mein erster Haiku

Rotes Dunkel nach
lichtverwasch'ner Tagesöde
nimmt mich in sich auf.

***

Ich kenne zwar mittlerweile einige Regeln des Haikuschreibens, bin mir jedoch nicht sicher, alle zu kennen bzw. beachtet zu haben.
So kann es zum Beispiel sein, dass der Apostroph "nicht erlaubt" ist, oder zumindest von an Unerlaubtheit grenzender Ungewöhnlichkeit.
Wer sich damit auskenne, möge mir bitte seine Meinung sagen.
Ich habe auch Haikus gelesen, die sich nicht nach der 5-7-5-Silbenregel richten. Geht das auch?

Danke

kauz

Hallo kauz,

ich habe mal eine Sammlung Haikus gelesen, die aus dem Japanischen übersetzt waren. Da klappt es dann nicht immer mit der Silbenregel. Ein, wie ich finde, bezauberndes Beispiel:

Den Mond im Fenster
hat der Dieb
zurückgelassen.

Ob Apostroph verboten ist, weiß ich nicht, aber "lichtverwasch'ne Tagesöde" klingt schon rein rhythmisch besser, als wenn Du die Silbe in "verwaschene" ausgeschrieben hättest. Ich denke, wenn es nicht bloß zwecks Silbensparen geschieht, sondern auch wirklich besser klingt, sollte man das Apostroph nicht verbieten.

Grüßle,
Zefira

hallo kauz,

ein sehr stimmungsvoller und schöner text.

...und genau bei diesem text, finde ich kann man gar nicht genau unterscheiden, ob es sich um ein haiku oder eher um ein senryû handelt. dein text beschreibt eine naturbeobachtung, wie für ein haiku üblich...und du bringst dich selbst mit in den text ein, was wiederum mehr zu einem senryû passt...

was meinen die anderen dazu. haiku oder senryû ?

ich selbst bin eher ein verfechter der "klassischen" silbenzählung bei diesen wunderbaren japanischen kurzgedichtchen, aber wie das beispiel von Zefira zeigt, gibt es auch sehr schöne texte mit weniger silben. mehr als 17 sollten es aber auf keinen fall sein.

liebe grüsse von coco

ich lerne begierig

Hallo Zefira, hallo coco,

danke für Eure Antworten, gerade was Eure Einschätzungen zu Haikus und den - für mich bisher unbekannten - Senryûs lese ich gern, da ich gern über diese Formen des Ausdruckes lerne.
Insofern ist dies, was ich unwissenderweis als Haiku schrieb, sicher ein Senryû:

Die Stelle zwischen
Schulter, Hals und Brust küssend,
reift Liebe in mir.

Wenn es optional ist, sich nach den Silbenregeln zu richten, bin ich aber eindeutig ein Verfechter der orthodoxen, möglichst strengen 5-7-5-Form, denn das macht ja gerade den Reiz aus, ein verblüffendes Bild, in sich quasi eine Novelle, weil bisher unbeachtet, so knapp und trotzdem möglichst aussagekräftig darzustellen.

Nundenn, schönen Tag noch

kauz

hallo kauz,

genau, dein haiku würde ich als wirklich erotisches senryû bezeichnen.
gefällt mir übrigens sehr, poste es doch als eigenständigen text im forum.

...ach, und achtung : haiku-schreiben kann süchtig machen, sei also gewarnt

liebe grüsse nochmals von coco

Eben!

Hallo, coco

ich werde Deinen Rat befolgen
Deiner Vermutung, dass das Schreiben von Haikus und Ähnlichem süchtig macht, kann ich nur beipflichten; ich sass gestern bis halb drei Nachts und schrieb und schrieb...

Schönen Abend

kauz

Hallo Kauz,

formal hätte ich eigentlich an dem Text nichts auszusetzen, obwohl es immer besser wäre Apostrophe zu vermeiden. Die Stimmung ansich ist sehr schön, jedoch schwangt das Gedicht ein wenig zwischen Haiku und Senryû. Die Spannung entsteht in der letzen Strophe. Das Haiku beschreibt eher etwas außenstehenden, die dritte Zeile jedoch spiegelt das inne selbst wieder, wie es ein Senryû tut. Für einen ersten Versuch ist das wirklich umwerfend gut geschrieben.

ich freue mich bereits auf deine nächsten Gedichte

liebe Grüße
Odyssee

Hallo Kauz,

ich möchte Dir zu Deinem ersten Haiku (Senryu) gratulieren!
Es ist Dir gelungen. Ich las mir jetzt einige Male dieses Haiku durch und ich finde, es ist ein Haiku. Schon weil der Mensch ein Teil der Natur ist. Und hier scheint meiner Meinung nach der Mensch in die Natur einzutauchen. Wirklich gut gemacht.

Meine Wertung laut Leselupe:

Dieses Werk ist gut und durchaus ein Gewinn für die LL

Auch ich möchte sehr gerne weitere Haiku (Senryu) von Dir lesen...

liebe Grüße
schickt Dir
Thomas

Der Aufforderung folgend

Ein Hallo an alle, die mir ihre Meinung zu dem Versuch sagten.

Da ich (wie schon im Titel des Beitrags ersichtlich) gerade erst beginne, mich dieser literarischen Ausdrucksform in all ihren Facetten (ich lernte unlängst etwas über einen [ein?] gewisses/n Tanka, an dem ich mich bereits auch versuchte und den sogleich posten werde) zu widmen, bin ich erfreut zu hören, dass es mir offensichtlich gelingt, denn ich bin von der Schwierigkeit, die im Minimalen liegt, so beeindruckt und gefesselt, dass ich mich zeitweise weit über die Stunde, in der sich Menschen mit einem geregelten Leben zu Bett legen sollten, damit befasse
Nochmals vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

kauz