herr klug

Bei der Arbeit


Herr Klug steht am Fliessband wie jeden Morgen und macht in aller Ruhe und Routine seine Arbeit. Seit 20 Jahren arbeitet er schon hier. Anton am Nebenband ist schon seit 30 Jahren dabei. Leo ganz unten an der Station 1 hat letzten Herbst die Stelle von Hans, welcher nach 45 Jahren im Betrieb nun seine wohlverdiente Pension geniesst, übernommen. Jeder hat schon an der Station 1 gearbeitet. Frischlinge starten immer an der Station 1, aus Sicherheitsgründen.
Lautes Dröhnen dringt regelmässig durch die dicke Mauer, die Halle a von der Halle b trennt.
Dort drüben werden die präzis, geometrisch vorgeritzten Hüllen gegossen, die Zünder gestanzt und die Treibladung aufgefüllt. Oft hat sich Herr Klug vorgestellt, wie die Arbeit in Halle b bei diesem Lärm zu ertragen sei. Zudem behandelt der Schichtführer seine Angestellten nicht gerade behutsam und kontrolliert sie ständig. Neulich hat sich Kurt auf der Toilette bei ihm beklagt, dass ihm verboten wurde im Kollegenkreis von seiner Arbeit im b zu erzählen. Falls er sich nicht daran halte, könne er sofort gehen.
Es herrscht ein raues Klima in Halle b. Kurt weiss schon, warum sein Vorgesetzter ihn so murrig hingestellt hat und dies noch während dem Znüni vor allen Kollegen. Der Brämymann von der Warhead Division, der oberste Chef von Halle b lässt seine perfiden Launen stets an seinen Schichtführern aus und diese wiederum wälzen sie auf die Büetzer ab.
Ein seltsamer Typ ist er ja schon der Warhead, wie ihn hier alle hinter vorgehaltener Hand nennen. Ständig marschiert er zusammen mit Ammunition Divisionschef Haff und einer Hand voll gut gekleideter Herren vom Staat durch die Fabrikationshallen, zeigt voller Stolz was in Halle b passiert, macht Witze über die 2.klassige Ware, die sie zu hohen Preisen dem Ausland andrehen und preist die Forscher aus Halle c, welche streng geheim im UG des Haupttrakts verwahrt sind. Noch nie habe er, noch die hohen Herren, sie in der Halle a besucht.
Wir sind denen wohl nicht gut genug, obwohl die in Halle b ihre Büetz ohne uns gar nie exportieren könnten. Jemand muss die Dinger ja schliesslich verpacken, balettieren und die Zollpapiere ausfüllen. Aber sie aus dem a seien denen halt nicht gut genug. Auch die Forscher aus Halle c würden sie am Mittag in der Kantine kaum beachten. Sie stolzieren stets in der ganzen Gruppe vom Haupttrackt ins Mensagebäude. Wenigstens drängen sie sich in der Warteschlange nicht vor, wie die von Halle b. Der Hauptgrund dafür ist wahrscheinlich der, dass sie hinter einer Wand aus Plastikpflanzen, von uns normalen Büetzern abgeschottet, ihr eigenes Buffet haben.
Einmal hat sich Herr Klug gewagt, dieses, nach dem alle die Mensa verlassen hatten, er aber noch auf der Toilette war und deshalb nicht gemerkt hatte, wie die Zeit verging, zu begutachten. Feines Lammfilet und Bohnen hatten die Herren vom c zu Mittag. Für die Normalen gab es nur Magronen und eine Bratwurst. So läuft das also, hat er sich gedacht. Etwas wütend, aber doch einsichtig darüber, dass es halt Studierte sind, beruhigte er sich wieder.
Wahrscheinlich sei es auch besser, dass die Forscher alleine essen, er könne ja bei deren Diskussionen über Durchschlagleistung, Splitterwirkung und Ausgangsgeschwindigkeiten ohnehin nicht mithalten. Es habe ihm genügt, als er einmal zwei belauscht habe am Nebentisch, direkt hinter der Pflanzenwand.
Der integrierte Penetrator durchdringe das Ziel dank der kinetischen Energie und zünde danach eine Ladung, welche Fragmente mit hoher Energie gegen weiche Ziele erzeuge, habe der Eine dem Anderen erklärt. Wobei der Andere von Fortschritten bei den Long-Range-Scharfschützentechnik und der kundengewünschten Designanordnung der Sollbruchstellen, welche Zahl und Masse der Spliter steuere, berichtete. Deshalb diskutiere er lieber mit Anton über den Match vom Sonntag oder das Titelthema im Blöök. Da kenne er sich besser aus und fühle sich wohler als bei den Studierten.

Leo an Station 1 sah seit einigen Tagen nicht glücklich aus bei der Arbeit. Er lächelt kaum und redete fast nichts mehr. Es war Herr Klug zuerst gar nicht aufgefallen, da Leo immer ein stiller Typ war, aber so still nun auch wieder nicht. Wahrscheinlich hat er Ärger mit seiner Frau, hat mir Anton auf meine Frage, was denn mit Leo los sei, geantwortet. Dass Leo jedoch keinen Ring trug, hat Anton aber nicht weiter beunruhigt.
Eines Morgens als Herr Klug aushilfsweise an der Station 2, direkt neben Leo, aushalf, da Sepp krank war, hat es ihn dann doch gewundert, was los sei und habe ihn gefragt, ob er Krach mit seiner Frau habe. Er habe aber nichts geantwortet. Erst später nach dem Znüni, auf der Toilette, habe Leo sich ihm anvertraut. Er mache sich Sorgen was mit all dem Zeug, das sie exportieren, wohl geschehe. Ob das niemandem schade. Herr Klug habe Leo aber zu beruhigen vermocht, indem er ihm sagte, das werde schon alles kontrolliert und überprüft ablaufen im Ausland. Schliesslich stehe ja die Schweiz dahinter und die würde schliesslich keine falsche Verwendung zulassen.
Dennoch sei Leo aber am kommenden Montag nicht mehr zur Arbeit erschienen. Er habe gekündigt, wusste Anton schon Bescheid. Er habe am Morgen beim Kaffeautomat den Warhead und Haff belauscht. Sie haben gesagt, Leo sei zu naiv für diesen Job.
 



 
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