzlich unnütz geworden
zusammengerafft
schlecht
gut
egal
es ist vorbei.
auch bei denen,
die ihre fünf gleich selbst
unter die schularbeit
hätten setzen können,
hört man
steine purzeln
gewichte von
der seele
erleichterung
unbeschwingtheit.
durch die kurze schlacht
deren vorbereitungen
tage dauerten,
haben wir das wissen
gerettet
oder erlangt
dass solche schlachten
wie schmerz
hinterher
nie mehr so schlimm
scheinen
und auch immer
wieder kommen werden
unaufhaltsam,
und gerettet
haben wir
vor allem
das wissen,
dass wir nie verlieren können,
solange ihre bedeutung
sich auf
die kurzen phasen
aufrüstung
kampf
und waffenstillstand
beschränkt.


C Yklamyley
28.Februar.2003
 
@ Yklamyley

Ja, Du hast Dich wohl aus Deiner Knickerbockerzeit famos herausentwickelt.
Dein Text erinnert mich ganz fatal an die Gefühle und Befindlichkeiten während früherer Schul- und genauer: Mathestunden (z.B. "über unlösbaren Potenzreihen-Entwicklungen brüten").
Der Text hat den Charakter einer treffenden, verbalen Photographie, richtig ungekünstelt und real, und selbst seine Form (hoffe, die ist bewußt gewählt!) entspricht dem Endloscharakter der "Formelschlachten".
 
K

kaffeehausintellektuelle

Gast
ich kann mich waldemar nur anschließen. gefällt mir total gut. sehr authentisch und schöne sprachspiele und bilder.
gedanken, die an wurzeln hängen, z.b.

verrinnen hast du falsch geschrieben. und fünf und sechs würd ich ausschreiben. die ziffern wirken nicht schön in lyrik.

aber sonst. alle achtung!

die k.
 

Yklamyley

Mitglied
lieber waldemar, liebe barbara,

ich danke euch für die positive resonanz!

wünsch euch einen schönen sonntag,

ines
:)
 



 
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