ich bin alt, II

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Elfi

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Schemenhaft sehe ich mein Gesicht auf den Fliesen wiederspiegeln, als die Schwester mit dem brünetten, kinnlangem Haar mich anspricht:
"Sind Sie fertig, Frau Mengelkamp?"
Ich nicke nur, ehe sie ihren Platz neben der Fensterbank, an der rechten Seite des Raumes verlässt. Sie kommt zu mir, um mir beim Aufstehen behilflich zu sein. Ihre vorhin noch warme Hand fühlt sich unter meinem Oberarm kalt an; sie trägt jetzt Handschuhe.
Das Aufstehen ist mühselig, denn meinen Beinen fehlt die Kraft. Wäre nicht die Hand der Schwester, würde ich nicht bis zur Dusche kommen, die an der linken Seite des Raumes die volle Breite einnimmt.
"So, wir sind schon in der Dusche, Frau Mengelkamp! Hier können sie sich wieder ausruhen!"
An der Wand unterhalb des Duschkopfes steht so ein komischer, weißer Stuhl, auf dem ich mich setze. Es tut gut, nicht auf den Beinen sein zu müssen, aber der weiße Stuhl ist unbequem. Ein Stück der Sitzfläche ist ausgespart.
Das warme Duschwasser läuft an meinem Körper herunter.
"Ich bin doch nicht dreckig!", protestiere ich, doch die Schwester, die meinen Oberkörper mit einem Waschlappen reinigt, meint:
"Nein, Sie sind nicht dreckig! Ich mache sie nur etwas frisch! Dann fühlen Sie sich gleich viel besser!"
Stoisch lasse ich die Waschung über mich ergehen und endlich habe ich es überstanden. Die Schwester trocknet mich mit dem großen, blauen Badetusch ab, ehe sie dieses an einen Haken an der Wand hängt. Sie geht zum Fenster und kommt mit frischer Unterwäsche zurück. Es ist mühselig, meine Arme durch die Hemdöffnungen zu schieben, genauso anstrengend ist es, in die Unterhose zu steigen, und dabei den Halt nicht zu verlieren.
"Wir sind doch schon ein ganzes Stück weitergekommen!", meint sie, ehe sie mich zu dem Stuhl führt, der gegenüber der Toilette steht. Während ich dort sitze, kommt die weiß gekleidete Schwester mit einer großen Flasche zu mir.
"Das ist Körperlotion!", erklärt sie, ehe sie mich mit dem Inhalt aus der Flasche eincremt. Es riecht gut! Schließlich stellt sie die Flasche auf das schmale Schränkchen neben dem Waschbecken zurück. Sie verlässt das Bad und kommt mit meiner Bekleidung zurück. Ein schwarzer Pullover und ein schwarzer Wollrock. Ich stehe, als sie mir in den Rock hilft, und dann führt sie mich aus dem Bad. Es geht nur langsam durchs Schlafzimmer, an meinem Bett vorbei, ehe wir durch die andere Tür ins Wohnzimmer kommen. Mein Wohnzimmertisch mit der Obstschale und die Sofagarnitur unter dem Fenster.
"Ich muss noch meine Blumen gießen!", erwähne ich, doch die Schwester führt mich an meinen Fenstern vorbei.
"Die Blumen haben Sie doch gestern gegossen. Die brauchen nicht so viel Wasser!"
"Das soll ich doch wohl besser wissen!", sage ich ihr. Was bildet sich die Frau überhaupt ein!
Sie führt mich zu meinem braunen Fernsehsessel, auf dem die grüne Wolldecke liegt. Erleichtert lasse ich mich nieder, ehe sie die Fußstütze heraus zieht.
"Möchten sie einen Apfel?", frage ich die Frau, "Äpfel sind gesund!"
"Danke, Frau Mengelkamp, aber ich muss zuerst ihr Bein verbinden. Sie haben doch am Bein eine Wunde."
"Ich sehe nichts!"
Die Frau mit den brünetten Haaren reicht mir meine Brille herüber, die auf dem Wohnzimmertisch lag, und als ich durch die Gläser zu meinen Beinen starre, sehe ich es: mein linkes Bein ist an einer Stelle rot!
"Die Wunde ist schon gut verheilt, dafür, dass Sie schon einhundert Jahre alt sind!"
Die Frau muss sich doch vertan haben! So alt bin ich bestimmt noch nicht!
Ich sehe dabei zu, wie sie mir eine Creme auf die rote Stelle streicht, ehe sie eine Mullbinde darüber wickelt.
"So, jetzt helfe ich Ihnen noch in die Stumpfhose, dann können Sie ihre Schuhe anziehen!"
Die Strumpfhose lässt sich nur schwer über meine Beine bekommen, und ich stütze mich bei der Schwester ab.
"Ich brauche meinen Stock!"
"Gleich, Frau Mengelkamp!"
Meine Schuhe sind an den Füßen und ich bekomme meinen Gehstock, ehe ich mit Hilfe der Schwester aus dem Fernsehsessel aufstehe.
"So, es ist doch schon geschafft! Sie haben gut mitgeholfen! Jetzt bringe ich Sie zur Küche! Da können Sie dann in Ruhe frühstücken, Kaffee trinken, und in der Zeitung lesen!"
Sie begleitet mich aus meinem Wohnzimmer.
 

AndreLinke

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hierbei fragt man sich schon, was du eigentlich mitteilen willst. es gibt keine entwicklung bzw. großartige veränderung und keine ungewöhnliche handlung. daher bin ich noch am grübeln, was das soll. naja, sie hat mich also zum nachdenken angeregt. also habe ich trotzdem ein positives bild von der geschichte. ;)
dass du aus der ich-perspektive geschrieben hast, finde ich hier sehr gut. dadurch wird die situation der hilflosen person persönlicher und etwas ansprechender für mich.
 

Elfi

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Hallo Andre,

auch wenn keine großartige Handlung abläuft, lebt die Geschichte von der beklemmenden Gedanken- und Gefühlswelt dieser alten Frau, die nicht mehr im Hier und Jetzt lebt. Die Geschichte soll zum Nachdenken anregen, schließlich werden wir alle ja mal älter.
 

Inu

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Hallo Elfi

Ich frage mich auch, was das sein soll? Ich weiß (durch Dein Profil leider ) nichts von Dir, Elfi. Weiß nicht wie alt oder jung Du bist, ob Du selber ähnliche Dinge erlebt hast oder EHER nicht. Was Dich gerade zu diesem Text getrieben hat, weiß ich nicht. Die Geschichte ist für mich weder 'beklemmend', noch zeigt sie besondere persönliche Anteilnahme. Mir ist das Ganze zu kühl abgehandelt, gibt mir auch keine neuen Erkenntnisse über das Los Pflegebedürftiger, die ich nicht vorher schon hatte.

Vielleicht solltest du auf die Empfindungen und Missempfindungen einer Hundertjährigen intensiver eingehen.


Gruß
Inu
 



 
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