offen bar

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Tula

Mitglied
offen bar


da steht es nun vor mir
das Wort

ein fernes Licht in dunklem Feld
im Schnee die erste Blume
ein Hühnergott von meinem Strand
den suchte ich für dich
drei Nächte lang

das Wort wird manchmal ungestüm
und glaubt es wär' das Schwert im Stein
ein Schwur der tausend Heere schlägt
und dich aus dem Verlies befreit

bisweilen wird es still und steigt
aus dem Kamin als Wärme auf
das leise Knistern führt mich dann
in einen zauberhaften Traum

geduldig ist das Wort
und wartet auf den nächsten Tag
wie jeden Tag
dann kleidet es sich liebevoll
mit meinem Blick
für diesen einen Augenblick

obwohl es weiß
du liest es
nicht
 

revilo

Mitglied
sorry Tula...du bist ein guter Dichter....aber bei der dritten Strophe sind dir offensichtlich alle Gäule durchgegangen...warum immer diese Dramatik?....und das mit dem Kamin ist wirklich nicht der Bringer.........schreib mit weniger Pathos......LG revilo........
 

Tula

Mitglied
Hallo revilo

Genau das will die dritte Strophe doch ausdrücken. Dass dem sich selbst mitteilenden Dichter der Pathos-Gaul durchbrennt. Große Worte, die er der heimlich Geliebten gern sagen würde. Es bleibt beim verstohlenden Blick am nächsten Tag.

Ok, über den Kamin werde ich nochmal nachdenken ...

LG
Tula
 
Guten Abend, Tula!

Das perfekte Gedicht aus meiner subjektiven Sicht! Wort-Findung ganz umfassend beschrieben. Besonders gefällt mir der bildliche Vergleich mit dem Hühnergott - das richtige Wort als Glück bringender Glücksgriff - liebevoll (weil aufwändig zu suchen und nur selten zu finden) dem Du gewidmet! Kein Pathos, wie revilo meint, sondern romantische Anklänge sind hier zu finden. Gelungen gerade auch die letzten drei melancholischen Verse, weil sie die vorherigen “traum-haften“ Zeilen ins Reale erden.

Gruß,
Artbeck
 

Tula

Mitglied
offen bar


da steht es nun vor mir
das Wort

ein fernes Licht in dunklem Feld
im Schnee die erste Blume
ein Hühnergott von meinem Strand
den suchte ich für dich
drei Nächte lang

das Wort wird manchmal ungestüm
und glaubt es wär' das Schwert im Stein
ein Schwur der tausend Heere schlägt
und dich aus dem Verlies befreit

dann wieder wird es Rosenzweig
und unverhüllte Konfession
bisweilen auch ein breiter Strom
der schweigend durch die Träume treibt

geduldig ist das Wort
und wartet auf den nächsten Tag
wie jeden Tag
dann kleidet es sich liebevoll
mit meinem Blick
für diesen einen Augenblick

obwohl es weiß
du liest es
nicht
 

Tula

Mitglied
Hallo revilo und Artbeck

ich habe soeben nochmal an der vierten Strophe gearbeitet. In der Tat sollte sie im Vergleich zur drittten viel nüchterner erscheinen, d.h.nach den Bildern der Hoffnung in der ersten und dem dichterischen Überschwang in der zweiten, zur eigentlichen "Offenbarung" kommen (siehe Titel), schlicht und auch verträumt, eine unerfüllte Sehnsucht, welche dichterisch romantisiert wird.

Dankende Grüsse an euch beide

Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
GrüßDich, Tula!

obwohl es weiß
du liest es
nicht
Können Worte was wissen?
Wenn ja, dann wissen sie sich im Denker, und dann, wenn sie geschrieben sind, im Leser. Und wenn sie veröffentlicht sind, im Autor als erstem Leser.

Der schäkert jetzt damit, daß sein von ihm gelesenes (weil geschriebenes) Wort nicht weiß, daß er es lieb hat.

Das ist die Wahrheit: Dichter sind Narziß, der mit seinem Spiegelbild flirtet. Mit dem Echo-Bild seines Sichnichtkennenlernenwollens.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

vielen Dank für deine Gedanken zum Gedicht, welche diesen hier weiterspinnen.
In der Tat wirkt das geschriebene Wort auf jeden Leser anders und führt somit ein “eigenes Leben” von seinem Entstehungsmoment an. Erst vorgestern las ich ein wunderschönes Gedicht eines der hiesigen (ein leider ser jung verstorbener) Dichter, Daniel Faria und seine “Do ciclo das intempéries”. Er beschreibt zum Vergleich die Magnolie, dessen Wurzeln ins Gedicht hineinwachsen; die Blüte, einmal dem Geschriebenen entwachsen, wird der Autor nie wieder kennen oder gar pflücken können, auch wenn der Leser sie zurückweist.

Dann dient das Wort auch der narzisstischen Selbstbetrachtung; volle Zustimmung, worauf es mir hier allerdings weniger ankam. Eher die begrenzte Fähigkeit des Autors, den Leser genau so zu erreichen wie es eigentlich beabsichtigt war.

Wie dem auch sei, das Wort löst sich auf die eine oder andere Weise von seinem Urheber, wird 'selbstständig' und verliert sich auch hin und wieder, wie hier, ungelesen …

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
GrüßDich, Tula!

Hallo Mondnein

vielen Dank für deine Gedanken zum Gedicht, welche diesen hier weiterspinnen.
In der Tat wirkt das geschriebene Wort auf jeden Leser anders und führt somit ein “eigenes Leben” von seinem Entstehungsmoment an. Erst vorgestern las ich ein wunderschönes Gedicht eines der hiesigen (ein leider ser jung verstorbener) Dichter, Daniel Faria und seine “Do ciclo das intempéries”. Er beschreibt zum Vergleich die Magnolie, dessen Wurzeln ins Gedicht hineinwachsen; die Blüte, einmal dem
Geschriebenen entwachsen, wird der Autor nie wieder kennen oder gar pflücken können, auch wenn der Leser sie zurückweist.

Dann dient das Wort auch der narzisstischen Selbstbetrachtung; volle Zustimmung, worauf es mir hier allerdings weniger ankam. Eher die begrenzte Fähigkeit des Autors, den Leser genau so zu erreichen wie es eigentlich beabsichtigt war.

Wie dem auch sei, das Wort löst sich auf die eine oder andere Weise von seinem Urheber, wird 'selbstständig' und verliert sich auch hin und wieder, wie hier, ungelesen …

LG
Tula
Ja, das stellt Dein Gedicht gut in klare Zusammenhänge.
Ich bestätige es hier als "tiefere Analyse", mit der ich so übereinstimme, daß ichs entsprechend in die so genannte Katgorie hinaufrücke.

grusz, hansz
 



 
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