green man

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nisavi

Mitglied
wenn ihr
den tag
glattgestrichen
und zur seite
gelegt habt
hole ich ihn zurück
entfalte ihn
ein letztes mal
trage ihn
behutsam
vor die tore der stadt

dorthin,
wo ich sein singen
in den sturm webe

dorthin
wo ich sein licht
in das winterfeld säe

dorthin
wo ich die erde
mit seinen gerüchen tränke


wenn es dämmert
gehe ich zurück
und versteinere
im laub der jahrhunderte
 

Perry

Mitglied
Hallo nisavi,
gefällt mir, den von anderen abgelegten Tag noch einmal zu entfalten und in die Natur/Welt zu entlassen. Es steckt sehr viel Philosophisches in dem Text, z.B. wer ist das lyrische Ich? Vielleicht die Zeit mit ihrem Hauch der Jahrhunderte.
Zur Ausführung ist mir aufgefallen, dass
"glattgestrichen" nicht unbedingt gefaltet bedeuten muss und dass man mit Gerüchen, die i.d.R. gasförmig sind, nicht die Erde tränken kann. Abgesehen von diesen kleinen Unschärfen aber Applaus von mir!
LG
Manfred
 

pablo

Mitglied
Hallo nisavi,

du schreibst gut, gut, gut!

Ich bin einfach überwältigt von deiner Wortgewalt und kann nur andächtig staunen.

Gruß
Pablo
 

tomoe

Mitglied
[Ich mag blanke Lobeshymnen nicht, aber pablo hat nicht unrecht, also:]

(Auch) Ich freue mich auf (bzw. fast über) jedes neue Werk von dir; ohne Pomp und Gloria, stattdessen minimalistisch schlicht gelingt es dir auch in diesem Gedicht wieder Lyrisches(!) zu verfassen.
Bravo
... ;) ...
Die von Perry angemahnten 'Unschärfen' empfinde ich in diesem Gedicht nicht als unpassend/störend.
Es geht hier wohl weniger um wissenschaftliche Akkuratesse.

Besten Gruß
tomoe
 

nisavi

Mitglied
danke für eure so positiven rückmeldungen.

@perry: ich hatte bei "glattgestrichen" vor augen, dass man eine zeitung liest, (als ordentlicher mensch) glattstreicht und wieder zusammenfaltet.
die gerüche? hm. da hast du rein physikalsich betrachtet sicher recht. ich meinte: das, was vom tage bleibt, also auch duft oder gestank (im übrigen ja oft flüssigkeiten anhaftend), wird der erde übergeben.

noch ein erhellender link: http://www.cathedral.org.uk/acatalog/Replicas.html

lg

n.
 
D

dockanay

Gast
lieber nisavi,

man kann diesem gedicht kaum worte entgegensetzen, denn es spricht einfach aus sich selbst. kein wort ist zu viel, kein wort zu wenig. die metaphern haben mich überwältigt.

lg dockanay
 

wando

Mitglied
Hallo,

deine Zeilen stellen für mich einfach nur eines dar:

Großes Kino in Schriftform.
Demütig verbeuge ich mich vor deiner Poesie.

LG wando
 

Lonelysoul

Mitglied
Hallo nisavi,

ein wunderschönes Werk! Mehr kann ich
dazu nicht sagen denn dein Werk spricht für sich.

Lieben Gruß

Lisa
 



 
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