nicht blinken!!!!

Hagen

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Mitte der Siebziger war die Zeit, als wir alle lange Haare hatten, und Joe Cocker am Schluss seines jeweiligen Konzerts besoffen über die Bühne wankte.
Wir waren alle jung, hatten kein Geld, studierten irgendwas, und waren stets auf der Suche nach einem Nebenjob.
Es war unter Studenten ein ebenso gutbezahlter wie begehrter Job, die ‘gehobene Kundschaft‘ von ‘Mr. Adrenalin‘ zu den Objekten zu fahren. Das in einem Mercedes mit Servolenkung, Automatik, Klimaanlage, Halogenscheinwerfern und last but not least “Barockfelgen“.
‘Mr. Adrenalin‘, sein richtigen Namen habe inzwischen vergessen, hatte stets drei bis vier ‘Objektfahrer‘ auf Abruf. Er war Makler; - aber nur für ‘große Objekte‘ wie Villen, frei stehende Häuser mit Garten, Gutshöfe etc.
Aber nur mal eben die Herrschaften zum Objekt fahren; - so einfach war das nicht.
Bevor ich einen dieser begehrten Jobs bekam, wurde ich auf korrekte Kleidung und ordentlichen Haarschnitt hin begutachtet. Wie gut, dass ich mich von meinen langen Haaren wegen einer Statistenrolle im Theater kurz vorher hatte trennen müssen.
Doch dann wurde ich noch durch ein Wochenendseminar ‘Smooth driving‘ gejagt. Derartige Lehrgänge waren damals gerade in Mode gekommen. Dort lernte ich richtig zu bremsen, etwas zu schleudern und, - worauf starker Wert gelegt wurde - gehobene Umgangsformen, was darin gipfelte, dass der Seminarleiter uns ‘Fahrbanausen‘ nahelegte, den Blinker nicht allzu oft zu betätigen, da das knackende Geräusch den geneigten Fahrgast stören könnte.
„Ihr Ziel muss auf alle Fälle sein, dass ihre Fahrgäste nach der Fahrt in ausgeglichener Gemütslage aussteigen!“
Na gut.
Der eigentliche Job sah dann so aus:
Mr. Adrenalin rief mich an und beauftragte mich, den Kunden von seiner Wohnung abzuholen und mit ihm z.B. um genau 17 oo Uhr am Objekt zu sein. Dieses konnte auch irgendwo weit abgelegen sein.
Mit dem Kunden an Bord nach Karte zu fahren, war absolut „NEIN!“
Also musste ich mich im Zweifel vorher schlau machen. Wenn die Zeit da war, fuhr ich mit meiner Ente schon mal hin, um die Strecke dann routiniert fahren zu können. Bei der guten Bezahlung lag das drin und wurde auch erwartet.
Den Herrschaften beim Ein, – und Aussteigen die Wagentüren zu öffnen und zu schließen war selbstverständlich; - ebenso wie den Damen bei diesem Vorgang nicht ‘irgendwohin‘ zu gucken!
Die Herrschaften sitzen grundsätzlich hinten, die Dame rechts, der Herr links. Sollte ein Herr alleine fahren, sitzt dieser rechts. Während der Fahrt keine Musik; - es sei denn, der Fahrgast wünscht eine spezielle Musikrichtung. Keine Gespräche mit der Kundschaft während der Fahrt; - aber erwecken sie nicht den Eindruck eines muffeligen Taxifahrers! Nach einigen Minuten Fahrzeit erkundigen sie sich höflich, ob die Temperatur im Wagen angenehm ist. Nötigenfalls fummeln sie demonstrativ an der Klimaanlage herum ohne sie zu verstellen!
Kurz nachdem die Kunden dann in ausgeglichener Gemütslage und voller Erwartung vor dem Objekt standen, kam Mr. Adrenalin; - nein, er erschien im dramaturgisch günstigen Moment!
In seinem TR 6 und mit Rallyemütze sowie flatternder Krawatte kam er entlang und gab den Gestressten, der schon seit Tagen im Dienste seiner Kunden auf einer Adrenalinwolke dahingleitet.
Wie die Geschäfte liefen, habe ich offiziell nie mitbekommen, aber die Art, wie er mich aufforderte, seine geneigte Kundschaft nach der Besichtigung zu fahren, gab mächtig Raum für Vermutungen.
Zwischen: „Schaff‘ mir bloß dieses Pack vom Hof!“ und: „Seien sie doch so nett, und bringen sie die Herrschaften bitte umgehend in mein Büro.“, gab es zahlreiche Varianten, die dem aufmerksamen Beobachter Aufschluss über den Verlauf der Besichtigungen gaben.
Bis ich endgültig in ein ganz normales Berufsleben eintauchte, habe ich diesen Job noch mit wechselnder Begeisterung absolviert; - und dabei sehr viel über den sogenannten ‘Geldadel‘ gelernt.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Doc!

Da ich seit geraumer Zeit an einem großen Roman, der im Taximilliö (Gruß an den Kollegen Zille) spielt, bin ich für derartige Tipps stets dankbar.

Liebe Grüße
Hagen

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Der Fahrgast, der dafür bekannt ist, dass er stets viel Trinkgeld gibt, steig immer in das Taxi vor dir!
(unbekannter Taxifahrer)
 



 
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