M
margot
Gast
es regnete tag und nacht.
die blätter fielen zuhaufe, abgerissen von
schweren tropfen und hagel. ein wolken-
heer in grauem rüstzeug zog über das
land. in der nacht donnerten und blitzen
seine geschütze in einer fernen, unwirk-
lichen schlacht.
am morgen bließ ein heftiger wind. viele
blätter waren gefallen und leuchteten rot
und gelb in der sonne. immer wieder
lösten sich neue und tanzten gen boden.
dem herbstwind gefiel das spiel, und er
rief die sonne: „komme hervor und lasse
die erde leuchten!“ und die strahlen der
sonne brachen durch die wolken und
fielen auf das nasse laub. das war eine
farbenpracht! darunter der alltag der
menschen und die hektik der stadt in
gleichgültigem grau. und der wind rief
auch die menschen, aber nur wenige
hatten gefallen an dem spiel. der wind
war wie ein kind, und auch die sonne
vergaß ihren mütterlichen ernst. die zwei
scherzten – ei! – ein hut machte sich davon,
papierbällchen strauchelten über das
pflaster, blätter tanzten ringelrei, bis sie
schließlich irgendwo klebenblieben:
unter dem schuhabsatz eines passanten,
in einer pfütze, zertreten, verrottend.
dieses spiel wiederholt sich jedes jahr,
jedes jahr dieselben zeichen der vergäng-
lichkeit – im rhythmus eines schlagenden
weltherzens. das leben ist kurz. nur kurz
wirbelt das blatt durch die luft, um dann
eins zu werden mit der erde. und macht
sie fruchtbar.
(1985)
die blätter fielen zuhaufe, abgerissen von
schweren tropfen und hagel. ein wolken-
heer in grauem rüstzeug zog über das
land. in der nacht donnerten und blitzen
seine geschütze in einer fernen, unwirk-
lichen schlacht.
am morgen bließ ein heftiger wind. viele
blätter waren gefallen und leuchteten rot
und gelb in der sonne. immer wieder
lösten sich neue und tanzten gen boden.
dem herbstwind gefiel das spiel, und er
rief die sonne: „komme hervor und lasse
die erde leuchten!“ und die strahlen der
sonne brachen durch die wolken und
fielen auf das nasse laub. das war eine
farbenpracht! darunter der alltag der
menschen und die hektik der stadt in
gleichgültigem grau. und der wind rief
auch die menschen, aber nur wenige
hatten gefallen an dem spiel. der wind
war wie ein kind, und auch die sonne
vergaß ihren mütterlichen ernst. die zwei
scherzten – ei! – ein hut machte sich davon,
papierbällchen strauchelten über das
pflaster, blätter tanzten ringelrei, bis sie
schließlich irgendwo klebenblieben:
unter dem schuhabsatz eines passanten,
in einer pfütze, zertreten, verrottend.
dieses spiel wiederholt sich jedes jahr,
jedes jahr dieselben zeichen der vergäng-
lichkeit – im rhythmus eines schlagenden
weltherzens. das leben ist kurz. nur kurz
wirbelt das blatt durch die luft, um dann
eins zu werden mit der erde. und macht
sie fruchtbar.
(1985)