life - eine liebesgeschichte

life
Er hatte den Schlüssel gerade ins Schloss gesteckt, da sah er am Himmel schon die ersten dunklen Wolken aufziehen, es würde im Laufe des Tages Regen geben.
Naja, er würde auch diesen Tag überstehen und irgendwann am Abend auch wieder in das kalte, einsame und graue Haus zurückkehren, am nächsten Morgen würde auch alles wieder von vorn beginnen, so wie jeden Tag der letzten zwei Jahre.
Wann würde er endlich wieder eine Frau kennen lernen. Nicht dass er sich beschweren müsste, aber eine richtige Frau, die auch lieben könnte, die ihn lieben könnte. Alle mit denen er in den letzten Jahren ausging, waren irgendwie nur auf seinen Körper fixiert, das war ja auch das, worauf man als erstes aufmerksam wurde.
„Guten Morgen!“, er sah zur Tür, während er noch die letzten Stühle von den runden, silbern glänzenden Tischen stellte und ein Tuch über jene gleiten ließ, um angeblichen Staub weg zu wirbeln. Er drehte sich um und sah dieses lächelnde Gesicht, das er jeden Morgen gern sah, es war zwar nicht das hübscheste, das musste er zugeben, aber es waren das Wesen und die Art, die diese Frau liebenswert machten, die meiste Zeit, die sie zusammen verbringen, war die im „life“ und er freut sich jeden Tag auf sie, denn ohne Charlie wäre dieser Job hier nur halb so schön. Charlotte war nicht das, was man auf jeder Modezeitschrift sah, aber es machte ihm nichts aus, der ganze Mensch zählte für ihn, nicht das Aussehen. Charlie war so ein Mensch, dem man nie böse sein konnte und wenn sie im Raum war, dann wurde es lustig und man musste einfach lachen.
Er erwiderte ihr Guten Morgen und ging hinter den Tresen. Er schaute noch einmal durch die großen Scheiben neben der Tür und setzte die erste Kaffeemaschine in Betrieb. Dieser große Raum wirkte, wenn keine Leute in ihm saßen, so unheimlich und gefühllos, doch das würde sich im Laufe des Morgens schnell ändern, das wusste er. „Wo ist Richie? Kommt der heute gar nicht?“, rief Charlie aus der Küche und es hallte in den leeren Raum hinein. „Ich weiß nicht, ich hoffe er kommt noch! Ich will dich nämlich nicht alleine lassen,“ sagte er ruhig und dann stand er in der Tür zur Küche. „Warum alleine lassen? Wohin willst du?“ Sie sah ihm verdutzt und auf eine Erklärung wartend in die Augen. „Ich wollte doch heue zum Arbeitsamt, um noch jemanden für den Laden zu holen.“ – „Ach so, sag das doch gleich.“
Normalerweise würde er jetzt den Fernseher auf der Theke einschalten, aber als er gerade aus der Küchentür trat, erhellte ein Blitz den ganzen Raum und kurz darauf hörte er das Rumoren des Donners, also ließ er den Fernseher wie er war und drehte sich auf einem Fuß um, um wieder in der Küche zu verschwinden und bei den Vorbereitungen für das Frühstück zu helfen. Charlie hatte schon einige Schüsseln mit Zutaten für Donuts, Pancakes, Waffeln und Muffins bereit gestellt. Er stand direkt hinter ihr und konnte den Duft ihres Haares riechen, Pfirsich. Jetzt stellte er sich neben sie und rührte mit in irgendeiner Schüssel herum. Charlie drehte sich in einer sanften Bewegung um und holte ein paar Pfannen aus dem Regal gegenüber der Arbeitsplatte und dem Herd, neben dem zur Zeit Alexander stand und ihr half, alles vorzubereiten, damit es schneller beim Bedienen geht. Seit drei Jahren arbeiteten sie jetzt schon zusammen und mit der Zeit haben sie sich so aneinander gewöhnt, dass sie sich nur in die Augen zu sehen brauchen und alles ist klar. In den letzten zwei Wochen dachte er, er würde dieses Klima zerstören, wenn er noch jemanden einstellen würde.
Während sie in der Küche an diesem Morgen schon einiges geleistet hatten, füllte sich auch langsam die Straße. Obwohl es regnete, machte es den Menschen in der großen weiten Welt nichts aus, die Regenschirme verhakten sich ineinander, aus den Gullys drang jetzt auch schon das Wasser und auch die vielen Beine wurden von den viel zu schnellen Autos, die durch die Pfützen rasten, nass gespritzt. Die Mehrheit der berufstätigen Bevölkerung ging zum Frühstück in eine Cafeteria.
Die ersten Gäste kamen durch die Tür und Alexander trat aus der Küchentür und ging schnurstracks auf die Jukebox zu, um den Stecker in die Dose zu stecken. Er bekam jetzt auch mit, dass das Gewitter sich verzogen hat, aber es regnete immer noch und die Leute, die das „life“ betraten, hatten entweder tropfnasse Mäntel oder Regenschirme, die sich im Eingangsbereich in verschiedenen Eimern sammelten, große, kleine, schwarze, bunte, gestreifte und auch welche mit Werbung drauf. Ihn kümmerte aber nicht, wie die Schirme in den Eimern aussahen. Jetzt konnte er auch den Fernseher einschalten und schon die ersten Bestellungen aufnehmen. Kaffee, Tee, Toast mit Spiegelei, Rührei, Donuts, Muffins, Pfannkuchen.
„Ich hoffe, Richie kommt gleich, ich möchte nämlich nicht zu spät hier weg sein, damit ich zu Mittag wieder hier bin,“ sagte Alex und ging wieder nach draußen, um die Bestellungen zu servieren. „Guten Morgen!“ Die Tür ging auf und ein vertrautes Gesicht mit einem breiten Grinsen kam durch den Raum zur Theke spaziert. „Wo warst du die ganze Zeit, wir haben schon auf dich gewartet.“ Alex ließ ein bisschen Wut spielen und bemerkte zunächst die Person hinter ihm nicht. „Ich war beim Arbeitsamt, oder sollt ich nicht gehen, habe ich dir nichts gesagt? Okay, es tut mir leid, wenn ich es nicht erzählt habe, aber ich habe gleich jemanden für uns mitgebracht. Darf ich vorstellen, das ist Tina.“ Er trat einen Schritt zu Seite und ließ die Dame hinter sich hervortreten. „Hallo“ sagte sie etwas aufgeregt. Alex sah sie etwas erschrocken an und ließ seinen Blick von einem zum anderen schweifen. „Was soll das?! Ich wollte eben gehen, da kommst du hereingeschneit und hast gleich jemanden mitgebracht?“. Seine Stimme wurde leiser und er zeigte mit der Hand, dass beide mit in die Küche kommen sollten. Als Charlie die drei in die Küche kommen sah, schaute sie auch etwas komisch, wer war diese Frau da neben Richie? wollte Alex nicht zum Arbeitsamt? Sie verstand auf einmal gar nichts mehr.
Alex ging mit Richie in eine Ecke der Küche und sprach, aber in normaler Lautstärke, mit ihm. Charlie wusste nicht wer diese Frau, die nicht sehr schlecht aussah, war und auch nicht, ob sie sie ansprechen sollte oder nicht, sie ließ es erst mal und ging in die Cafeteria, wo schon wieder neue Gäste kamen und einige auch schon bezahlen wollten. Also rechnete sie bei denen zu erst ab und fuhr mit den neuen Bestellungen fort. Die meisten Gäste, die jeden Morgen hierher kommen, sind Stammgäste, Menschen auf dem Weg zur Arbeit, aber auch Jugendliche, die vor der Schule noch einen kleine Imbiss zu sich nehmen, bevor das Grauen des Schulalltags wieder los geht. Sie kennt dieses Gefühl kurz vor der Schule, schon gelangweilt von den Lehrern und Fächern. Es waren aber auch Menschen, die keine Lust hatten, alleine zu essen und sich hier wie zu Hause fühlten und in netter Gesellschaft waren.
Während Charlie draußen arbeitete, ging es drin auch zur Sache, Alex war schon wieder von dem Gedanken weg, noch jemanden einzustellen, doch er ließ sich von Richie noch einmal überreden, aber er würde sie sofort rauswerfen, wenn sie einen Fehler macht. Richard zeigte Tina alles in der Küche, machte den ganzen schriftlichen Kram.
Als Alex wieder durch die Küchentür ins Café trat, fiel sein Blick als erstes auf Charlie, so hatte er sie noch nie gesehen, sie hatte alle Hände voll zu tun und kam kaum nach mit dem Aufnehmen der Bestellungen und dem Servieren der vollen Teller und Tassen. Er reagierte jedoch schnell und half ihr dabei.
Draußen regnete es immer noch, aber trotzdem waren alle Stühle besetzt, nur hier und da war noch einer frei.
Irgend etwas war an diesem Tag anders, war es die Neue, Tina? Nein, die war es ganz bestimmt nicht. Aber Alex wusste, dass es ein vertrautes Gefühl war.
Gegen Mittag war der Laden nicht mehr ganz so voll, die meisten waren jetzt auf der Arbeit oder in der Schule, aber der Nachmittag kommt ganz bestimmt und da ist immer der größte Ansturm.
Jetzt war wieder die Zeit, in der er mit Charlie quatschen konnte, doch heute wollte sie nicht reden, was war los? Sie sah ihn manchmal so erwartungsvoll an, als hätte er etwas von ihr, das sie wieder haben möchte.
Der Rest des Tages verging, Gäste kamen, Gäste gingen, nur da war etwas, das nicht jeden Tag passierte:
Es klirrte, eine laute, männliche, wütenden Stimme gellte auf: „Das darf doch wohl nicht wahr sein, so etwas ist mir ja noch nie vorgekommen!“ Alex war mit einem Satz aus der Küche und erblickte was geschehen war: Charlie stand benommen neben einem großen breitschultrigen Mann, dessen Hose Flecken von Kuchen und Kaffee hatten, auf dem Boden lagen Scherben, Glassplitter und ein Tablett, mit dem Charlie Sekunden zuvor aus der Küche gegangen war. Er lief zu dem Tisch hinüber und schob Charlie etwas zur Seite, Tränen kullerten ihr über die Wangen, sie wusste nicht, wie sie das verarbeiten sollte, es war das erste Mal, dass ihr so etwas passiert war. Alex entschuldigte sich mehrmals bei dem Mann und versicherte, dass der Laden für den Schaden aufkommen würde. „Warum der Laden, sie hat mir doch den Kaffee über die Hose gekippt!“, fuhr der Mann ihn an. Das war zuviel, Charlie drehte sich um und rannte hinaus auf die Straße, es wurde schon langsam dunkel, normal für diese Jahreszeit. Alex lief hinter die Theke, sagte Richie, dass er sich um alles kümmern sollte und schnappte sich seine und Charlies Jacke und war auch schon zur Tür hinaus.
Charlie rannte, so schnell sie konnte, doch nach ein paar Metern verlangsamte sie ihren Schritt und blieb schließlich mitten im Park unter den hohen Bäumen im Regen stehen, was sollte sie jetzt tun, sie ist doch so sensibel, in dem Moment wollte und konnte sie nur noch weinen.
Alex hatte sie schon fast eingeholt, da ging sie langsam weiter, bevor sie die Schritte hinter sich hörte und sich umdrehte. „Hey, du kannst mich doch nicht mit dem Laden alleine lassen!“ sagte er langsamer werdend und nach Luft schnappend. Ein Lächeln auf ihren Lippen konnte sie nicht unterdrücken. Als er direkt vor ihr stand, warf er ihr ihre Jacke über. Jetzt in diesem Augenblick wurde ihm klar, welches Gefühl er den ganzen Tag schon hatte und warum er es hatte. Sie sahen sich in die Augen, bevor er sich etwas beugte und seine Lippen auf die ihren drückte. Sein Herz raste und Charlie wurde mit einem mal ganz warm um diese Stelle. Sie zog ihre Arme hoch und wickelte sie um ihn, sie wollte ihn jetzt nur noch festhalten und nie wieder loslassen, sie dachte jetzt nicht mehr an den Mann im Café.
Und so stand in irgendeinem Park irgendeiner Stadt in irgendeinem Land auf dieser großen weiten Welt ein Bündel im Regen ...
 



 
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