in den Wind gesungen

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  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Fanfare schleudert dich ins Firmament
Die heiße Mittagssonne gleißt
den weißen Himmel scharf

Dein Gesicht zerfällt in brechendes
Gelächter aus der vollen
Wirklichkeit

Deine Augen doppeln und zerlaufen
und rrrrrng deine Zähne
reihen sich Reigen

Du Ozean erblühst in vielen Jas
in tausend blauen Falten
Klängen Musik

Deine Wellen säumen den Strand
mit fein verrieselten Träumen
da versanden wir blind

Sag mir wer dreht den Mühlenwind wer wird
den eingeschmolzenen Melodien
Gehör verschaffen Rhythmus

Still still mit Flöten und Harfengetön
schmelzt der Wind unsre Ohren
Und unsre Seele zieht ein süßer Sog

Wie Sehnsuchtstropfen zum Strome schwillt
keimen wir Stimmen im Munde
der Sirenen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Fanfare schleudert dich ins Firmament
Die heiße Mittagssonne gleißt
den weißen Himmel scharf

Dein Gesicht zerfällt in brechendes
Gelächter aus der vollen
Wirklichkeit

Deine Augen doppeln und zerlaufen
und rrrrrng deine Zähne
reihen sich Reigen

Du Ozean erblühst in vielen Jas
in tausend blauen Falten
Klängen Musik

Deine Wellen säumen den Strand
mit fein verrieselten Träumen
da versanden wir blind

Sag mir wer dreht den Mühlenwind wer wird
den eingeschmolzenen Melodien
Gehör verschaffen Rhythmus

Still still mit Flöten und Harfengetön
schmelzt der Wind unsre Ohren
Und unsre Seele zieht ein süßer Sog

Wie Sehnsuchtstropfen zum Strome schwillt
keimen wir Stimmen im Munde
der Sirenen
 
O

orlando

Gast
Was`n los?
Kleines Formtief?
Ich finde das doch arg überladen und adjektivlastig.
Und mit den "Sehnsuchtstropfen" kannst du bei mir auch nicht so recht punkten. ;)
Zudem verstehe ich nicht, warum du den Substantiven nicht ihre Artikel gönnst - das liest sich für mich wie Kanak (dies ist kein abfälliges Wort, sondern eine eigenständige "Sprache", die ich sehr mag) und passt deshalb nicht zu den Sirenen, die ja eher singen als fanfaren.
Warum ist die Wirklichkeit "voll?"
Passt das angesprochene Meer zu den Windmühlen?

Vielleicht verstehe ich den Text auch gar nicht ... bin gespannt.

LG, orlando
[hoffend und weiterhin talentglaubend)
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, stimmt schon - insgesamt gesehen. Aber es ist ein altes Hündchen aus den frühen Siebzigern, da war ich noch keine 20 Sommer alt. Es ist im goldenen Schnitt gegliedert (ohne Bewußtsein und Absicht): Umbruch nach der 5. Strophe, so daß die letzten drei sich zu den ersten fünf verhalten wie diese fünf zum Gesamten; Fanfare ist der Anstoß, Sirene das ausklingende Ende, natürlich sind das melodische Wellen, Wandel und Würfe, nicht starre Gebäudeteile.
Substantive ohne Artikel wirken namensartig, nun ja. Daß der Wind sich in gewaltigen Mühlen durch die Atmosphäre dreht (man nennt es Tiefdruckgebiet) und daß die Gezeiten im Uhrzeigersinn an den Küsten der Nordsee (z.B.) entlanggleiten, stört die Imagination "nicht wirklich" (wie es im Jugendslang heißt).
Ich habe überlegt: Ein durchgeformtes Stück oder ein "junges Wildes". Wohlgeformt ist ja gerade das "Ständchen", das (wie ich sagen muß) weitgehend verkannte. Es gehört zu meinen - sage ich schätzungsweise, aber recht sicher - fünf besten Liedern (von 300). Ich weiß, Leser prüfen meine Gedichte; aber manche Gedichte sind auch Prüfstein für das Urteilsvermögen von Lesern. Überzeugen sollte es zuerst die Geliebte. Tat's auch.
Deshalb kam (dieser Tage) nach dem unscheinbaren Steinchen zuerst mal wieder eine pubertäre ungezogene Improvisation. Ein Impromtu, eben dieses hier.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
sind die Spiele der Siebziger noch immer Avangarde?

Ja, liebe Marie-Luise; hier ist die Experimentierwiese, und ich habe ein junggebliebenes Avantgarde-Stück "abgeliefert", nicht eins meiner üblichen spießigen Sonette. Mein voriger Beitrag war, wie Du gewiß per Vergleich mit Orlandos Einlassungen nachvollziehen kannst, eine Antwort auf eben diese Anmerkungen, nicht eine Erklärung des Ganzen - denn danach hat Orlando auch nicht gefragt.
Doch ein wenig Erklärung enthält meine Antwort schon: nämlich, daß es ein Musikstück ist. Zwar nicht reine Musik wie Lautgedichte es sind, aber schon so, wie absolute Metaphern es sind. Absolute Metaphern sind nicht erklärungsbedürftig, da sie nicht Metaphern "für etwas", d.h. für anderes, sind, sondern offene Bilder. So ein Musikstück wie dieses legt die Betonung aber nicht so sehr auf das optisch-Stehenbleibende eines Bildes, als vielmehr auf die geschehnishafte Entwicklung, hier in den einzelnen Würfen und Wellen der dreizeiligen Strophen - aber auch das habe ich bereits gesagt.
Wenn es um eine Erklärung des Ganzen ginge, wäre noch auf die körperlichen "Sensationen" hinzuweisen, die teilweise in blanke Klänge umgesetzt sind, das sind dann doch Lautgedicht-Phasen, wie das "rrrng" in der dritten Strophe vor den r-Alliterationen, sonst solche Klangspiele wie die scharfen ß-Auslaute in der ersten Strophe.
Aber ich habe früher schon gefragt, wo hier eigentlich die Jandl-Jünger und Schwitters-Dadaisten sind. Das ist eine langweilige Spießertruppe hier, naive Kindlichkeit wagt keiner zu zeigen, "Spiel" ist ein Fremdwort.
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Mondnein,
eine Frage:
Was will dieser Text sagen? Worte um der Worte willen? Dürre Sache, find ich.

Weißt du, ich hab gerade ein paar Texte von Nazim Hikmet gelesen, daher frage ich mich, wofür stehen diese Zeilen hier ein? Schwierig ...

lg
die dohle
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
nein, ich will mich nicht wiederholen - -

na gut, noch einmal:
Novalis (Die Lehrlinge zu Sais): "Die echte Sanskrit spräche um zu sprechen, weil sprechen ihre Lust und ihr Wesen sei".
Musik bedeutet nichts Außermusikalisches.
Aber dies hier ist kein pures Jandl-Konstrukt, sondern reiht absolute Metaphern mit phrasenbrechender Klang-Unwucht. Es ist, was es ist. Es zeigt sich als das, was es meint. Keine Symbolik, keine Kryptik, keine Pseudotiefe.
Oder was bedeuten Melodien? "Dürre"?! Nä, niemals!!
Und was wollen gleißende Wolken und Tiefdruckwirbel uns "sagen"? "Licht" und "Fruchtbarkeit"? Quatsch.
 

Label

Mitglied
Lieber Mondnein

deine letzte Antwort an die Dohle war für mich ein wesentliches Stück Erkenntnis.
Nicht nur auf dein Werk bezogen, nein, damit habe ich endlich ein Erklärungsmodell gefunden, womit sich viele Gedichte hier in der Lupe beschäftigen, es darf nur nicht offensichtlich sein.

Dafür danke ich dir sehr sehr

nur am Rande: mir fällt auf dass du - ich sage mal indisches Textverständnis - gerne in deine Überlegungen einbeziehst, ich vermute die Mehrzahl der Leser hier, können dir da nicht folgen, geschweige denn, dessen Regeln.

liebe Grüße
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke liebe Label, ja: ich vermute, Du beziehst Dich auf das Novaliszitat, "die echte Sankrit". Novalis war zwar mit dem Begründer des ersten Indologischen Instituts in Deutschland, nämlich dem in der Bonner Uni, eng befreundet (Friedrich Schlegel), aber er hatte von indischer Sprache und Kultur so wenig Ahnung wie z.B. Goethe. Der Ausdruck "Sanskrit" steht bei dem philosophischen Romantiker für "Sprache bzw. Schrift der Natur": die Strukturen von Baumgezweig im Winter, Baumrinden, zerkratztem Eis, Wolkenfasern, Eierschalensprenkeln usw. usw., insofern die Lebenswege der Menschen in sie hineingeschaut werden können. So im ersten Fragment der "Lehrlinge zu Sais". Das ist kaum indisch, vielmehr Naturphilosophie des "Deutschen Idealismus": Schelling und Goethe, aufbauend auf Jakob Böhme und Leibniz.
 

Label

Mitglied
da bin ich wohl einfach zu unbedarft und unwissend um deine Texte ausreichend würdigen zu können

schade eigentlich, dass Sanskrit Grammatik und die Grundzüge deutscher Morphologie nicht schon an den Hauptschulen gelehrt wird

freundlich grüßend
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Liebe Label! Du meinst also, Du bist zu unbedarft und zu unwissend, eine solche "Erklärung" verstehen und "würdigen" (hä? vllt würgen?) zu können wie diese:

"Es ist, was es ist. Es zeigt sich als das, was es meint. Keine Symbolik, keine Kryptik, keine Pseudotiefe."

Also Du verstehst, wenn ich Dich richtig verstehe, mein Geschreibsel besser, wenn es mit Symbolen überladen und kryptisch daherkommt und dann noch Tiefe beansprucht? mmmmmh.
 

Label

Mitglied
aber nein, ich versuche nur einen Existenzgrund für das Geschriebene zu entdecken.
Ebenso wie auch Babygeräusche einen Ursache haben - wohlfühlen, Hunger, Langeweile uvam, versuche ich erst recht in Wortaneinanderreihungen eine Mitteilung zu entdecken. Wenn diese nicht sofort erkennbar ist, dann sie möglicherweise als Symbolik, Kryptik, oder in der Tiefe verborgen.

Falls mein Interesse oder die Neugier mich dazu veranlassen, ansonsten widme ich meine Aufmerksamkeit Anderem.

Soviel zu meinen Beweggründen

freundlicher Gruß
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, ja, liebe Label. "Existenzgrund" ist vielleicht ein bißchen zu dick gepampert, aber ich glaube, Dich nun besser zu verstehen.
Der "Existenzgrund" meiner Dreizeiler (und das betrifft zunächst nur diesen pubertären Singsang, nicht die Verse der letzten anderthalb Jahre, z.B. die Sonette und das "Ständchen") ist der gleiche wie bei einem musikalischen Motiv, etwa dem Hauptsatzmotiv einer Mozartsonate. Nicht viel mehr. Nur eben im sprachlichen Bereich: Es sind ja keine Schwitterschen "Sonaten", sondern deutschsprachige Formulierungen, eben in der Offenheit "absoluter Metaphern". Sagte ich bereits.
grusz, hansz
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Mondnein,
thx für deine erläuterungen, auch gegenüber label.
ich verstehe das gut und ich verstehe es zugleich überhaupt nicht. weshalb gesteht dein ansatz den dingen ihr wesen zu, den menschen aber nicht? wozu diese absolute metapher, diese zahnlose blutleere abstraktion? ist das ein versuch, dem menschsein zu entkommen? wenn ja, weshalb? ich hatte gerade einen disput mit rogathe um die verwendung der begriffe stapeln und aufbewahren. dort lernte ich, jeder in die hand, den mund genommene begriff trägt bedeutung, auch als absolute metapher eingesetzt, wobei ich stets von der tat her denke. weshalb geschieht etwas, weshalb wird etwas genau so und nicht anders in worte gekleidet.
wie anders lesen sich texte von nazim hikmet beispielsweise. dort steht, was dieser mensch zu erzählen hat. in meinen augen ist es kein zufall, was mit nietsche passierte, der flog aus der kurve, weil er sich selbst prinzipiell und qua konstrukt aus dem geschehen herauszurechnen versuchte. der zog sich selbst die haut vom leib. buchstäblich, erfolgreich und mit den bekannten folgen. weshalb sollte ich diese art, die namens einer leblosen logik, die das, was menschen ausmacht, was mich ausmacht, wegoperiert, weshalb sollte ich diese art, mit mir selbst umzugehen, pflegen?

dies ist keine polemik, ich mein das ernst und ich trage es unter freunden als beitrag vor ...

lg
die dohle
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
inzwischen mag ich das alte junge Lied und plantsche in seinem Spiegelgeflirr

wozu diese absolute metapher, diese zahnlose blutleere abstraktion?
zahnlos? "rrrrng ..."!
abstraktion? ich sehe nicht eine einzige!! sag mal, meinst Du wirklich die munter in den Wind geworfenen Empfindungen der ersten fünf Strophen - lies und hör Dir zu, wie's verklingt, ganz leise, und die danach dann aus der Stille sanft hervorsickernden Anmutungen der letzten drei? wo sind denn diese "abstraktionen"?
nä.

ist das ein versuch, dem menschsein zu entkommen?
nää. isses nich.
"dem menschsein" ?? - kein kleingeld mehr in der hosentasche, Dohle? zu groß. kann ich Dir nicht wechseln, diese scheine. tut mir leid.
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Mondnein,
wichtig: es geht mir keineswegs darum, deinen text zu zerpflücken. ich versuch die tür zu finden ...

hab den text nochmal gelesen, ich verstehe, was dasteht. es ist nur so, die worte scheinen nichts als sie selbst zu sein, eigenartigerweise hab ich sie direkt vor mir und dennoch getrennt durch ein bis jetzt unüberwindbares blitzblankes panzerglas, mal so gesagt als versuch, die umstände zu beschreiben. ich will rauskriegen, was da los ist, mit mir und dem text.
die naive kindlichkeit hier, wie du das nennst, kommt vom erwachsenen intellekt her. ein kind aber tauft sein zwiegespräch mit den wesen und dingen mit worten, wobei das wesentliche das zwiegespräch ist. der text hier liefert eine postkarte und überlässt sie kommentarlos dem leser. da ist kein bericht deines zwiegespräches, abgesehen davon, dass du berichtest, wie und welche bilder du berichtest. ich glaube, das ist es, was ich dürre nannte. du benützt das bild ich worte, dein betrachtungsgegenstand sind worte, meiner der strand. worte benütze ich wie ein kind, um davon zu berichten, was der ozean und ich uns zu erzählen hatten. aus dieser perspektive erscheint mir dein text daher dürr und leer. aus deiner perspektive ist dein text musik.

kann sein es ist mist, was ich hier schreibe, jedoch darauf zu warten, dass da so etwas wie ein schlüssel von selbst vom vom himmel fällt, damit rechne ich nicht.

lg
die dole
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
dear Dohle!

Ich danke Dir ganz besonders herzlich dafür, daß Du so fleißig auf meine Strophen, deren Sprache und die sporadischen Erklärungen hier- und dazu eingehst. Das ist gut so, danke noch einmal!
Die 140 Gedichte meiner letzten anderthalb Jahre sind allesamt, ohne Ausnahme, persönlich "adressiert", zugleich natürlich ins Intersubjektive allgemeiner Zugänglichkeit gestellt. Davor hatte ich zwei durch große Pausen voneinander getrennte Schreibphasen: in meiner Jugendzeit ("Wilhelm Schülers Lernjahre") die wilden Gesänge, zu denen dieses Stück hier gehört, das die alten Schachteln, die alles mit der Lupe lesen, niedergetrachtet haben, - und ich dachte, das Alter mache weitsichtig! - und dann die (nennens wir mal die) "mittlere" Phase sauber gegliederter, gereimter, gestalteter feiner Lyrik, zu denen etwa das Figurengedicht gehört, das ich heute hier eingerückt habe und das genauso in die Verschwiegenheit abtaucht wie der darin thematisierte Fisch.
Nun kurz nachgedacht und nachgedankt: Ja, Substanz aller Kunst und Schreibe soll der Mensch sein, immer. Immer!
grusz, hansz
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Wort sind Worte und Kunst ist Kunst, Neubildungen aus alten Worten tragen ganze Scharen toter Metaphern (das sind solche, die sehr geläufig sind, die ihren Charakter als Metaphern bereits verloren haben). Und lebende Metaphern, Klänge, Assoziationsgebilde, scheinbar unabhängig, aber eng verflochten.
Ich empfinde dieses Werk in langer Tradition und doch auch modern, nicht modernistisch.
Jedes Wort steht für sich selbst, ist ein Klang und hat eine Bedeutung.
Auch die Nicht-Wörter (den Begriff verwende ich polemisch für Wörter, die nicht im Duden stehen) sind passend.

Die Strophen ähneln einander wie die Täler und Berge im Apfelmännchen, sie sind ähnlich und grundverschieden.

Es gehört nicht zu meinen absoluten Favoriten, aber ich empfinde es als stark unterbewertet.
Denn weh mir, unser Kaspar ist tot.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, danke und danke!

Ich danke Dir, Bernd, ich danke Dir sehr!
 



 
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