meine 'schönsten' Ferienjobs

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Hagen

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Mit fünfzehn absolvierte ich meinen ersten Ferienjob beim Gärtner. Damals war ich Ludger, dem ‘ältesten Lehrling unterstellt‘. Ludger hatte gerade seinen Führerschein gemacht und war stolz, selbständig mit dem Firmenwagen zu den Kunden fahren zu dürfen. Wir duzten uns von Anfang an und tranken auch schon mal das eine oder andere Feierabendbier zusammen, obwohl ich es eigentlich noch nicht durfte; - aber ich hatte den Tag über ‘wie ein Mann gearbeitet‘.
Am letzten Tag dieses Ferienjobs verabschiedete Ludger sich von mir mit Handschlag; - „bis zum nächsten Jahr!“

Im nächsten Jahr, Ludger hatte gerade seine Gesellenprüfung abgelegt, war unser erster Job eine ‘Neuanlage‘.
Die Bauherrin stellte uns, kaum dass wir unsere Werkzeuge abgeladen hatten, ein Tablett mit Schnittchen, Cola, Orangensaft und Wasser auf die Terrasse.
„Greifen sie zu, meine Herren!“
Natürlich griffen wir zu, dabei verwickelte die Bauherrin, eine hübsche, junge Frau, der damals hochgradig angesagten Vivi Bach nicht unähnlich, Ludger in ein Fachgespräch über die Blühzeiten diverser Pflanzen und Sträucher. Ludger war in seinem Element und ich erstaunt darüber, was es alles gibt, und dass es Menschen gibt, die sowas wissen; - und dann noch mit lateinischen Namen!
Na gut. Ein paar Schnittchen, einige Gläser Cola, und ich wandte mich wieder Schubkarre und Spaten zu, während Ludger gestenreich vom Goldteppich sprach, einem mehltaufreien Flächendecker, der als Einzelpflanze in kleinen Beeten oder Rabatten gut zur Wirkung kommt.
Als Ludger eine gefühlte Stunde später zu mir kam und auch einen Spaten ergriff, fragte er:
„Was meinst Du, kann die auf mich?“
„Wie kommst Du da denn drauf?“
„Naja, die hat mir immer tief in die Augen geguckt und mich zweimal heftig mit dem Busen berührt…“
„Weiß ich nicht. – Frag sie doch.“
Das ging so weiter, den ganzen Tag, und den nächsten, und den übernächsten, - bis wir fertig waren. Ludger merkte nicht, wie er meine Nerven lang zog, was sich ein wenig belastend auf unser ansonsten gutes Arbeitsklima auswirkte.
Aber alles geht mal vorüber, unser nächster Auftrag war die Neuanlage der Bepflanzung um einen öffentlichen Kinderspielplatz.
Keine Bauherrin. Ärgerlich war nur, dass wir uns unsere Cola aus dem Supermarkt holen mussten.
Na gut, aber als die zu pflanzenden Sträucher gebracht wurden, rastete Ludger aus:
„Die tragen giftige Früchte! Welcher Idiot hat denn angeordnet, dass Giftpflanzen neben den Spielplatz gesetzt werden! Herrgott, da spielen kleine Kinder, die stecken diese schönen, roten Früchte in den Mund! Nicht auszudenken, was da passieren kann…“
Niemals zuvor habe ich den als sanftmütig bekannten Ludger so außer sich erlebt.
Reaktion unseres Chefs: „Die Bepflanzung wurde von dem ‘Herrn Oberbauamt‘ ausdrücklich so gewünscht. Das war eine Ausschreibung, ich bin froh, dass ich den Zuschlag gekriegt habe. Alles andere interessiert mich nicht!“
Als Ludger etwas von sozialer Verantwortung sagte, und ich ihm dabei zur Seite stand, wurden wir umgehend ins Büro beordert.
Dort bekam Ludger seine Papiere. ‘Arbeitsverweigerung‘.
Ich bekam meinen Lohn bis zum heutigen Tag und die Bemerkung: „Du willst die restlichen Ferien doch sicher am Badesee genießen!“ zu hören.
Ludger hat irgendwo weit weg eine eigenverantwortliche Anstellung in einem botanischen Garten gefunden.
Meine restlichen Ferien habe ich nicht am Badesee verbracht, aber das ist eine andere Geschichte…

Über mehrere Ecken erfuhr ich im nächsten Jahr, dass es in dem örtlichen Tiefkühlhaus noch Ferienjobs geben sollte. Ich bin dann mit meinem Moped, einer Kreidler ‘Amazone‘; - damals mein ganzer Stolz - hingefahren, habe mich ordentlich vorgestellt und um einen Ferienjob gebeten.
Als erstes wurde ich gefragt, ob ich ‘einen Stapler fahren könnte‘.
Da ich bereits stolzer Besitzer eines Führerscheins der Klasse 4 war, antwortete ich natürlich, ‘dass ich Stapler fahren könnte‘.
Die Antwort des Mannes im Anzug weiß ich noch heute: „Gut! Dann kannst du Montag um acht anfangen! Wenn sich aber herausstellt, dass du keinen Stapler fahren kannst, bist du um halb neun wieder draußen!“
Damals gab es noch keinen ‘Staplerschein‘ oder dergleichen. Entweder man konnte es oder man musste es lernen, und ich hatte eine knappe halbe Stunde es zu lernen.
Verwunderlich auf mich wirkte zunächst, dass alle mit dicken Pullovern und gepolsterten, weißen Gummistiefeln rumliefen; - und das im Hochsommer!
Na, gut.
Ein freundlicher Mitarbeiter namens Günter zeigte mir, wie mit dem guten Still umzugehen und was mein Job war:
Vorwärts mit dem Stapler rein in den Tiefkühllaster, ein gefrorenes, halbes Rind auf den Haken, - der statt der Stapelgabeln montiert war - nehmen, raus, ein Stück die Rampe entlang, rein ins Tiefkühlhaus, den Gang entlang an die Stelle, an der das halbe Rind hingehängt werden musste; - und das alles rückwärts, wegen der besseren Sicht!
Vom Warmen in den kalten Laster, zurück ins Warme und dann ins saukalte Tiefkühlhaus.
Der Stapler hatte zwar nach einer halben Stunde zwei Schrammen mehr und ich einen steifen Hals, obwohl Günter mir Pullover und Gummistiefel geliehen hatte.
Als der Mann im Anzug entlang kam, um sich mal anzugucken, ob ich auch wirklich Stapler fahren konnte, drehte ich mir gerade unter Zuhilfenahme beider Hände den Kopf wieder gerade und setzte zur nächsten Fahrt an.
Der Mann grinste wie ein Nilpferd, das in einen Swimming-Pool gefallen war; - aber eins mit Champagner gefüllt.
Ich habe den Job tatsächlich fünf Wochen durchgehalten, trotz der grauenhaftesten Erkältung, die ich je hatte; - und das mitten im heißen Hochsommer.
 



 
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