radtour

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]radtour


staubige brombeeren irgend ein silberner flaum
fällt von der grauwacke mauer kriecht durch den rost
auf dem fahrad gepäck elefanten turm
hoch zu roß da reitet auf seinem thron

könig sardanapal seinen freunden voraus
ließ er sie doch drei tage weit hinter sich
meint er – doch die haben sich nur bequem versteckt
unter den schichten der wäsche auf denen er sitzt

zuckendes lachen verrät die verräter – der prinz
tut erst als merke er nichts dann bohrt er den sporn
in ihre flanken sie bäumen sich prustend auf
schwinden – so tritt er die mühle nun wieder allein
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

Die Geschichte vom Sardanapal und das wirklich einzigartige Gemälde kannte ich nicht, so habe ich hier dazu gelernt.

Dass das Rad hier auch das der Zeit ist (und Metapher für Sein und Vergehen), leuchtet mir ein. Der Bezug im ansonsten ja heiteren Gedicht befremdet aber doch irgendwie, sehe ich doch täglich im Fernsehen "moderne" Wiederauferstandene dieses Typen, denen das Volk und Untertanen (also heutzutage Wehr- und Steuerpflichtige Bürger) mehr oder weniger am Arsch vorbei gehen.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich interpretiere dieses Lied, lieber Tula,

ganz anders. Das lyrische Ich ist (aber das kann ja jeder Leser sehen, wie ers sich selbst zusammenreimt, und wenn erst nicht zusammengereimt bekommt, ist es vielleicht besser, den einfachen Weg des Verständnisses zu suchen und die abwegigen Deutungen zu vergessen) gemäß der Überschrift ein Junge auf einer Radtour.

Entweder radelt er alleine, und dann phantasiert er sich Freunde zurecht, oder er radelt seinen Freunden weit voraus, dann phantasiert er sich deren Gegenwart gleichfalls zurecht.

Dritte Möglichkeiten überlasse ich jedem Leser, aber wenn die nicht passen, dann passen die nicht. Ich kann ja auch im Telephonbuch die Auflistung einer kabbalistischen Armee erkennen, der alphabetischen Ordnung wegen, deren geheimen Wert ausrechnen und in Bitcoins verwandeln. Oder das Alpenpanorama als Börsenkurslinie lesen.

Ob der Fahrradfahrer den Sardanapal kennt oder nicht, kann man auf die metaphorische oder psychologische Ebene schieben. Ich denke eher, die Einsamkeit gibt ihm weit ausgreifende Spielräume.

Tja, wer weiß schon, was so ein Sechzehnjähriger auf einer allein durchgeführten Radtour durchmacht, wenn er pro Tag seine Fuffzig Kilometer auf der Tretmühle abarbeitet, mal kühl durchnäßt, mal heiß verschwitzt, mal von Autos überrauscht, mal den Landschaften, Vögeln und Sonnenblicken ausgeliefert. Oder sich selbst, ja das wohl am allermeisten. Es muß ja nicht immer der Jakobsweg sein, der den einsamen Pilger auf sich selbst zurückwirft.

grusz, hansz
 



 
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